„Es ist gut, hier zu sein“
Bewegender Auftritt in Paris: Drei Monate nach dem Anschlag im Bataclan spielten die Eagles of Death Metal wieder in der französischen Hauptstadt. Wie schon beim fatalen Konzert am Anschlagsabend im Bataclan, bei dem 90 Menschen von islamistischen Terroristen in der Konzertlocation getötet wurden, fungierte auch letzten Dienstag das Tiroler Duo White Miles wieder als Vorgruppe.
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Als der Frontsänger der US-Rockband Eagles of Death Metal mitten im Konzert auf die Besuchertribüne kommt, beugt sich plötzlich eine Frau zu ihm herunter. Mindestens eine Minute spricht sie Jesse Hughes ins Ohr. Er hört geduldig zu, drückt sie an sich, lächelt. Später erzählt die Frau, dass sie sich bedanken wollte: Am Abend des Anschlags auf den Pariser Musikclub Bataclan sei sie nur gerettet worden, weil das Management die Tür vor den Terroristen verschlossen hatte. „Ich habe seit drei Monaten niemanden erreicht, um mich zu bedanken.“
Drei Monate nach dem verheerenden Anschlag sind die Eagles of Death Metal erstmals für ein eigenes Konzert zurück in Paris. Es ist ein bewegender Auftritt voller liebevoller Gesten und trotzigem Abrocken. Begeistert feiern die Zuschauer die Gruppe, schon zur Begrüßung reißt es alle von den Sitzen, vor der Bühne hüpfen die Fans, und auch Hughes und seine Mitstreiter geben alles. „Heute wird uns niemand aufhalten“, ruft der Frontmann den Anhängern entgegen. Doch immer wieder brechen auch bei ihm die Emotionen durch.
Gedenken an die Opfer
Irgendwann verschwindet die Band ohne Vorwarnung von der Bühne. Nach ein paar Minuten kommt Hughes allein zurück, sichtlich bewegt. „Ihr Motherfuckers habt keine Ahnung, wie sehr ich euch liebe, wie sehr ich euch heute Abend brauche“, sagt er. „Ich bin so scheiße nervös.“ Mit einer Gitarre in den französischen Nationalfarben Blau-Weiß-Rot spielt er allein weiter, improvisiert „Brown Sugar“ von den „Rolling Stones“. Schon bei ihrem allerersten Lied hielt die Band plötzlich inne und rief zu einem Moment der Erinnerung an die Opfer auf.
Trotz der schrecklichen Vorgeschichte erinnert überraschend viel an ein normales Konzert: Schlangen am Bierstand, Gesprächswirrwarr im Foyer, die Suche nach der richtigen Größe, dem passenden Motiv am T-Shirt-Stand für die Fans. „Es wirkt alles wie sonst“, sagt Stephane aus Paris. „Und es ist gut zu sehen, dass die Leute nicht weinen.“
Und doch ist nichts normal. Der Bandname, der in großen Lettern über dem Eingang des Konzertsaals Olympia prangt, erinnert unweigerlich an den Schriftzug am Bataclan, der zum Symbol des blutigen Terrors wurde. Polizeifahrzeuge stehen direkt vor der Tür, der Gehsteig ist weiträumig abgesperrt, schon Dutzende Meter vor dem Eingang kontrollieren Polizisten die Besucher. Darauf folgen noch drei weitere Kontrollpunkte mit privaten Sicherheitsleuten.
Psychologische Betreuer bereit
Im Vorraum des Konzertsaals warten psychologisch geschulte Betreuer, mit dezenten Schildern an der Brust gekennzeichnet. Auf Handzetteln sind drei Anlaufpunkte für Hilfesuchende markiert. Die Band hat alle Überlebenden des Bataclan-Auftritts vom 13. November eingeladen, einige sind mit Gips oder im Rollstuhl gekommen.
Es hatte Bedenken gegeben, ob es für ein solches Konzert nicht zu früh sei. „Um zu genesen, muss man das Ereignis mit Worten, mit Sprache erfassen. Doch die Musik appelliert an die Emotionen“, sagte die Psychologin Carole Damiani von einer Pariser Opferhilfe-Organisation dem Nachrichtenportal „francetvinfo“. Eine Mitarbeiterin des psychologischen Dienstes sagte allerdings später, es hätten nicht viele Leute ihre Hilfe gesucht.
„Ich war im Bataclan und habe den richtigen Moment abgepasst, da rauszukommen“, erzählt Robin aus Grasse. „Das Leben geht weiter, und das ist gut so.“ Er könne zwar die Leute verstehen, die sagen, das Konzert sei zu früh gekommen. „Aber nicht für mich. Es ist gut, heute hier zu sein.“
Sebastian Kunigkeit und Gerd Roth, dpa
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