Frachter auf rätselhafter Route
Ein angeblicher Wasserstoffbombentest und ein Raketenstart haben Nordkorea zuletzt wieder in die Schlagzeilen gerückt. Die USA verschärften ihre Sanktionen gegen das Regime von Kim Jong Un erneut. Doch auf dem Meer finden sich offenbar Schlupflöcher, wie die rätselhaften Routen eines Frachtschiffs zeigen.
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Das Containerschiff mit dem Namen „Dawnlight“ unterscheide sich nicht wirklich von anderen, die in den Gewässern Ostasiens unterwegs seien, schrieb die „Washingon Post“ am Freitag. Trotzdem sei der Frachter nicht irgendeiner. Er stand und steht unter Verdacht, regelmäßig auf Besuch in Nordkorea zu sein - Grund und Ladung unbekannt. Die USA setzten das Schiff und seine Inhaber mit Sitz in Singapur deshalb schon im Sommer letzten Jahres auf ihre Sanktionsliste.
Ziel Nordkorea, nie angekommen
Die „Dawnlight“ sei, schrieb die US-Zeitung nach mehrmonatiger Spurensuche nach dem Frachter, regelmäßig zwischen Singapur und der koreanischen Halbinsel unterwegs, mit gelegentlichen Stopps in China. Insgesamt habe der Frachter in den letzten dreieinhalb Monaten neunmal die koreanische Halbinsel angesteuert.
Allerdings: Auch wenn ein nordkoreanischer Hafen als Ziel angegeben wurde, schien das Schiff nie dort anzukommen, sondern immer vor Südkorea zu wenden - zumindest hätte die Auswertung von Radar- und Satellitendaten das nahegelegt.
Unter mongolischer Flagge
Die „Dawnlight“ gehört derzeit laut „Washington Post“ einer Reederei mit Sitz in Hongkong, zuvor war der Inhaber Senat Shipping mit Sitz in Singapur. Eine offizielle Website gibt es nicht, dafür mehrere an der Adresse registrierte Gesellschaften. Das Schiff fährt unter der Flagge der Mongolei.
Nach einem Atomtest - Nordkorea hatte behauptet, es habe sich um die Zündung einer Wasserstoffbombe gehandelt - und einem Raketenstart war Nordkorea zuletzt wieder in die Schlagzeilen gerückt. Die USA verschärften ihre Sanktionen erst am Donnerstag erneut. Die Sanktionen gegen das autoritäre Regime verbieten unter anderem den Handel mit Gütern, die für Waffen verwendet werden könnten.
„Was hat die ‚Dawnlight‘ geladen?“
Die Fahrten der „Dawnlight“ zeigten deutlich die Schwächen in der Überwachung der Sanktionen gegen Nordkorea, schrieb die „Washington Post“. Das Schiff könne „völlig legal“ unterwegs sein. „Aber die Frage bleibt: Was hat die ‚Dawnlight‘ geladen? Wohin fährt sie? Und wem gehört sie überhaupt?“ Die US-Zeitung kann auch nach langer Recherche nicht wirklich eine Antwort geben.
In Singapur, von wo viele Schiffe in Richtung Nordkorea ablegen, sei das Tempo wegen des starken Wettbewerbs hoch. Frachtlisten seien nicht öffentlich einsehbar, Kontrollen gebe es nur bei bestehendem Verdacht wegen Verstößen gegen die internationalen Sanktionen.
Wegen der unilateralen US-Sanktionen schreite Singapur nicht ein, vor allem, weil Millionen von Containern täglich umgeschlagen würden. Senat Shipping steht nur auf der Schwarzen Liste Washingtons, nicht der UNO, also dürften sich Schiffe der Reederei in der Region frei bewegen.
Spurensuche auf dem Ozean
Die „Washington Post“ wollte wissen, wo die „Dawnlight“ das tut, und versuchte seit November, ihre Spuren über die verfügbaren Daten zu verfolgen - und stieß rasch an eine Grenze. Daten über Schiffe liefern Websites wie MarineTraffic und Vessel Finder. Laut beiden lag das Containerschiff am Freitag im chinesischen Hafen von Jingjiang im Südosten Chinas.
Alle kommerziellen Schiffe, erläutert die „Post“, liefern Daten an das Automatische Identifikationssystem (AIS), das ist seit Jahren verpflichtender Standard der Internationalen UNO-Seeschifffahrtsorganisation (IMO). Das Signal wird per Funk bzw. Radar übermittelt. Allerdings: Schiffen, die nach Nordkorea unterwegs sind, auf den Fersen zu bleiben sei eine Herausforderung für sich - zum einen, weil Nordkorea keine kompatiblen Radarstationen habe bzw. die Satellitenüberwachung in der Region löchrig sein könne.
Vor der Küste von der Bildfläche verschwunden
Außerdem könne eine Crew, obwohl das verboten ist, das Identifikationssystem abschalten, um Spuren zu verwischen. So habe die „Dawnlight“ auf einigen ihrer Fahrten selbst weit weg von Nordkorea und dort, wo es keine Lücken im System gebe, „extrem begrenzte AIS-Daten geliefert“, ergaben die Recherchen der US-Zeitung.
Laut den verfügbaren Daten befand sich der Frachter in den letzten Monaten neunmal vor der Küste Nordkoreas, meist aus Singapur, einmal vom chinesischen Jangtse-Fluss aus kommend, legte aber dort nie an, zumindest laut den Signalen - ganz genau so auch zuletzt. Da habe es den Anschein gehabt, der Frachter habe vor der Küste Südkoreas gewendet. Als Zielhafen sei zuvor von der Crew einer in Japan angegeben worden. Tatsächlich lag das Schiff dann am Freitag in Jingjiang am Jangtse.
Nicht einmal eine Telefonnummer
Seit dem Verkauf durch Senat im letzten September gehöre der Frachter einer Reederei namens Bene Star mit Sitz in Hongkong. Angeblich, so fand die „Post“ heraus, wurde das Schiff auch aus dem mongolischen Schiffsregister gelöscht, fährt aber laut aktuellen Daten immer noch unter dieser Flagge - einer der Billigflaggen, auf die Reeder oft aus unterschiedlichen Gründen ausweichen. Mitunter sind es laschere Vorschriften, die allerhand „Spielraum“ erlauben.
Die japanische Hafenkontrollbehörde Tokyo MOU und weitere Register führten das Schiff immer noch als im Besitz von Senat und unter mongolischer Flagge fahrend. Senat könne sich das nur dadurch erklären, dass der neue Besitzer den Frachter nicht ordnungsgemäß registriert hat. Die Reederei Bene Star sei nicht ausfindig zu machen gewesen: keine Website, keine Antworten auf eine E-Mail-Adresse, nicht einmal ein Eintrag im Telefonbuch.
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