Clinch als Trumps Chance
„Jemand, der daran denkt, Mauern statt Brücken zu bauen, ist nicht christlich“, hat Papst Franziskus anlässlich seiner Mexiko-Reise wohl jenen Republikaner wissen lassen, der die US-Grenze zu Mexiko völlig schließen will: Donald Trump. Zwar nannte das Kirchenoberhaupt Trump nicht beim Namen, der Adressat fühlte sich dennoch angegriffen.
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Er reagierte zunächst auf die von ihm bereits bekannte undiplomatische Art. „Es ist schändlich von einem religiösen Führer, den Glauben eines Menschen infrage zu stellen“, sagte Trump. „Ich bin stolz, ein Christ zu sein, und als Präsident werde ich nicht erlauben, dass das Christentum ständig angegriffen und geschwächt wird.“ Er hatte den Papst bereits zuvor kritisiert und ihm vorgeworfen, die Grenze zu den USA nur auf Drängen der mexikanischen Regierung zu besuchen.
„Viel Respekt vor dem Papst“
Außerdem führt der republikanische Präsidentschaftskandidat die dschihadistische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ins Feld, die mit Angriffen auf den Vatikan gedroht hatte. „Wenn der Vatikan vom IS angegriffen wird, was, wie jeder weiß, die ultimative Trophäe für den IS ist, verspreche ich euch, dass der Papst gewünscht und gebetet hätte, dass Donald Trump Präsident gewesen wäre“, gab Trump zu Protokoll.
Nur Stunden später ruderte er zurück und lobte den Pontifex. „Ich habe sehr viel Respekt vor dem Papst. Er hat viel Persönlichkeit, und ich glaube, dass er seinen Job sehr gut macht, er hat viel Energie“, sagte er laut BBC bei einer Wahlkampfveranstaltung in South Carolina, wo am Samstag die nächste Vorwahl der Republikaner stattfindet. Inhaltlich wollte er dem Papst nicht recht geben. Dieser sei wohl falsch informiert, was die mexikanische Grenze betreffe, und wisse nicht über den Drogenhandel und andere Probleme Bescheid.
Von Mutter geschenkte Bibel
Die Kritik des Papstes trifft Trump wohl umso mehr, als er sich bisher im US-Vorwahlkampf stets religiös gab und das bei Auftritten untermauerte, indem er beispielsweise eine Bibel in Händen hielt, die er als Kind von seiner Mutter geschenkt bekommen haben soll. Ganz angekommen ist das bei der potenziellen Wählerschaft allerdings nicht: Dem Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center zufolge wird er von sämtlichen republikanischen Präsidentschaftsanwärtern als am wenigsten religiös wahrgenommen.
Das hat Trump bisher nicht geschadet, und wer den Milliardär bis dato favorisiert hat, sieht auch in der Papst-Kritik keinen Anlass, seine Meinung zu ändern. Im Gegenteil: Womöglich hat ihm der Disput mit dem Heiligen Vater die zuletzt ein wenig zurückgegangene Medienpräsenz zurückgebracht. Für gewöhnlich hätte eine Auseinandersetzung wie diese in einem Land, in dem Glaube und Kirche eine zentrale Rolle spielen, jeden Kandidaten irreparabel beschädigt.
Konkurrenten halten sich zurück
Trump scheint sogar davor gefeit zu sein. Denn auch der parteiinternen Konkurrenz liegt es fern, aus dem Clinch Kapital zu schlagen. John Kasich lobte den Papst prinzipiell in höchsten Tönen, Kritik zu Trump kam ihm aber nicht über die Lippen. Und auch Jeb Bush, selbst bekennender Katholik, will sich aus der Chose heraushalten und erläuterte bei einer Fragestunde, dass das allein Trumps Angelegenheit sei.
Schlagend könnte die Affäre allerdings am 15. März werden. Dann werden in Florida, dem drittbevölkerungsreichsten Bundesstaat der Vereinigten Staaten, republikanische Wahlen abgehalten. Hispanischen Wählern, die dort fast ein Viertel der Bevölkerung ausmachen, wird besondere Bedeutung beigemessen. Und für diese haben sowohl die Kritik des Papstes als auch die fremdenfeindlichen Aussagen Trumps mehr Gewicht als für jene South Carolinas, wo gerade einmal neun Prozent römisch-katholisch sind.
In Umfrage hinter Ted Cruz
Bis dahin hat Trump ganz andere Sorgen. Erstmals seit mehreren Monaten sieht eine Umfrage in den USA den texanischen Senator Ted Cruz bei republikanischen Wählern vor Donald Trump. Cruz liege bei etwa 28 Prozent, teilten das „Wall Street Journal“ und der Sender NBC zu der gemeinsamen Erhebung mit. Trump sei seit Mitte Jänner um sieben Punkte abgerutscht und liege nun bei 26 Prozent.
Die Fehlermarge der Umfrage wird jedoch mit knapp fünf Prozent angegeben, Trump und Cruz könnten also auch gleichauf liegen oder gar die Plätze tauschen. Das Erstarken des Texaners ist dennoch bemerkenswert, galt Trump doch lange als praktisch uneinholbar. Als Gründe für Trumps schwächeres Abschneiden wurde das Ausscheiden mehrerer Kandidaten angeführt, das konzentriere die Stimmen auf die geringere Zahl von Trumps Widersachern.
Aggressiver TV-Auftritt
Auch habe dem Immobilienmilliardär sein über die Maßen aggressiver Auftritt bei der jüngsten TV-Debatte der Republikaner geschadet. Erhoben wurden die Daten wohlgemerkt vor der vom Papst geäußerten Kritik und Trumps Reaktion darauf. Auf den Plätzen drei bis sechs liegen in der Umfrage Marco Rubio (17 Prozent, plus vier Punkte), John Kasich (elf Prozent, das stärkste Plus), Ben Carson (zehn Prozent) und an letzter Stelle Jeb Bush (vier Prozent).
In sämtlichen anderen Umfragen, die in den USA im Vorfeld der Vorwahl in South Carolina durchgeführt worden waren, lag Trump nach wie vor auf Platz eins. Das könnte ihn ein wenig beruhigen. Aus dem Konzept ließ sich der Unternehmer aber bisher weder von guten noch von schlechten Nachrichten bringen. Er poltert weiter.
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