„Hat nichts mit Ersatzpolizei zu tun“
In ganz Österreich formieren sich Bürgerwehren, Pfeffersprays sind ausverkauft, und die Nachfrage nach Waffenscheinen ist auf Rekordhöhe. Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer (ÖVP) ortet außerdem eine verstärkte Tendenz zu eigenen Gemeindepolizisten.
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Gerade in Tourismusgemeinden seien Überlegungen vorhanden, dass man diese Einrichtung wiederbelebe, so Mödlhammer am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal - mehr dazu in oe1.ORF.at. Zuletzt ließ etwa das Burgenland damit aufhorchen, „Sicherheitspartner“ in den Gemeinden einrichten zu wollen.
„Subjektives Sicherheitsgefühl verbessern“
Die rot-blaue Landesregierung will dafür sorgen, dass sich das „subjektive Sicherheitsgefühl“ der Bevölkerung verbessert. Die „Sicherheitspartner“ sollen voraussichtlich uniformiert unterwegs sein, an ihren Befugnissen wird noch getüftelt, so Landeshauptmann-Stellvertreter Johann Tschürtz (FPÖ) Ende Jänner. Ob die „Sicherheitspartner“ eine Befugnis zur Ausweiskontrolle bekommen, sei noch offen. „Von Bewaffnung gehen wir natürlich nicht aus“, so Tschürtz: „Das hat überhaupt nichts zu tun mit irgendeiner Ersatzpolizei.“
Der Startschuss für das Pilotprojekt ist bereits gefallen. In vorerst neun Gemeinden soll es eine Bedarfsaufnahme geben. Danach starte man mit dem Programm, so Tschürtz. Im Südburgenland sollen die „Sicherheitspartner“ zunächst in Rechnitz, Scharndorf und Deutsch Schützen aktiv werden. Im Landesnorden ist die Umsetzung in Schattendorf, Loipersbach und Baumgarten sowie in Kittsee, Pama und Deutsch Jahrndorf geplant.
Rekrutierung über Sicherheitsfirma
Aufgrund der Ergebnisse sollen lokale Schwerpunkte wie zum Beispiel Beobachtung, Objektschutz und Nachbarschaftshilfe ermittelt werden. Offen ist auch noch die Frage der Personalrekrutierung. Denkbar sei eine Variante unter Einbindung der „Aktion 50plus“ oder die Umsetzung des Projekts über eine Sicherheitsfirma, so Tschürtz. Bis zum Sommer wolle man ein Konzept entwickeln. Betreffend die Finanzierung seien je nach Variante Zuschüsse von AMS, Gemeinden und vom Land denkbar - mehr dazu in burgenland.ORF.at.
Mödlhammer steht dem Vorstoß des Burgenlandes neutral gegenüber: „Wenn die Bedürfnisse vorhanden sind, ist es sicherlich sinnvoll. Wenn die Bedürfnisse aber nur aus der Emotion heraus sind, dann ist es zu wenig.“ Die Kriminalitätsrate im Burgenland ist nach Angaben des Bundeskriminalamts rückläufig.
Meiste Gemeindepolizeien in Vorarlberg und Tirol
Eine eigene Gemeindepolizei oder Stadtpolizei leisten sich in Österreich knapp 40 Gemeinden. Die meisten befänden sich in Vorarlberg und in Tirol, sagte Rudolf Keplinger, Leiter des Rechtsbüros der Landespolizeidirektion Oberösterreich, am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal. Gemeindewachkörper sollten generell das Sicherheitsbedürfnis erhöhen, so Keplinger. „Dazu muss man sagen, dass die Gemeindepolizeien tiefere Wurzeln haben als die Bundespolizei - die bestehen teilweise schon seit dem Mittelalter.“
Zur Ausweiskontrolle können Gemeindepolizisten ebenso ermächtigt werden wie zur Festnahme von Personen - im Auftrag der Gemeinde. Gemeindepolizisten dürfen auch Waffen tragen und werden gleich ausgebildet wie normale Polizisten. „Wir achten sehr darauf, dass die Zusammenarbeit zwischen Gemeindepolizei und Bundespolizei funktioniert“, so Kepplinger zu einer eventuellen Konkurrenzsituation. Es müsse ganz klare Regeln geben, wer welchen Bereich übernimmt und welche Aufgaben erfüllen soll.
Innenministerium beobachtet Bürgerwehren
In mehreren Bundesländern formieren sich zudem privat organisierte Bürgerwehren. Teilnehmer werden etwa über Soziale Netzwerke wie Facebook rekrutiert. Das Innenministerium beobachte diese Initiativen, so Sprecher Karl-Heinz Grundböck am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal. „Wenn es aber ein Selbstverständnis geben sollte, dass eine Bürgerwehr sich als eine Ersatzpolizei oder als selbst ernannte Hilfssheriffs versteht, davon wäre dringend abzuraten“, so Grundböck.
Die Bürger müssten wieder das Gefühl der Sicherheit bekommen, sagte Gemeindebund-Präsident Mödlhammer. Privatinitiativen würden dieses Problem nicht lösen können. Die rechtliche Kompetenz, einzuschreiten wie die Polizei, habe eine private Bürgerwehr darüber hinaus jedenfalls nicht.
Grüne: Zivilcourage statt Sicherheitsfirmen
Gegen die von der burgenländischen Landesregierung angekündigten uniformierten „Sicherheitspartner“ starteten Burgenlands Grüne bereits eine Petition. Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und Tschürtz würden damit in den Dörfern durch die Hintertür Bürgerwehren installieren. Landessprecherin Regina Petrik wies darauf hin, dass für eine derartige Konstruktion die rechtlichen Grundlagen mangelhaft seien. Außerdem müsse im Ernstfall ohnehin die Polizei gerufen werden.
„Dies wird unter dem Einsatz von ‚Sicherheitspartnern‘ noch häufiger der Fall sein, weil die Anrainer verunsicherter sind“, sagte Petrik. Angestellte von Sicherheitsfirmen hätten laut der Landessprecherin „nur eine Schmalspurausbildung und sind für Konfliktsituationen, die in Gemeinden auftreten, keineswegs geschult“.
Mit der Onlinepetition wolle man „die Unterminierung polizeilicher Kompetenzen verhindern und Nachbarschaftshilfe und Zivilcourage stärken“. Konkret sprechen sich Unterzeichner der Petition für die Erhaltung der polizeilichen Zuständigkeiten in Sicherheitsfragen, gegen die Finanzierung von Sicherheitsfirmen durch Steuergelder zur Hebung subjektiver Sicherheitsgefühle und für die Unterstützung nachbarschaftlicher sozialer Hilfestellungen in den Gemeinden aus - mehr dazu in burgenland.ORF.at.
„Wollen keine Hilfssheriffs“
Bei der Formierung von Bürgerwehren spielen Sozialen Netzwerke eine zentrale Rolle. Über Facebook schlossen sich etwa in Wien gerade Personen zusammen, um eine Bürgerwehr aufzustellen. „Wir wollen nicht die Arbeit der Polizei machen. Wir wollen unseren Bürgern das Gefühl geben, dass jemand auf sie schaut, wenn es dunkel wird. Wir werden uns als Verein im Rahmen der Nachbarschaftshilfe bewegen“, schreiben die Organisatoren. Seitens der Polizei läuft eine Überprüfung der Gruppe. Auch die Waffenverkäufe sind gestiegen. „Österreichweit kann man von einer Zunahme von 50 Prozent bei Verkäufen von Pfeffersprays ausgehen“, so Branchensprecher Robert Siegert - mehr dazu in wien.ORF.at.
Trend zu „Bewaffnung“ gestiegen
Ansprechpartner könne nur die Polizei sein, so der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“.
Dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, bereitet die zunehmende Selbstbewaffnung der Österreicher Sorgen. Die Sicherheit im Land sei gewährleistet, die Polizei sehr präsent. Bürgerwehren seien zwar nicht grundsätzlich etwas Schlechtes, „was wir aber nicht wollen, sind Hilfssheriffs“, so Kogler am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“.
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