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Alles beim Alten

„Die Wilden Kerle“ waren für die Kinder der Nullerjahre prägend - zuerst als Bücher und Hörbücher, später im Kino und schließlich als Animationsserie. Dann war Schluss - bis jetzt. Nach sieben Jahren Pause kehren die Wunderkicker wieder auf die Leinwand zurück.

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Enid Blyton hatte die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fest in der Hand, was Serienerfolge für Kinder betraf: „Die fünf Freunde“, „Tina und Tini“ und „Hanni und Nanni“ - um nur drei zu nennen. Nach ihrem Tod wurden diese und weitere Buchreihen von anderen Autoren weitergeführt. Ähnlichen Erfolg hatte nur die unter dem Namen Alfred Hitchcocks geführte Reihe „Die drei ???“, für die Hitchcock übrigens nie ein Wort geschrieben hatte.

Szene aus "Die Wilden Kerle"

Walt Disney Studios/BVI, SamFilm GmbH/Marc Reimann

Die nächste Generation der „Wilden Kerle“ ist am Werk

Die Idee hinter all diesen Büchern, die nicht zuletzt auch als Hörbücher die Verlagskassen füllten und füllen: Eine Gruppe an Kindern erlebt gemeinsam Abenteuer, oft in kindgerechter Krimimanier. Sie sind Helden. Es zählt der Zusammenhalt. Sie gewinnen immer. Gerade noch - weil es am Ende stets brenzlig wird. Es unterscheiden sich lediglich die Schauplätze: hier eine Stadt, da eine ländliche Gegend am Meer, dort ein Reiterhof.

Moral spielte selten eine Rolle - Sozialkritik kam höchstens am Rande vor, ganz im Gegensatz zu den Büchern eines Mark Twain, Erich Kästner oder einer Christine Nöstlinger. Aber es ging um die Spannung, und so konnten immerhin Millionen von Kindern für das Lesen gewonnen werden.

Zehn Millionen Kinokarten

Diese Tradition der zielgruppenadäquaten Unterhaltung führten im neuen Jahrtausend im deutschen Kino „Die Wilden Fußballkerle“ (für die Buben) und „Die Wilden Hühner“ (für die Mädchen - Cornelia Funkes Buchreihe startete in den 90er Jahren) fort. Hinter „Die Wilden Kerle“ steht Joachim Masannek, der vom Typ her ein wenig an den Roadie einer Rocktruppe der 90er Jahre erinnert. Er ließ sich von seinen beiden Söhnen Marlon und Leon und der von ihm trainierten Fußballmannschaft „Die Wilden Kerle“ zu seiner Buchreihe inspirieren, in der zwischen 2002 und 2005 unglaubliche 14 Bände erschienen waren.

Masannek verfilmte als Regisseur die Bücher gleich selbst bzw. bediente sich lose aus ihnen. Fünf Filme entstanden daraus zunächst von 2003 bis 2008, allesamt große Kassenerfolge. Zehn Millionen Tickets wurden in Kinos verkauft, im Fernsehen verfolgten 32 Millionen Menschen die Abenteuer. Zu den jungen Stars zählten Jimi Blue und Wilson Gonzalez Ochsenknecht, deren Vater Uwe ebenfalls mitspielte. Während es im Buch um eine Fußballmannschaft aus zwölf Kindern geht, kamen in den ersten fünf Filmen immer um die neun zum Einsatz.

Ballkünstler im Traumland

Es geht im Kern darum, dass Bobo-Kids ihren räudigen Bolzplatz gegen die böse Prolobande des dicken Michi verteidigen müssen. Höhepunkte sind die Fußballspiele, bei denen die Burschen und das eine Mädchen mit magischen Kräften Ballkunststücke vollbringen. Neben den Kindern spielt die romantische Traumwelt aus verwildertem Naturfußballplatz, staubigen Wegen und einem dreistöckigen Baumhaus die Hauptrolle. Die Bande durchpflügt mit unglaublich toll aufgemotzten Fahrrädern ihr Revier.

Warum das Erfolgsrezept aufgegeben wurde, liegt auf der Hand: Die jungen Darsteller wurden schlicht zu alt - und selbst als sie auf Motorräder umstiegen, war klar, dass man ihnen die wilden Kerle nicht mehr lange abnehmen würde. Es folgten die Zehnerjahre und mit ihnen von derselben Produktionsfirma (SamFilm), ebenfalls äußerst erfolgreich, vier deutsche Verfilmungen der „Fünf Freunde“. Aber der Druck der Fangemeinschaft der „Wilden Kerle“ blieb unvermindert groß, und es war klar, dass da noch Profit abzuholen wäre.

Rückkehr zum „Teufelstopf“

Also entschloss sich Masannek dazu, eine Neuauflage zu drehen. Ob daraus wieder eine ganze Serie wird, ist noch nicht ganz klar, das hängt vom Erfolg des Films ab, der diese Woche in den heimischen Kinos anläuft. Die Kinderriege wurde ausgetauscht - und mit einer schönen, in sich schlüssigen Geschichte eingeführt. Ein paar Burschen spielen zu Hause „Die Wilden Kerle“ aus den Filmen nach, als plötzlich ein schwarz angezogener Mann mit Augenklappe ihnen verrät, dass es die wirklich gegeben hat und er ihnen eine Landkarte in die Hand drückt, die zum Bolzplatz („Teufelstopf“) und zum Baumhaus („Camelot“) führt.

Szene aus "Die Wilden Kerle"

Walt Disney Studios/BVI, SamFilm GmbH/Marc Reimann

Die alte Generation gibt ihr Wissen und ihren Kampfgeist weiter

Den dicken Michi gibt es noch immer, er ist jetzt Schrottplatzbesitzer. Und wenn sie nicht binnen zwei Wochen gegen seine Mannschaft gewinnen, dann gehört ihm das Grundstück, auf dem der „Teufelstopf“ steht und auf dem der alte Hippie und Wilde-Kerle-Trainer Willi (wunderbar gespielt von Rufus Beck) seinen Wohnwagen stehen hat. Die Intrigen, Abenteuer und das harte Training nehmen ihren Lauf. Fans der „Wilden Kerle“ kommen auf ihre Kosten.

„Solange du wild bist“

Besonders auch Fans der alten Folgen - weil die Stars von damals wieder kurze Auftritte haben. Die Ochsenknecht-Brüder haben mittlerweile eine ansehnliche Nach-Wilde-Kerle-Karriere hingelegt, und auch ihre damaligen Kollegen sieht man immer wieder auf der Leinwand oder vor allem im TV. Aber den Kids von einst wieder hier in diesem Kontext zu begegnen - so deutlich gealtert, wenn auch immer noch jung -, das macht Spaß.

Im neuen Film haben sie eine kleine, aber nicht unwesentliche Rolle: Sie machen ihren Nachfolgern Mut. So wie der ganze Film ein Mutmach-Film ist. „Alles ist gut, solange du wild bist“, wird der jungen Generation mit auf den Weg gegeben. Auch wenn die Gegner unbezwingbar scheinen, auch wenn der eine oder andere Angst hat und eigentlich nicht zum klassischen Helden taugt: Glaub an dich selbst, dann steht dem Triumph des Willens auf dem Fußballplatz nichts im Weg. Das ist die Message des Films.

Die Pumuckl-Frage

Jetzt ist es ja nicht so, dass Filme mit erhobenem Zeigefinger daherkommen müssen, darüber ist man hinweg - selbst, wenn seit Jahren über Themen wie einen verschlankten, nicht mehr Bier trinkenden Pumuckl diskutiert wird. Trotzdem kann man nicht darüber hinwegsehen, wie sehr sich „Die Wilden Kerle“ trotz ihrer eigentlich emanzipatorischen Grundstory („Mach dich stark!“) an Klischees bedienen, wo es leicht wäre, ein differenzierteres Bild wiederzugeben, das auch der Demografie des heutigen Deutschlands viel eher entsprechen würde.

Die Coolen und die Aggros

In den Büchern gab es noch Deniz, einen türkischen Burschen. In den Filmen kam er nur einmal vor, auch jetzt ist er nicht mit von der Partie. Die sechs Burschen, die im Mittelpunkt stehen, sind so gekleidet, wie viele betuchte bzw. gebildete Eltern ihre Kids heute kleiden: aus einer gewollt abgefuckten Mischung aus Bullerbü-Idyll und Spät-70er-Jahre-Brooklyn-HipHop, die Haare immer ein bisschen verwuschelt. Mädchen ist wieder nur eines im Team, und sie wird zunächst vom lässigsten der Fußballspieler gemobbt. Sie muss sich erst beweisen. Dass da von Anfang an einfach die Hälfte Mädels sind und dass das nicht lange hinterfragt wird, wäre eine Möglichkeit gewesen. Ist aber nicht so.

Der ultimativ böse, mittlerweile über 20 Jahre alte Schrottplatz-Michi ist übrigens der Einzige mit Übergewicht im Film - einen rundlichen Wunderkicker wollte man dem Publikum offenbar nicht zumuten. Und seine Partie, die Widersacher der wilden Kerle? Sie haben geschleckte Haare und rennen in einem Look herum, der eindeutig Migrantenjugendlichen zugeordnet werden kann - auch wenn das von den Machern des Films mit Sicherheit nicht intendiert war. Aber so stellt man sie sich eben vor, die Aggros, die Loser, deren Zukunft zu sein scheint, auf dem Schrottplatz des dicken Michi zu vergammeln. Es ist das kulturelle Umfeld, das mittels visueller Codes transportiert wird. Alles ist gut, solange du weiß bist. Und cool. Und schlank. Und männlich.

Simon Hadler, ORF.at

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