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Chinesische Investoren ackern Europa um

Das China-Forschungsinstitut MERICS kommt in einer neuen Studie zu dem Schluss, dass eine „neue Ära chinesischen Kapitals“ angebrochen ist. Chinas globale Investitionen würden sich von derzeit 6,4 Billionen Dollar (5,7 Billionen Euro) bis zum Jahr 2020 auf fast 20 Billionen Dollar verdreifachen, schätzt das Institut - durch Einkäufe vor allem auch im Westen.

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43 Milliarden Dollar für den Schweizer Chemiekonzern Syngenta, knapp neun Milliarden Dollar für den italienischen Reifenhersteller Pirelli und rund 900 Millionen Euro für den deutschen Maschinenbauer Krauss-Maffei: Diese Investitionen hat allein der chinesische Chemiekonzern ChemChina in Europa im Visier oder bereits getätigt. ChemChina ist das Gesicht eines fundamentalen Wandels: Immer mehr chinesische Konzerne kaufen sich im Westen ein.

Von Rohstoffen bis zu „Batman“

Jahrelang konzentrierten sich die ausländischen Direktinvestitionen chinesischer Firmen überwiegend auf ressourcenreiche Entwicklungsländer etwa in Afrika. Nun geraten zunehmend Unternehmen in Industrieländern in den Fokus. In Europa kauften oder beteiligten sich chinesische Konzerne im vergangenen Jahr an 179 Unternehmen, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) hervorgeht. So hoch war die Zahl nie zuvor. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 wurden 34 europäische Unternehmen von chinesischen Investoren gekauft.

Nicht nur die Zahl der chinesischen Zukäufe im Westen ist rapide nach oben geschnellt, auch die Bandbreite hat sich verändert: Die Wanda Group, hinter der mit Wang Jianlin der reichste Mann Chinas steckt, kaufte im Jänner für 3,5 Milliarden Dollar die US-Filmproduktionsfirma Legendary Entertainment. Sie hat unter anderem die Kinokassenschlager „Jurrassic World“ und „Godzilla“ sowie die „Batman“-Trilogie produziert.

Schwacher Euro macht EU-Firmen billig

In Deutschland will der Investor Beijing Enterprises den niedersächsischen Abfallkonzern EEW für rund 1,4 Milliarden Euro kaufen. Auch Chinas Fußballclubs greifen plötzlich in Europa zu: 42 Millionen Euro legte Guangzhou Evergrande für Jackson Martinez von Atletico Madrid auf den Tisch, für 50 Millionen Euro wechselte Alex Teixeira zu Jiangsu Suning. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich das für seine Trinkflaschen bekannte Schweizer Traditionsunternehmen Sigg ebenfalls an China verkauft hat.

Der Kurssturz an den chinesischen Börsen und die nachlassende Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in China führen nach Meinung von Yi Sun von EY nicht zu einem Nachlassen der Investitionsaktivitäten: „Gerade jetzt wird klar, dass die chinesische Volkswirtschaft weiter modernisiert werden muss“, so Yi. Akquisitionen ausländischer Unternehmen stünden dabei ganz oben auf der Agenda. Hinzu komme der schwache Euro, der Unternehmen aus dem Euro-Raum zusätzlich attraktiv mache.

Allein 36 deutsche Firmen in einem Jahr

Fürchten müssen westliche Länder die neue Kauflust der chinesischen Unternehmen wohl nicht: Eine Analyse von mehr als tausend Projekten habe Befürchtungen nicht bestätigt, dass „chinesische Investitionen negativen Einfluss auf die lokale Beschäftigungslage oder die Innovationsfähigkeit“ hätten, heißt es in der MERICS-Studie. In Deutschland kauften oder beteiligten sich chinesische Investoren 2015 laut EY an 36 Unternehmen, was im europäischen Vergleich Platz eins vor Großbritannien (34) bedeutete.

Besonders mittelständische Technologie- und Industrieunternehmen sind in China heiß begehrt. Noch sei die Bereitschaft im deutschen Mittelstand, einen ausländischen Investor ins Boot zu holen, „traditionell eher gering“, sagt Yi. Doch das beginne sich zu ändern: „Die positiven Erfahrungen mit Investoren aus Fernost sprechen sich herum, daher werden wir ganz sicher künftig mehr Transaktionen in diesem Bereich sehen“, ergänzt die China-Expertin.

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