Kleiner Staat - viel Symbolik
Am Dienstag ist New Hampshire - wie alle vier Jahre - wieder ins Zentrum des US-Vorwahlkampfs um die Präsidentschaftskandidatur von Demokraten und Republikanern gerückt. Das hat freilich nichts mit der Größe des Bundesstaates im Nordosten der USA zu tun und auch nicht mit seinen Einwohnern - sondern schlicht mit der Gunst eines frühen Termins.
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New Hampshire ist flächenmäßig in etwa so groß wie Oberösterreich und Tirol zusammen - für US-Verhältnisse also ein Zwerg. Die 1,3 Mio. Menschen, die in dem Bundesstaat leben, machen gerade einmal 0,3 Prozent der US-Gesamtbevölkerung aus. Entsprechend niedrig fällt auch die Zahl der Delegierten aus dem Bundesstaat aus, die im Frühsommer den US-Präsidentschaftskandidaten mitbestimmen dürfen: 32 von über 4.000 bei den Demokraten, 23 von fast 2.400 bei den Republikanern.
Dennoch stecken die Kandidaten beider Parteien in dem Bundesstaat viel Geld und Zeit in den Wahlkampf. New Hampshire ist schließlich erst die zweite Station des US-Vorwahlreigens. Und anders als in Iowa - wo noch vor New Hampshire gewählt wurde - handelt es sich dabei um eine tatsächliche „Primary“. So dürfen nicht nur Parteimitglieder ihre Stimme abgegeben, sondern alle registrierten Wähler.
Mehr Aufmerksamkeit und Geld
Die Vorwahl ist damit ein erster breiterer Stimmungstest. Und verschafft den erfolgreichen Kandidaten Schwung für die anstehenden Entscheidungen: Wer bei den ersten Primaries gut abschneidet, bekommt mehr mediale Aufmerksamkeit und tut sich leichter, Spenden zu sammeln. Weil die Kandidaten das wissen, unternehmen sie unverhältnismäßig große Anstrengungen, die Wähler in dem kleinen Bundesstaat von sich und ihrer Kampagne zu überzeugen.
New Hampshire scheint großes Interesse daran zu haben, dass das so bleibt. Der Bundesstaat hat den Termin der eigenen Primary gesetzlich vor jenen der anderen Bundesstaaten festgeschrieben. Als etwa manche Staaten 2008 und 2012 ihre Vorwahltermine nach vorne verlegten, zog deshalb auch New Hampshire – ebenso wie Iowa – nach. Das führte dazu, dass die ersten Entscheidungen bereits im Jänner fielen.
Als Wahlorakel taugt der Bundesstaat aber nur bedingt. Bei Weitem nicht immer ging der Sieger in New Hampshire schließlich für die eigene Partei ins Rennen. Zuletzt musste das vor acht Jahren Hillary Clinton feststellen. Sie holte zwar die Vorentscheidung in dem kleinen Bundesstaat, am Ende des Vorwahlkampfs war es aber Barack Obama, den die Demokraten ins Rennen um das Weiße Haus schickten.
Reicher, weißer, älter
Dass die Entscheidung in New Hampshire nur eingeschränkt Aussagekraft besitzt, liegt nicht allein an der geringen Größe des Bundesstaates. Die Bevölkerung repräsentiert darüber hinaus so gar nicht die Gesamtheit der USA. Die Bewohner New Hampshires sind weißer, älter, gebildeter und reicher als der US-Durchschnitt. 91 Prozent aller Einwohner sind Weiße, Afroamerikaner eine verschwindend geringe Minderheit. Auch die Hispanics stellen gerade einmal drei Prozent der Bevölkerung – in den gesamten USA sind es 17 Prozent.
Das Durchschnittsalter liegt mit 42,5 Jahren viereinhalb Jahre über dem US-weiten Schnitt, das durchschnittliche Haushaltseinkommen ist rund ein Fünftel höher als das landesweite Mittel. Dass auch verhältnismäßig viele Bewohner einen Studienabschluss vorweisen können, mag da nur wenig verwundern.
Darüber hinaus ist der Bundesstaat von einer libertären Grundhaltung geprägt. „Live Free or Die“ („Lebe frei oder stirb“) lautet seit 1945 das offizielle Motto des Bundesstaates – ein Zitat von John Stark, General im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. New Hampshire ist der einzige US-Bundesstaat ohne Anschnallpflicht, die Regierung erhebt weder Einkommens- noch Mehrwertsteuer. In New Hampshire ist auch das Free State Project beheimatet. Die Initiatoren wollen Gleichgesinnte dazu bewegen, nach New Hampshire zu ziehen, und den Bundesstaat so zu einem libertären Vorreiter machen.
Religion nur nebensächlich
In einem solchen Umfeld hätte bei den Republikanern der Senator Rand Paul gute Chancen gehabt. Allein Paul gab bereits nach der Vorwahlentscheidung in Iowa den Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen bekannt. In den Umfragen liegt nun zwar Donald Trump mit deutlichem Abstand voran. Allerdings war er da auch vor den Vorwahlen in Iowa, musste sich schließlich aber doch dem erzkonservativen Ted Cruz geschlagen gegeben.
Cruz konnte in Iowa vor allem die Stimmen der Evangelikalen abschöpfen. In New Hampshire wird sich der von der „Tea-Party“ unterstützte Senator aber weitaus schwerer tun. Für die Bewohner New Hampshires spielt Religion nur am Rande eine Rolle. In einer Umfrage unter möglichen republikanischen Wählern gaben jüngst 79 Prozent an, „nicht sehr religiös“ zu sein.
„Einheimischer“ Sanders im Vorteil
Durchaus als ausgemacht gilt hingegen der Sieg Bernie Sanders’ bei den Demokraten. Er liegt in aktuellen Umfragen bereits fast 20 Prozentpunkte vor Clinton. Der Senator kommt dabei vor allem sein Heimvorteil zu Gute: Sanders stammt aus New Hampshires Nachbarstaat Vermont. Die New-England-Staaten, zu denen New Hampshire und Vermont gehören, sind für ihre regionalen Patriotismus bekannt.
Allerdings weiß gerade Clinton, dass auch große Vorsprünge am Ende auf unter null zusammenschrumpfen können: Vor acht Jahren lag Obama in den letzten Umfragen vor der Primary rund 13 Prozentpunkte vor seiner Mitbewerberin. Bei der tatsächlichen Abstimmung lag Clinton dann aber um drei Prozentpunkte vorn.
Die Geburt von „Yes we can“
New Hampshires Vorwahl 2008 zeigte freilich, wie Symbolik das tatsächliche Ergebnis überlagern kann. Nach seiner knappen Niederlage gegen Clinton hielt der damalige Senator vor seinen Anhängern eine Rede, die der US-Musiker will.i.am kurz darauf in einem Song inklusive YouTube-Video verarbeitete. Innerhalb weniger Tage wurde das Video millionenfach aufgerufen. Obama hatte bei seiner Rede das erste Mal jene drei Wörter verwendet, die ihn in den folgenden Monaten bis zur Präsidentschaft tragen sollten: Yes we can.
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