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„Kein Ersatz für politischen Prozess“

Bei der Syrien-Geberkonferenz in London sind am Donnerstag Zusagen zu mehr als neun Milliarden Euro eingegangen. Das teilte der britische Premierminister und Gipfel-Kogastgeber David Cameron mit. Cameron stellte aber auch klar: „Der heutige Erfolg bedeutet nicht die Lösung der Krise.“

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Dem britischen Premier zufolge handelt es sich dennoch um „ein klares Signal an die Bevölkerung in Syrien. Wir stehen an ihrer Seite“. Von einem großen Erfolg sprach auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon: „Noch nie wurde so viel Geld an einem Tag für eine einzelne Krise gesammelt.“ Dem UNO-Chef zufolge werde die Hälfte des Geldes noch in diesem Jahr zur Verfügung gestellt.

Geberkonferenz

Reuters/Dan Kitwood

Die Gastgeber der mittlerweile vierten Syrien-Geberkonferenz

In London waren auf Einladung von Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Kuwait und der UNO zuvor Vertreter aus fast 70 Staaten zusammengekommen, um über neue Hilfsgelder zu verhandeln. Hilfsorganisationen hatten im Vorfeld allein für heuer rund acht Mrd. Euro gefordert. Auch die UNO nannte zunächst allein für 2016 einen Bedarf von sieben Mrd. Euro.

„Perspektive für die nächsten Jahre“

Erfreut über den Ausgang der Konferenz zeigte sich am Donnerstagabend unter anderen auch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel. Für 2016 werde nun „sofort Geld für die wesentlichen Dinge“ bereitstehen. Die Summe bezifferte Merkel mit 5,3 Mrd. Euro.

Warten auf Umsetzung

Bei der Londoner Syrien-Konferenz hat die Internationale Gemeinschaft Gelder in Höhe von rund neun Milliarden Euro in Aussicht gestellt. In der Vergangenheit wurden versprochene Hilfszusagen nicht umgesetzt.

Die Hilfszusagen bezeichnete Merkel als „wichtiges Signal“ und als „eine Perspektive für die nächsten Jahre“: Nun müsse es nicht wieder dazu kommen, dass Lebensmittelrationen für die Flüchtlinge gekürzt werden. Über die Sicherung der humanitären Lebensgrundlage hinaus würden Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen gefördert. Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg äußerte in diesem Zusammenhang die Hoffnung, dass es nun „keine verlorene Generation infolge der Syrien-Krise geben wird“.

Über die Sicherung der humanitären Lebensgrundlage hinaus verpflichteten sich die Geberländer zur Schaffung von 1,1 Mio. Jobs bis 2018 und zu Schulbesuchen von 1,7 Mio. Flüchtlingskindern in Syrien und den Nachbarländern bis zum Ende dieses Jahres. Merkel dankte zudem der Türkei, Jordanien und dem Libanon dafür, den syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Und sie sagte Exportverbesserungen durch die EU zu, damit die Ausfuhr aus den Ländern gesteigert werden könne und dort mehr Jobs entstünden.

Milliardenzusagen aus Deutschland, GB und den USA

Laut EU-Ratspräsident Donald Tusk wird die EU und deren Mitgliedsländer in diesem Jahr mehr als drei Mrd. Euro für Syrien, Jordanien, den Libanon und die Türkei zur Verfügung stellen. Einer EU-Diplomatin zufolge kommen davon 1,1 Mrd. aus dem Haushalt der Union. Auch nach 2016 solle dieses Finanzierungsniveau gehalten werden, sagte Tusk in London. Aus Deutschland kommt bis 2019 eine Zusage für 2,3 Mrd. Euro. Zusätzliche Milliardenzusagen kommen zudem aus Großbritannien und den USA.

Zusagen nahezu verdreifacht

Im Vergleich zu den bisherigen Geberkonferenzen wurden die Zusagen laut ORF-Auslandschef Andreas Pfeifer nun nahezu verdreifacht.

Der österreichische Beitrag beläuft sich auf die bereits vor der Geberkonferenz zugesagten 60 Mio. Euro bis 2019, wovon mit 45,6 Mio. der überwiegende Großteil im Rahmen des drei Milliarden schweren EU-Türkei-Fonds für Flüchtlingshilfe an Ankara geht. Weitere 14,25 Mio. Euro gehen nach Angaben des Bundeskanzleramtes an den EU-Treuhandfonds für Syrien (Madad-Fonds) sowie an die UNO-Hilfsorganisationen UNHCR, World Food Programme und UNICEF im Libanon.

„Wir brauchen einen Waffenstillstand“

Zugleich rief Merkel die Bürgerkriegsparteien und insbesondere die syrische Regierung auf, sich um Frieden zu bemühen. Die Finanzhilfe ersetze Merkel zufolge „nicht den politischen Prozess“. Es dürften nicht neue Not und neue Flucht entstehen, sondern der politische Prozess müsse „in Gang kommen“. Cameron forderte in diesem Zusammenhang Russland auf, seinen Einfluss geltend zu machen, damit die Angriffe in Syrien beendet würden. „Wir brauchen einen Waffenstillstand“, fügte er an.

Türkei erinnert an unterbrochene Friedensgespräche

Dem türkischen Premier Ahmet Davutoglu zufolge sei von London aus nun ein Zeichen der Hoffnung an die Syrer gegangen - ein solches vermisste Davutoglu gleichzeitig aber von den derzeit unterbrochenen Genfer Friedensgesprächen. Wenn von dort nicht bald ein positives Zeichen für eine friedliche Lösung des Konflikts komme, „werden wir in Zukunft noch viele Geberkonferenzen haben“, warnte Davutoglu.

Schwere Vorwürfe richtete Davutoglu hier auch gegen Russland. Seit drei Tagen habe die russische Luftwaffe kein einziges Ziel der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien angegriffen, dafür aber Ziele der moderaten Opposition bei Aleppo. Mit russischer Hilfe sei der Korridor unterbrochen worden, über den 300.000 Menschen in Aleppo von der Türkei aus versorgt würden. Die syrische Regierung greife bewusst zu mittelalterlichen Methoden, um Menschen in belagerten Städten auszuhungern.

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