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Unter der mörderischen Wüstensonne

Als weltweit erste und einzige „Zahnarzt-Oper“ hat das Landestheater Linz die europäische Erstaufführung von „McTeague - Gier nach Gold“ des amerikanischen Komponisten William Bolcom angekündigt. Die Premiere fand am Samstagabend im Musiktheater am Volksgarten statt - und wurde zu einem vom Publikum bejubelten Bühnenwestern.

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Mit einem kräftigen Fortissimo-Tusch springt das Licht auf der Bühne plötzlich an und gibt den Blick frei auf eine kahle Wüstenlandschaft. Darüber schwebt die riesige Scheibe einer goldenen Sonne, die das ganze Stück lang alle Szenen beherrschen und unterschiedlich ausleuchten wird. Wie ein Menetekel hängt sie über dem unheilvollen Geschehen bis zum Ende. Dort steht zu Beginn des Stücks der Titelheld McTeague, ein primitiver, grobschlächtiger Hüne, der sich auf der Flucht befindet.

Krimi in Rückblenden

Seine Geschichte wird in den folgenden zweieinhalb Stunden in einer Reihe von Rückblenden erzählt, die ins Jahr 1900 nach San Francisco zurückführen, wo McTeague als Zahnarzt tätig ist. Er verliebt sich in seine Patientin Trina und heiratet sie. Als diese dank eines Lottogewinns zu unverhofftem Reichtum kommt, wird Nebenbuhler Marcus von Neid gepackt und zeigt McTeague an.

Szene aus der Oper McTeague - Gier nach Gold

Patrick Pfeiffer

Krankhafter Geiz macht die Ehe zwischen McTeague und Trina zu Hölle

Der Zahnarzt verliert seine Ordination und stürzt ins Elend. Weil Trina inzwischen einen krankhafen Geiz entwickelt hat und nicht einen Penny von ihrem Gewinn hergibt, wird auch die Ehe zur Hölle. McTeague ermordet sie und flieht mit dem Geld ins Death Valley. Dort kommt es mit Marcus, der ihn bis hierher verfolgt hat, unter der gleißenden Sonne Kaliforniens zum Showdown.

„Eine Art griechische Tragödie“

Als Vorlage der Oper diente der Roman „McTeague“ von Frank Norris aus dem Jahr 1899. Robert Altman und Arnold Weinstein steuerten das Libretto bei, William Bolcom schuf die Musik, uraufgeführt wurde das Werk 1992 an der Lyric Opera of Chicago. Leitmotiv ist die triebhafte Gier nach Geld, Neid und Geiz, die den moralischen Verfall des Menschen bewirken, seine animalische Seite hervortreten und seine Gefühle verkümmern lassen. Für Geld geht der Mensch über Leichen.

Doch Bolcom hat nicht die Absicht, die Schäbigkeit der menschlichen Seele unter den Bedingungen des Kapitalismus bloßzulegen. Er schließt jedes direkte Moralisieren aus, wie er im ORF.at-Interview sagt. Ihm geht es um „eine Art griechische Tragödie, in der sich die Protagonisten durch ihr Handeln schicksalhaft verstricken und einem ausweglosen Ende entgegensteuern“. Die Musik begleitet affirmativ ihren Weg in die Katastrophe.

Gratwanderung zwischen U und E

Über das ganze Geschehen hat Bolcom einen Musikteppich gelegt, der sich abwechselnd verschiedener Stilelemente aus der Musikgeschichte bedient - klassischer ebenso wie zeitgenössischer, gewürzt mit zahlreichen Anklängen an Blues, Ragtime und Pop - und ständig zwischen U- und E-Musik schwankt. Mit ihren exotisch anschwellenden Klängen und ihren anschmiegsam kreisenden Melismen könnte sie sich fast dem Vorwurf des Geschmäcklerischen, des Opulenten, vielleicht sogar Kitschigen aussetzen: Lautmalerische Musikbegleitung für Stummfilm lässt grüßen.

Szene aus der Oper McTeague - Gier nach Gold

Patrick Pfeiffer

San Francisco ist gefangen im Goldgräberfieber

Großer Star des Abends ist Dennis Russell Davies am Pult des Bruckner Orchesters. Er sorgt für eine üppige, häufig ins Fortissismo getriebene Musik. Schlagwerk und Bläser bringen Schwung, Streicher sorgen für dramatische, aber auch besinnliche Momente. Feinfühlig stellt Davies das Orchester stets in den Dienst der Solisten und ordnet sich diesen begleitend und stimmungsgebend unter.

Zwischen Mensch und Monster

Die Darsteller sind pausenlos gefordert. Eindrucksvoll in Stimme und Spiel präsentiert sich Corby Welch als McTeague, dem die Gratwanderung zwischen Mensch und Monster hervorragend gelingt. Ebenso eindrucksvoll profiliert sich Cigdem Soyarslan als Trina. Der eingesprungene Michael Wagner kämpft sich tapfer durch die Partie des Marcus, seine gesundheitliche Angeschlagenheit ist jedoch deutlich hörbar. Karen Robertson schließlich gelingt eine prägnante Maria. Engagiert und nicht ohne Witz zeigt sich das restliche Ensemble, gute Figur macht der Chor des Landestheaters Linz.

Das raffinierte Bühnenbild von Mathias Fischer-Dieskau besteht aus vom Boden aufklappbaren Kulissenteilen, die schnelle Schauplatzwechsel und Rückblenden - und damit eine filmische, nicht lineare Erzählweise - ermöglichen. Es gibt kaum farbliche Nuancen, historisierende Kulisse und stilgerechte Kostüme sind durchgängig in Schlammbraun und -grau gehalten. Beleuchtungseffekte werden vor allem über die große Sonnenscheibe erzielt.

Showdown in der Wüste

Sie verwandelt das Szenario am Schluss wieder in das Death Valley, wo alles begonnen hat. Marcus holt McTeague ein und stellt ihn. Im Kampf auf Leben und tot erdrosselt dieser ihn, doch stellt McTeague entsetzt fest, dass Marcus im letzten Moment noch die Handschellen zuschnappen ließ. Verdurstend hängt er angekettet an die Leiche seines Rivalen - einer der seltenen wirklich opernhaften Momente des Abends.

Szene aus der Oper McTeague - Gier nach Gol

Patrick Pfeiffer

Westernmäßig spitzt sich das Geschehen zum finalen Duell zu

Summa summarum gerät die Inszenierung von Mathias Davids brav und sauber. Etwas mehr Biss und Bosheit hätte ihr vielleicht gutgetan. „Gier nach Gold“ könnte eine gute Parabel für den entfesselten Neoliberalismus von heute abgeben. Die Wurzelbehandlung im Linzer Musiktheater aber tut nicht weh, dafür gibt es eben solide Unterhaltung.

Armin Sattler, ORF.at, aus Linz

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