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„Äußerst alarmierende“ Zeugenaussagen

Die Vereinten Nationen (UNO) haben über neue Vorwürfe des Kindesmissbrauchs durch ausländische Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) berichtet. Mehrere Mädchen hätten angegeben, von Soldaten missbraucht worden zu sein, die der EU zuzurechnen seien, teilte Seid Raad al-Hussein, UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, am Freitag in Genf mit.

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Die Mädchen aus der ZAR, damals zwischen 14 und 16 Jahren alt, gaben gegenüber einem UNO-Team an, sie seien von Soldaten der europäischen Militärmission EUFOR RCA (European Forces Republic of Central Africa) für Sex bezahlt oder vergewaltigt worden. Ein siebenjähriges Mädchen berichtete, es habe für Oralsex mit Soldaten der französischen Militärmission eine Flasche Wasser und eine Packung Kekse bekommen. Das Mädchen und ein neunjähriger Bursche gaben an, auch andere Kinder seien von französischen Soldaten missbraucht worden.

Tiflis will bei Aufklärung helfen

Die Vorwürfe von drei Mädchen richten sich gegen Georgier. Tiflis sagte der UNO Zusammenarbeit bei der Aufklärung zu: „Jeder muss, gleichviel, ob auf nationaler oder internationaler Ebene, alles unternehmen, damit die Verantwortlichen für solche Verbrechen bestraft werden“, hieß es aus dem georgischen Verteidigungsministerium. An der EUFOR-Truppe waren im Zeitraum von Februar 2014 bis März 2015 bis zu 700 Soldaten beteiligt, darunter rund 150 Georgier.

Soldaten bei einem Check-Point

Reuters/Emmanuel Braun

An der EUFOR-Mission waren etwa 1.000 europäische Soldaten beteiligt

„Rasche Untersuchung erforderlich“

Menschenrechtshochkommissar Hussein bezeichnete die Aussagen der Zeugen als „äußerst alarmierend“. Unter Missbrauchsverdacht stehen laut UNO-Angaben mehrere georgische EU-Soldaten und französische Militärangehörige. Die EU, Georgien und Frankreich sowie ein weiteres Land, das zunächst nicht benannt wurde, hätten strafrechtliche Ermittlungen zugesagt, hieß es. „Das sind äußerst schwerwiegende Vorwürfe, und es ist dringend erforderlich, dass das rasch untersucht wird“, sagte Hussein.

„Viel zu viele solcher Verbrechen werden nicht verfolgt, und die Täter bleiben straffrei. Das ermutigt zu weiteren derartigen Taten“, so Hussein weiter. Sein Sprecher kündigte die Veröffentlichung weiterer Einzelheiten an. Offenbar seien etwa zehn Kontingente von UNO- und Nicht-UNO-Soldaten in die Vorfälle verwickelt. Die Vorwürfe beziehen sich auf das Jahr 2014, seien aber erst jetzt bekanntgeworden. Damals waren in dem Land Tausende von ausländischen Soldaten im Einsatz gewesen, um in Zentralafrika einen Bürgerkrieg zwischen christlichen und muslimischen Milizen einzudämmen.

EU „nimmt Anschuldigungen sehr ernst“

Ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini erklärte, die EU sei am 19. Jänner über die Vorwürfe informiert worden und habe ebenso wie die beteiligten Staaten ihre Zusammenarbeit bei der Aufarbeitung angeboten. „Die EU nimmt diese Anschuldigungen sehr ernst. Die EU ist den Menschenrechten, dem Schutz der Opfer sexuellen Missbrauchs und dem Kampf gegen die Straflosigkeit verpflichtet“, hieß es weiter. Nach den Regeln für solche Missionen liege die Verantwortung für Ermittlungen sowie disziplinarische Maßnahmen aber bei den Staaten, die die Truppen gestellt haben.

69 Missbrauchsfälle für 2015 bestätigt

Für das Jahr 2015 hat die UNO am Freitag indes 69 Missbrauchsfälle durch UNO-Soldaten bestätigt. Darunter seien auch 22 Fälle in der Zentralafrikanischen Republik, sagte ein ranghoher UNO-Vertreter. Zudem gebe es dort neue Vorwürfe in fünf Fällen, an denen Militärs und Polizisten aus dem Kongo, dem Senegal, dem Niger, Marokko sowie Bangladesch beteiligt sein sollen. Sechs Minderjährige sollen betroffen sein.

Zum ersten Mal seit fünf Jahren sei die Zahl der Vorwürfe wieder gestiegen, sagte Anthony Banbury, stellvertretender Generalsekretär für den Außendienst. Mit den Tränen kämpfend versprach er, sexuellen Missbrauch durch UNO-Friedenstruppen auszumerzen. „Die Vereinten Nationen tun alles Mögliche, um die Opfer zu unterstützen, Verantwortung und Gerechtigkeit walten zu lassen und zu verhindern, dass solche Fälle (...) sich wiederholen.“

Immer wieder Missbrauchsvorwürfe

Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gab es im vergangenen Jahr bereits gegen 15 Soldaten, die im Rahmen der UNO-Friedensmission in die ZAR geschickt worden waren. Diese Fälle werden von der zuständigen UNO-Abteilung in New York untersucht. Die Soldaten der EUFOR-Mission unterstützten 6.000 afrikanische und 2.000 französische Soldaten.

Aus Zentralafrika tauchen seit einem Jahr immer wieder Missbrauchsvorwürfe gegen ausländische Soldaten auf. Im April wurde bekannt, dass französische Blauhelmsoldaten in einem Lager nahe der Hauptstadt Bangui zwischen Dezember 2013 und Juni 2014 mehrere Kinder im Alter zwischen neun und 13 Jahren missbraucht haben sollen. 14 französische Soldaten sowie weitere UNO-Kräfte aus Äquatorialguinea und dem Tschad gerieten unter Verdacht.

Das muslimische Rebellenbündnis Seleka hatte im März 2013 den damaligen Staatschef Francois Bozize gestürzt. Der Putsch zog das Land in eine Spirale der Gewalt zwischen muslimischen und christlichen Milizen. Nach der militärischen Intervention Frankreichs in seiner ehemaligen Kolonie Ende 2013 folgte im September 2014 der UNO-Blauhelmeinsatz.

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