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Mutationen ohne Fremd-DNA

Der Gentechnikindustrie ist es in den letzten Jahren gelungen, eine Vielzahl neuer Methoden zu entwickeln, um direkt in das Erbgut der Pflanzen einzugreifen. Anders als bei der „klassischen“ Gentechnik werden bei den neuen Züchtungsmethoden (New Breeding Techniques, NBT) nicht wie bisher ganze Gene in die Zelle geschleust, sondern die bereits vorhandene Genstruktur wird verändert.

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Proteine wie beispielsweise Zinkfinger-Nukleasen, Meganukleasen und TAL-Proteine können bestimmte DNA-Sequenzen im Erbgut erkennen und sich daran binden. Mit ihrer Hilfe lassen sich gezielt Schnittstellen im Pflanzengenom erzeugen, um Gene an einer bestimmten Stelle im Erbgut zu löschen, auszutauschen oder hinzuzufügen. Mit den neuen molekularen Werkzeugen können aber auch pflanzeneigene Gene gezielt verändert oder ausgeschaltet werden.

Momentan werden etwa herbizidtolerante Weizen-, Mais-, Raps- und Reissorten entwickelt, bei denen einzelne DNA-Bausteine in Genen mit Hilfe der sogenannten Oligonukleotid-gerichteten-Mutagenese verändert wurden. Bei dieser Methode wird ein Fehler in der DNA simuliert, den die Zellen nach einer eingeschleusten, mutierten Vorlage korrigieren. Auf diese Weise kopiert der Reparaturmechanismus der Pflanzenzelle eine vorgegebene Mutation in das eigene Genom.

Weizen ohne Anfälligkeit für Pilzkrankheiten

Ein Beispiel für den Einsatz einer neuen Züchtungsmethode ist etwa die Entwicklung einer Weizensorte mit dauerhafter Resistenz gegen die Pilzkrankheit Mehltau. Eine derartige Mutation konnte bereits mittels CRISPR/Cas-Technik (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) erzeugt werden. Die Methode ist ein biochemischer Eingriff zur gezielten Veränderung von DNA, bei der Gene eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden können.

Die Technik, die es ermöglicht, das Erbgut sämtlicher Lebewesen beliebig zu verändern, wird auch „Gen-Schere“ genannt und ist nach Einschätzung des Fachmagazins „Science“ der wissenschaftliche Durchbruch des Jahres 2015 - mehr dazu in science.ORF.at.

Um eine Mehltauresistenz zu erzeugen, wurden gleich drei Weizengene gleichzeitig „umgeschrieben“. Jede dieser Veränderungen betrifft nur einzelne DNA-Bausteine innerhalb eines Gens und könnte als Mutation auch unter natürlichen Bedingungen auftreten. Eine gleichzeitige Verwandlung wäre aber mehr als unwahrscheinlich.

Fluch oder Segen?

NBTs gelten im Landwirtschafts- und Ernährungssektor als vielversprechendes Feld und seien sogar notwendig, um die Herausforderungen der globalen Veränderungen, wie den Bevölkerungswachstum und den Klimawandel, anzugehen, heißt es in einem Bericht des Joint Research Center der EU-Kommission, dem internen Wissenschaftsgremium für die Politikberatung.

Befürworter dieser Technologie sagen, man solle sie nicht zu den gentechnisch veränderten Organismen zählen, da die erzeugten Pflanzen keine Fremd-DNA enthalten und so auch auf natürliche Weise hätten wachsen können. Für die Gegner stellen diese Methoden nur einen weiteren Versuch dar, den Europäern die Gentechnik durch die Hintertür zu verkaufen.

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