Symbolpolitik gegen Asylwerber
Mit einer großen Mehrheit hat das dänische Parlament am Dienstag das Asylreformpaket des Landes beschlossen. Dieses enthält vor allem Verschärfungen. Den Gesetzesvorschlag der rechtsliberalen Minderheitsregierung unterstützten die Rechtspopulisten, die liberale Allianz, die Konservativen und der Großteil der Sozialdemokraten im Kopenhagener Parlament.
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Beschlossen wurde unter anderem das „Schmuckgesetz“, das bereits im Vorfeld international für Aufruhr gesorgt hatte. Die dänische Polizei kann künftig das Gepäck der Asylbewerber nach Bargeld und Schmuck durchsuchen. Bargeld oberhalb von 10.000 dänischen Kronen (1.340 Euro) und Gegenstände oberhalb dieses Wertes können eingezogen werden.
Eheringe ausgenommen
Ausgenommen sind trotz anfänglich abweichenden Plänen Gegenstände mit hohem persönlichem Wert für die Eigentümer, etwa Eheringe. Auch Mobiltelefone sollen unangetastet bleiben. Die liberal-konservative Regierung wollte bereits Geldwerte ab einer Schwelle von 3.000 dänischen Kronen (rund 400 Euro) einziehen, in Verhandlungen mit der sozialdemokratischen Opposition einigte sie sich auf die 10.000 dänischen Kronen.
Nach fast vierstündiger Debatte im Parlament stimmten schließlich 81 der 109 anwesenden Abgeordneten für die von der liberal-konservativen Regierung eingebrachte Gesetzesinitiative. 27 votierten dagegen, einer enthielt sich. Das Gesetz muss nun von Königin Margrethe II. unterzeichnet werden und könnte Anfang Februar in Kraft treten. Ziel der Regierung sei es, dass Dänemark „deutlich unattraktiver für Asylsuchende“ werde, sagte Stöjberg.
Geld soll Unterbringung finanzieren
Die dänische Regierung gibt an, dass mit den beschlagnahmten Geldwerten Unterbringung und Verpflegung der Asylwerber finanziert werden soll. „Wir finden es fair und angemessen, dass diejenigen Asylwerber, die Vermögensgegenstände mitbringen, die Kosten ihrer Verpflegung und Übernachtung während des Asylprozesses übernehmen“, sagte die dänische Integrationsministerin Inger Stojberg am Montag in Brüssel.
Ein so universales Sozialsystem wie das dänische basiere auch auf dem Prinzip, dass man sich selbst versorgen müsse, wenn man das könne, rechtfertigte die Innenministerin den Vorstoß. Der dänische Premierminister Lars Lökke Rasmussen sprach von dem Gesetz, das „am meisten missverstanden wurde“.
Dänemark verschärft Asylrecht
Dänemark verschärft sein Asylrecht. Flüchtlingen sollen direkt bei der Einreise in Dänemark Wertgegenstände über 1.300 Euro abgenommen werden.
Protest von Grünen und Linken
Solange sich die Weltgemeinschaft nicht auf ein gemeinsames Handeln in der Flüchtlingskrise einige, müsse Dänemark eine eigene Antwort geben, sagte Jakob Ellemann-Jensen von Rasmussens Venstre-Partei bei der Debatte im Parlament. Die oppositionellen Sozialdemokraten stimmten zu: „Meine Frage an die Kritiker lautet: Was ist denn die Alternative? Die Alternative ist, dass wir weiterhin eines der attraktivsten Länder (für Flüchtlinge) in Europa sind und wie Schweden enden“, sagte der sozialdemokratische Abgeordnete Dan Jörgensen.
Grüne und Linke protestierten gegen das neue Gesetz. Johanne Schmidt-Nielsen von der rot-grünen Einheitsliste beklagte, Dänemark beteilige sich mit seiner Flüchtlingspolitik an einem „europäischen Unterbietungswettbewerb“.
„Bogen um Dänemark“ machen
Freilich rechnet die dänische Regierung nicht mit dem Einzug bedeutender Vermögen, vielmehr geht es ihr um ein deutliches Abschreckungssignal für Asylwerber mit dem Ziel Dänemark. Der Sprecher der einwandererfeindlichen dänischen Volkspartei, auf dessen Unterstützung die Minderheitsregierung angewiesen ist, formuliert es so: „Was wir den Flüchtlingen sagen: Wenn Sie nach Europa kommen wollen, machen Sie besser einen Bogen um Dänemark.“
Ähnliche Gesetze in Europa
Ähnliche Gesetze zum Einzug von Vermögenswerten sind in anderen Teilen Europas übrigens bereits in Kraft, etwa in der Schweiz. Dort wird Flüchtlingen seit den 90er Jahren Bargeld oberhalb von 1.000 Franken (gut 900 Euro) abgenommen. Schmuck und andere Wertgegenstände dürfen behalten werden. Auch laut dem deutschen Asylbewerberleistungsgesetz sind Flüchtlinge verpflichtet, ihr Vermögen „aufzubrauchen“, bevor sie Leistungen vom Staat erhalten. Dazu gehört auch die Unterkunft in Heimen. Die Obergrenzen werden von den Bundesländern festgelegt.
Im deutschen Bundesland Baden-Württemberg etwa kann Asylwerbern alles über 350 Euro abgenommen werden. Nach Angaben des dortigen Integrationsministeriums wird Geld aber nur „in Einzelfällen“ tatsächlich einbehalten, es gebe „keine zielgerichteten Untersuchungen nach Bargeld“.
Bayern führt Durchsuchungen durch
Anders ist es in Bayern. „Im Normalfall werden die Asylsuchenden befragt und durchsucht“, bestätigte am Dienstag der Sprecher des bayerischen Sozialministeriums, Philipp Späth, der Nachrichtenagentur AFP. Und falls sich der Verdacht ergebe, die Flüchtlinge führten größere Werte mit, lehnten ihre Durchsuchung aber ab, dann „werden Vollzugsbeamte der Polizei eingeschaltet“. Es sei indes nicht die Regel, dass „größere Geldmengen“ mitgeführt würden. Das Bundesland hat die Obergrenze auf 750 Euro festgelegt.
Auch die Niederlande haben Flüchtlingen laut einem Bericht der britischen Zeitung „Guardian“ in den vergangenen vier Jahren rund 700.000 Euro abgenommen. Seit 2008 gilt dort ein Gesetz, dass berufstätige Flüchtlinge 75 Prozent ihres Einkommens an den Staat abliefern müssen. Auch in den Niederlanden müssen Ersparnisse und Wertgegenstände gemeldet werden.
Familiennachzug verschärft
Das Gesetz zum Einzug von Geldwerten und Wertgegenständen ist allerdings nur ein Teil des beschlossenen Gesetzesbündels. Ein weiterer Beschluss betrifft den Familiennachzug. Demnach dürfen Flüchtlinge, die in ihrer Heimat nicht persönlich bedroht sind, erst nach drei Jahren den Nachzug ihrer Familienmitglieder beantragen - und müssen die Reisekosten selbst zahlen. Die Prüfung des Antrags kann weitere Jahre dauern.
Damit verstößt Kopenhagen nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gleich gegen mehrere UNO-Konventionen, indem Familien dauerhaft zerrissen werden. Die Neuregelung könnte daher vor dem Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg landen, warnen Kritiker. Eine Reihe von Organisationen haben angekündigt, die Flüchtlinge in einer Klage gegen Dänemark zu unterstützen. Jeder fünfte Flüchtling könnte von der Regelung betroffen sein.
Kritik der UNO
Die Vereinten Nationen kritisierten die umstrittenen Verschärfungen. „Menschen, die extrem viel erleiden mussten und die Krieg und Konflikten entkommen sind (...), sollten mit Mitgefühl, Respekt und mit all ihren Rechten als Flüchtlinge behandelt werden“, sagte ein Sprecher von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon am Dienstag in New York vor Journalisten.
Die dänische Sektion der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach in einer Erklärung von einem „schwarzen Tag“. Generalsekretärin Trine Christensen sagte in der über Facebook verbreiteten Stellungnahme: „Es ist ein unmenschliches Gesetz, und Amnesty wird an seiner Abschaffung arbeiten.“
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