Der friedlichste Kampftrupp
Seit mehr als 20 Jahren tourt immer wieder eine Gruppe von Shaolin-Mönchen, -Meistern und -Schülern um die Welt - und liefert spektakuläre Kung-Fu-Shows ab. Aber: Buddhistische Mönche, noch dazu aus einem kommunistischen Land, und massentaugliche Kommerzshows - ist das nicht der denkbar größte Widerspruch? ORF.at hat mit Herbert Fechter gesprochen, der den friedlichen Kampftrupp managt.
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Fechter verhalf in der Vergangenheit Publikumslieblingen wie DJ Ötzi und Hansi Hinterseer zu Starruhm - und er organisierte als Veranstalter riesige Konzerte, etwa von Stars wie Elton John und Robbie Williams. Auch das scheint nicht recht zu den Mönchen zu passen. Aber Fechter versichert: Bereits seit 35 Jahren meditiert er jeden Tag in der Früh 20 Minuten. Und in der Geschichte und Philosophie des Buddhismus scheint er bewandert.

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Shaolin-Tempel im chinesischen Dengfeng
Was er ad hoc über das Shaolin-Kloster erzählt, ist ausführlicher als der Wikipedia-Eintrag zum Thema. Man müsse sich, sagt er, den Shaolin-Tempel in der chinesischen Provinz Henan als geistiges Zentrum vorstellen, in etwa von der Bedeutung Athens im alten Griechenland oder des Vatikans für die Katholiken. Der Tempel liege an einem Kraftplatz, genau im Schnittpunkt jener Linien, die entstehen, wenn man die vier heiligen Berge des Buddhismus in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung miteinander verbindet.
Neun Jahre ohne jede Bewegung
In Henan entstanden im Lauf der Geschichte 32 Klöster, Tempel und religiöse Kulturstätten. Lao Tse hat dort gelebt, die älteste Uni Chinas stand dort. Und eben das im Jahr 527 vom indischen Mönch Ba Tuo gegründete Kloster Sho Lin, was übersetzt so viel heißt wie bewaldeter Hügel. Aber die Kampfkunst kommt erst ein wenig später ins Spiel, wieder mit einem Inder, dem Königssohn Bodhidharma. An indischen Königshäusern wurde man früher in die Kampfkunst eingewiesen. Nach China ging der Prinz, weil er, einem Martin Luther nicht unähnlich, den Buddhismus reformieren wollte.

Manfred Weihs
Die Kunst der Beherrschung von Körper und Geist
Der damalige chinesische Kaiser wollte von Bodhidharmas Reformbestrebungen nichts wissen und schickte den jungen Mann ins Kloster der Shaolin, doch auch dort ignorierte man seine ehrgeizigen Pläne. Die Legende will es, dass Bodhidharma daraufhin in der Nähe der Klosters neun Jahre lang ununterbrochen in einer Höhle meditierte - ohne jemals etwas zu essen oder zu trinken. Erst danach konnte er sich Gehör verschaffen - und begründete den Zen-Buddhismus.
Kung Fu als Ausgleich
Um die mit der Zen-Meditation verbundene vollkommene Bewegungslosigkeit zu kompensieren, entwickelten er und andere Mönche Kung Fu. Die Bewegungsabläufe der Kampfkunst wurden durch eingehende Tierbeobachtungen entwickelt. Die daraus entstandene Form der Bewegung haben Bodhidharmas Mönche dazu genutzt, das Kloster gegen herumziehende Banditen zu verteidigen.
Durch die meisterliche Beherrschung ihrer Lebensenergie „Chi“ galten die Mönche als unverwundbar, schließlich konnten sie massive Holzstangen am Körper zerschlagen, ohne davon Schaden zu nehmen. Über ein Jahrtausend lang griffen chinesische Kaiser immer wieder auf die Unterstützung der Mönche zurück, wenn es galt, das Land zu verteidigen. Manche von ihnen fürchteten die Mönche jedoch so sehr, dass sie das Kloster zerstören ließen. Es wurde immer wieder aufgebaut.
Das Kalkül der Kommunisten
Mao Zedongs Kulturrevolution in den 60er und 70er Jahren überstand das Kloster, obwohl viele andere religiöse Stätten zerstört worden waren. Und als China zusehends dem Kapitalismus Tür und Tor öffnete und Touristen ins Land strömten, erkannte die Provinzverwaltung nach einiger Zeit, dass nicht nur die Chinesische Mauer und die Terrakotta-Armee, sondern auch das Shaolin-Kloster und seine Umgebung als Touristenmagnete taugen. Immerhin finden sich dort neben dem Kloster auch die älteste Sternwarte und die Schlucht mit den meisten Buddha-Statuen.
Alle Dünkel bezüglich der Religion wurden von den kommunistischen Provinzverwaltern vom Tisch gewischt und vor mehr als 20 Jahren Herbert Fechter als Manager engagiert. Warum gerade er? „Zufall“, sagt Fechter. Er überlegte sich jedenfalls, wie man aus den ausgeklügelten Bewegungsabläufen des Kung Fu eine vereinfachte, reduzierte Show machen könne, in der die komplexen Zusammenhänge von Philosophie und Kampf dennoch transportiert würden.
Das Ergebnis sind die Shows, die seither mit großem Erfolg durch die Lande touren. Mit Stolz präsentiert Fechter seine Fünfer-Bilanz: 5.000 Shows mit fünf Millionen Besuchern auf fünf Kontinenten. Die Fremdenverkehrswerbung scheint funktioniert zu haben. Henan darf sich heute über einen regen Tourismus freuen.
Show mit Bildungsauftrag
Und was hat das, was man da sieht, noch mit Philosophie zu tun? Man könne von den Buddhisten lernen - und dazu rege die Show an, so Fechter -, Respekt vor anderen Kulturen zu haben. Das sei gerade heute, gerade in Europa, besonders wichtig. Oder auch der familiäre Zusammenhalt: Alte Menschen würden sehr respektiert von Buddhisten. Der Umgang mit der Natur sei zudem nach der buddhistischen Lehre ein sehr bedachter. Auch wenn er, wie Fechter augenzwinkernd betont, nicht alles von den Mönchen übernehmen wollen würde. Etwa das Aufstehen und Schlafengehen mit der Sonne oder die Regel, nach dem Mittagessen bis zum Schlafen nichts mehr zu sich zu nehmen. Und dann noch der Zölibat.
Tour durch ganz Österreich
Die Show tourt momentan durch Österreich, von Lienz bis Wiener Neustadt, von Weiz bis Wels. In Wien sind von Anfang bis Mitte Februar gleich acht Auftritte im MuseumsQuartier vorgesehen. Immer wieder taucht die Frage auf, ob alle Kämpfer bei diesen Shows Mönche sind. Fechter klärt auf: Es sind Mönche dabei, es sind Meister dabei - also erfahrene Kämpfer aus einer der Kung-Fu-Schulen rund um das Kloster - und dazu noch Kinder, die Schüler sind. Fechter berichtet von einer unvorstellbaren Härte, mit denen in China trainiert wird: Zehn Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche - und im ersten Jahr dürfen die jungen Schüler kein einziges Mal nach Hause.

Manfred Weihs
Bereits Kinder trainieren hart und sind kleine Meister der Kampfkunst
Selbst die Prügelstrafe stehe dort an der Tagesordnung, berichtet Fechter. Es herrsche an den Schulen, die von fünf bis 20 Jahre alten Schülern besucht werden, ein Drill wie bei den US-Marines. Den Schülern würde die Individualität abgewöhnt. Auch auf Tour, so Fechter, merke man, dass die Kämpfer ganz in der Gemeinschaft aufgehen. Einmal habe sich einer verletzt. Geweint habe er, während er verarztet wurde, nicht aufgrund der Schmerzen - sondern weil er Schande über seine Truppe gebracht und sie im Stich gelassen habe.
Mönche können kommen und gehen
Und dennoch basiere das Mönchsdasein auf einer Basis der Freiwilligkeit: Man könne jederzeit das Kloster verlassen und den Mönchsstatus zurücklegen, müsse sich dann nicht an die Regeln halten und könne später trotzdem zurückkehren und wieder Mönch sein. Wer nicht gleich Mönch werden, aber seinen Körper trainieren und in die Philosophie des Buddhismus eintauchen will, hat übrigens auch in Wien dazu die Möglichkeit: Es gibt einen Tempel samt Kung-Fu-Schule. Dort unterrichten immer wieder Meister aus Henan. Auch solche, die schon bei den Shows von Fechter und seiner Truppe aufgetreten sind.
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