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Mikl-Leitner will Wirkung auf EU

SPÖ und ÖVP verteidigen unisono ihren Beschluss einer Höchstzahl für die Aufnahme von Flüchtlingen gegen Kritik von außen. Dabei scheinen sich die Koalitionsparteien nach wie vor intern über die Umsetzung alles andere als einig. Nachdem sich der Umgangston in der Koalition am Vortag verschärft hatte, schaltete sich am Freitag Bundespräsident Heinz Fischer in die Diskussion ein.

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Die Regierungsparteien sollten ihren Streit einstellen und das in Auftrag gegebene Rechtsgutachten abwarten, so Fischer in einer Aussendung. Die Mehrheit der Bevölkerung und auch er selbst verstehe das Bemühen, den Flüchtlingsstrom besser zu organisieren und gerechter auf die EU-Mitglieder zu verteilen. „Ein Streit über die Bezeichnung der in Aussicht genommenen Ziele - ‚Richtwert‘ oder ‚Obergrenze‘ - scheint mir aber sinnlos, solange die Ergebnisse der in Auftrag gegebenen verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Prüfung der geplanten Maßnahmen nicht vorliegen“, hieß es in der Aussendung.

Häupl versucht zu beruhigen

Die beiden Regierungsparteien sind sich nicht nur untereinander uneins. Zumindest bei der SPÖ sorgt der Beschluss vom Mittwoch auch innerhalb der Partei für Unstimmigkeiten. Vor allem in der Wiener Landespartei gingen die Wogen hoch. Inzwischen reagierte der Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl auf die Vorwürfe mehrerer SPÖ-Stadträtinnen. Die Kritik sei vorgebracht worden, noch bevor das Papier präsentiert worden sei, meinte Häupl. Die Frage, wie die dort vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden sollen, konnte aber auch Häupl nicht wirklich beantworten – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Grüne warnen vor „Massenlagern“

Weitaus heftiger als die Kritik innerhalb der Koalition fiel wenig überraschend die Reaktion der Opposition aus. Am Freitag wiederholten die Grünen ihre Einwände gegen die Regierungspläne: Sollten tatsächlich Asylanträge bis zu zwei Jahre lang liegen gelassen werden wie von Mikl-Leitner angekündigt, seien Massenlager die Folge. Wolle man die Menschen schon an der Grenze zurückweisen, werde das wohl auch mit Waffengewalt geschehen, so Korun.

Auch wirtschaftlich negative Folgen seien durch ein Schließen der Grenzen zu erwarten. Der von der ÖVP beschworene Dominoeffekt laufe letztlich darauf hinaus, dass Griechenland jährlich eine Million schutzsuchende Menschen übernehmen müsste - und das, während Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bei 90.000 Asylwerbern bereits von einer Überforderung Österreichs rede. Außerdem fördere all dies das Geschäft der Schlepper, so Korun.

Rückendeckung bekam die Regierung hingegen bereits am Donnerstag von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Mit den Worten „Ich heiße das willkommen“ kommentierte IKG-Präsidnet Oskar Deutsch den Beschluss der Regierung. Er habe bereits in mehreren Interviews die Meinung geäußert, dass man eine Höchstzahl sehr wohl setzten sollte, sagte Deutsch und verwies in diesem Zusammenhang auf Antisemitismus unter den Flüchtlingen - mehr dazu in religion.ORF.at.

Mikl-Leitner: Verschärfungen in ganzer EU

Kritik an den Asylplänen stieß bei der Regierung bisher aber ohnehin auf wenig Verständnis. „Es kann nicht sein, dass das Einzige, was rechtlich in Ordnung ist, die unbeschränkte Aufnahme von Flüchtlingen in einem Land ist“, so Kurz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag-Ausgabe). Mikl-Leitner unterstellte am Freitag in einem Interview mit dem deutschen Radiosender NDR den Kritikern der Regierungsmaßnahmen fehlendes Realitätsbewusstsein. „Wer jetzt noch immer nicht begriffen hat, dass es eine Obergrenze braucht, überlässt die Zukunft den Populisten und den Radikalen.“

Zugleich ließ Mikl-Leitner aber auch durchklingen, dass die geplanten Maßnahmen nicht frei von Symbolik sind. Die Höchstzahl erzeuge Druck auf die europäischen Partner. „Es ist ein Notschrei“, sagte die Innenministerin. „Wir erreichen mit unserem Maßnahmenpaket das, was wir tatsächlich wollen.“ In ganz Europa setze, „was die Verschärfungen betrifft“, ein „Dominoeffekt“ ein. Es sei durchaus das Ziel Österreichs, Verschärfungen in der ganzen EU auszulösen, so Mikl-Leitner.

Zeman sieht „Flut überschwappen“

Zumindest Österreichs Nachbar Tschechien scheint die Dominosteine bereits wackeln zu sehen. Der tschechische Präsident Milos Zeman ging in einem Interview mit dem Portal Parlamentnilisty.cz davon aus, dass die tschechischen Grenzen bald von der Armee überwacht werden müssen - und zwar „ab dem Moment, zu dem die Flut aus Österreich beginnt, auf uns überzuschwappen“. Bisher stand Tschechien alles andere als im Zentrum der Flüchtlingsbewegung: 1.525 Personen beantragten in dem Land im gesamten vergangenen Jahr Asyl, nur 71 bekamen es bewilligt, 399 subsidiären Schutz.

Lob von Orban

Weiteren Verschärfungen redete am Freitag auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban das Wort. Den jüngsten Beschluss der österreichischen Regierung bezeichnete er in seinem regulären Radioninterview als „Sieg der Vernunft“. Europa könne nicht ohne Beschränkungen und Kontrollen eine große Masse an Ausländern aufnehmen, sagte Orban im öffentlichen Sender Kossuth. Ungarns Standpunkt sei: Es wäre besser, wenn keine Zuwanderer nach Europa kämen.

Egal welche Routen Flüchtlinge durch Europa nähmen, „es ist absolut klar, dass sie nicht durch Ungarn ziehen werden“. Er verwies diesbezüglich auf Vorbereitungen, nun auch an Teilen der Grenze Ungarns zu Rumänien einen Zaun zu errichten; die Kapazitäten seien vorhanden, nun auch diese Grenze zu schließen, so der Regierungschef.

Schweden hat Zweifel

Ob Mikl-Leitner tatsächlich Länder wie Tschechien und Ungarn im Blick hatte, als sie von nötigen Verschärfungen in der EU sprach, ist fraglich. In Schweden - einem der Hauptzielländer von Flüchtlingen in der EU - stießen die österreichischen Pläne bisher auf wenig Verständnis. Der schwedische Premierminister Stefan Löfven und sein für Justiz und Migration zuständiger Minister Morgan Johansson äußerten gegenüber dem „Standard“ Zweifel an einer Höchstzahl.

Er sei nicht sicher, ob das Vorhaben überhaupt komme, sagte Löfven. „Ich habe auch gehört, dass darüber gesprochen wird, das seien nur Richtlinien. Ich weiß nicht, was das im Detail heißen soll“, so Löfven am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Johansson ergänzte, „es gibt dabei ein Problem: Was macht man, wenn man die Obergrenze erreicht hat? Wir sind alle an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden und müssen Verfolgte aufnehmen.“

Keine Pläne für Höchstzahl

Beide bestätigten, dass es in Schweden keine ähnlichen Pläne gebe. „Wir haben unsere Maßnahmen zur Reduzierung der Anzahl ergriffen und schauen, dass diese wirken. Aber es war für uns auch wichtig, dass wir Maßnahmen ergriffen haben“, sagte der Premier. Schweden, das bisher umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung die meisten Flüchtlinge in Europa aufgenommen hat, kontrolliert seit November die Grenze zu Dänemark. In Schweden kommen nach Regierungsangaben täglich etwa hundert Flüchtlinge an, im Oktober waren es noch fast 10.000 pro Woche gewesen.

In Deutschland haben die österreichischen Pläne zwar die innenpolitische Debatte angeheizt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält aber nach wie vor an ihrer Ablehnung einer Höchstzahl fest. Dafür beklagte am Freitag der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die fehlende Abstimmung bei dem österreichischen Beschluss. „Ich musste ein bisschen Luft holen, als ich gehört habe, dass diese Entscheidung mit uns nicht sehr eng abgesprochen war“, sagte Schäuble dem „Spiegel“.

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