„Falsche Juristen gefragt“
Die Regierung hat am Mittwoch mit ihrem gemeinsam mit Ländern und Gemeinden gefällten Beschluss zur Begrenzung der Asylanträge über Österreichs Grenzen hinweg für Aufregung gesorgt. Konkret will man heuer nur noch 37.500 Asylwerber aufnehmen, bis 2019 sollen es insgesamt maximal 127.500 sein. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und der designierte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) verteidigten diese Pläne.
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Zur konkreten Umsetzung des Plans existieren noch zahlreiche offene Fragen. Eine davon dreht sich um die verfassungs- und europarechtliche Rechtmäßigkeit der Maßnahme. Eine Diskussion zu dieser heiklen Materie wollten weder Mikl-Leitner noch Doskozil im Gespräch mit der ZIB2 wirklich führen.
„Faktische Seite betrachten“
Während Mikl-Leitner ausdrücklich sagte, sie wolle die „juristische Seite beiseitelassen“ und die „faktische“ Seite betrachten, pochte Doskozil darauf, man habe lediglich einen „Richtwert“ oder eine „Planungsgröße“ beschlossen und hole sich nun entsprechende Gutachten von Juristen zu den geplanten Maßnahmen ein. Die Genfer Flüchtlingskonvention sei Teil der geltenden Rechtslage, und jeder müsse auf Grundlage der Gesetze agieren.
Mikl-Leitner und Doskozil über die neuen Asylregeln
ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Hans Peter Doskozil, der designierte Verteidigungsminister (SPÖ), debattierten die neue Regelung.
Den Einwand, dass so gut wie alle Verfassungsjuristen eine Obergrenze für völkerrechtswidrig hielten, ließ Mikl-Leitner nicht gelten. Man habe in dieser Hinsicht wohl „die falschen Juristen gefragt“. Rechtwissenschaftler wie Europarechtler Walter Obwexer und Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk seien anderer Meinung. Der APA zufolge sollen die beiden Juristen zwei Rechtsgutachten zu den beschlossenen Maßnahmen erstellen.

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Obwohl noch nicht angelobt, war Doskozil in den Beschluss des Pakets eingebunden
Grundsätzlich verblieben Doskozil und Mikl-Leitner beim von den Parteispitzen vorgegebenen Wording. Bereits am Vormittag hatte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) von einem „Richtwert“, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) von einer „Obergrenze“ gesprochen. Während Doskozil von „Planungsgrößen“ oder „Richtgrößen“ sprach und nicht über Begrifflichkeiten debattieren wollte, blieb Mikl-Leitner bei dem Begriff „Obergrenze“.
Notlager oder Rückschiebung
Die von Kanzler und Vizekanzler am Mittwochvormittag noch offengelassene Frage über das Vorgehen bei Überschreitung der Flüchtlingsgrenzen beantwortete Mikl-Leitner mit mehreren alternativen Handlungsmodellen. Man könne - wie es bereits in Schweden passiere - Asylanträge annehmen, aber aufgrund von Kapazitätsmangel nicht bearbeiten. Die Betroffenen würden notdürftig versorgt werden. Alternativ bestehe auch die Option, Menschen zurück in sichere Herkunftsländer zu schicken.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BMI
Weniger konkret waren Doskozils Antworten auf die Frage nach dem „37.501. Asylwerber“. Er verwies mehrfach darauf, dass die Verfassungsrechtler in einigen Wochen sagen könnten, wie man bezüglich der Richtgröße agieren könne. Klar ist für ihn, dass jemand, der über dem Richtwert liegt, sehr wohl nach Österreich einreisen könne. „Dann überlegt man: Wie geht man mit ihm um?“
EU-„Hotspots“ gegen innereuropäische Bewegung
Reichlich Kritik übte Mikl-Leitner an der Haltung der EU. Es gebe zahlreiche beschlossene Maßnahmen, doch es kranke an Umsetzung und Finanzierung. Österreich könne auf die EU nicht mehr vertrauen. Mit dem Maßnahmenpaket wolle man die EU zur Umsetzung drängen und Tempo in die Debatte bringen. Langfristig sollen Asylanträge ausschließlich an „Hotspots“ gestellt werden können. Dort soll auch die Verteilung auf die EU-Staaten stattfinden.
Dass es sich bei der neuen Maßnahme um ein riesigen Beschäftigungsprogramm für Schlepper handelt, glaubt Doskozil nicht. Seit sich die Flüchtlingsrouten definiert hätten, seien Schlepper rar geworden. Würden die EU-Außengrenzen noch mit „Hotspots“ bestückt, gäbe es keine innereuropäische Flüchtlingsbewegung mehr.
Beschluss von „Asyl auf Zeit“ geplant
Erreichen wolle man die Beschränkung der Asylanträge mit einem Bündel an Maßnahmen. Bereits kommende Woche soll der Ministerrat „Asyl auf Zeit“, das eine Heimkehr nach baldigem Kriegsende zur Regel machen soll, sowie eine Verschärfung des Familiennachzugs beschließen. Arbeiten wolle man zu der geplanten Beschränkung der Flüchtlingszahlen auch mit verstärkten Grenzkontrollen und Rückführungen. Zudem wolle man die Attraktivität Österreichs als Zielort für Asylwerber senken, etwa durch Einschnitten bei Sozialleistungen.
Die Möglichkeiten einer konkreten - verfassungs- und europarechtlich zulässigen - Umsetzung dürften schwierig sein. Der Präsident des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), Koen Lenaerts, hatte zuletzt gewarnt, dass Obergrenzen europäischem Recht widersprechen.
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