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Schlabberhose verlässt Schmuddeleck

Wer hat die Jogginghose aus der Schmuddelecke geholt? Die Hiphopper der 90er? Die Modeschöpfer? Oder die Film- und Popstars, die einfach zu oft mit Baseballkappe und Schlabberhose durch die Egotastic-Zone des Lebens geschlurft sind? 2016 ist die Trainingshose, die etwa in manchen Bezirken Wiens eigentlich immer schon die einzige Ausgehmontur vulgo „Panier“ war, so salonfähig geworden, dass man nicht nur jedes Jahr den Tag der Jogginhose begeht - sondern mit der Sweatpant ins Office darf.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„2016 ist das Jahr der Jogginghose“, sagt Ö3-Modeexpertin Romana Nachbauer - und fügt zum „Internationalen Tag der Jogginghose“, den ja zwei junge Grazer auf dem Kalender etabliert haben, zur Sicherheit ein deutliches „auch“ dazu. Denn die Jogginghose ist seit Längerem im Modemainstream angekommen, nicht erst 2016.

Zwei Frauen tragen Jogginhose

Coribis/AKM-GSI

Die Jogginghose ist im stilbewussten Alltag angekommen

Beinahe jeder namhafte Modehersteller hat nicht nur eine mehr oder weniger glamouröse Version der Stretchhose mit dem Bündchen im Programm. Große Modemacher haben ihre Interpretation der Jogginghose, die im englischsprachigen Raum auf den Namen Sweatpant hört, auf den Markt geworfen.

Ein Tag für die Jogginghose

Globale Anerkennung für die Jogginghose fordern die Initiatoren eines ungewöhnlichen Aktionstages: Am 21. Jänner begeht man den „International Sweatpants Day“, der auf eine Faschingsidee von vier Schülern aus Graz zurückgeht. In mehr als 50 Ländern soll man an diesem Tag demonstrativ in Jogginghose zur Arbeit gehen.

Und entscheidend für die Hoffähigkeit der - wie sie die Deutschen nördlich des Mains nennen - „Baumwollbuxe für die Couch“ ist vor allem die Kombination.

Kombis, die nur zur Couch passen

Mit einem Kapuzenshirt bleibt die Jogginghose auch 2016 eine Angelegenheit, die eher den eigenen vier Wänden oder zumindest Bezirken vorbehalten bleiben sollte, wo man die Chance hat, ähnlich gekleidete Leute zu treffen. Auch die Kombination von Sakko, Jogginghose, Adilette und weißen Socken, wie 2014 von Armin Wolf im Rahmen einer ZIB2 zum „Internationalen Tag der Jogginghose“ gezeigt, bleibt mehr als gewagt.

Armin Wolf trägt eine Jogginhose

ORF

Jogginghose, weiße Socken und Badeschlapfen - ZIB2-Anchorman Armin Wolf zelebrierte den „Internationalen Jogginghosentag“ 2014 im Extremformat, wie auch ein Video zeigt

Besser bestellt ist es um die Salonfähigkeit der Hose, die nicht zuletzt Designer Marc Jacobs auf dem Laufsteg nobilitierte, kombiniert Mann das pluderförmige Ding mit enger anliegenden Shirts, Pullis oder auch kurzen Sakkos. Als einzig wirklich tragbarer Schuh empfiehlt sich für den Mann der Sneaker, am besten leicht und knöchelhoch.

Michael Keaton trägt eine Jogginhose

Coribis/AKM-GSI

Schauspieler Michael Keaton als stilsicherer Sweatpants-Träger. Die Bund-Kordel darf durchaus lässig vorbaumeln.

Frauen haben da schon wieder mehr Spielraum und können in der wärmeren Jahreszeit zwischen Ballerina, Plateau und Riemensandale verschiedene Schuhinterpretationen mit der Hose kombinieren. Vielleicht sollte man es nicht wie Rihanna machen und zur Schlabberhose unbedingt auf bauchfrei - und darüber Goldkettchen als Ausrufezeichen - setzen.

Ronald Reagan trägt eine Jogginhose

Corbis/Bettmann/Michael Evans

Einer war immer seiner Zeit voraus: Ronald Reagan liebte es an Bord der Air Force One bequem

Jennifer Lopez wiederum zeigte in ihren Paparazzi-Auftritten, dass auch die Frau von Welt sehr gut mit dem Sneaker leben kann - und in der entsprechenden Farbe eine ausladende Handtasche zur Pluderhose schwingen lassen sollte.

Rihanna trägt eine Jogginhose

Coribis/AKM-GSI

Rihanna verzichtet privat nicht auf ihre Sweatpant. Für die Kapuze wurde Stoff aus der Bauchzone geopfert.

Die Trainingshose wird zur Alltagskleidung

Wenn heute die Hiphopper für sich reklamieren, die Jogginghose popkulturell seit den 1990ern ins Rampenlicht gerückt zu haben, dann bleibt die Erkenntnis, dass die Trainingshose im Lauf von gut 20 Jahren einige Stilverwandlungen erlebt hat.

War jahrelang die 70er-Jahre-Retro-Hose mit möglichst viel Perlon-Anteil im Stoff das Maß der Dinge (und in zahlreichen farblichen Abwandlungen, die es so in den 70ern nie gegeben haben kann, man denke an Weiß und Gold etc.), so hat sich in den letzten Jahren wiederum das Urmodell der Jogginghose ins Rampenlicht gespielt, wie sie in den 1920er Jahren von Emile Camuset für seine Firma Le Coq Sportif entworfen worden war: eine simple Hose mit Bündchen aus geschmeidigen Baumwollstoffen. 2016 ist die Interpretationspalette dieser Urform sehr breit geworden, was die stilistischen und gerade farblich-stofflichen Varianten anlangt.

So manche Erwachsenen-Jogg-Jeans lassen sich kaum von der Variante einer Bubenhose unterscheiden. Aber seit dem Hipster-Zeitalter wollen sich ohnedies manche Männer am liebsten so anziehen, als hätte die Frühadoleszenz nie aufgehört. Und für alle, denen das zu weit geht, bleibt in Zeiten der Bündchen-Proliferation immer noch das um sich greifende One-Piece - wer sich freilich damit auf die Straße wagt, könnte leicht den Kandidaten für ein Teletubbie-Casting abgeben.

Gerald Heidegger, ORF.at

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