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Sieg der Diplomatie

„Die Beziehungen zwischen dem Iran und der IAEA treten in eine neue Phase. Das ist ein wichtiger Tag für die internationale Gemeinschaft“, so Yukiya Amano, Generalsekretär der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) in einer Erklärung am Samstagabend. Auch Irans Präsident Hassan Rouhani freute sich über die Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen sein Land.

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„Mit diesem Abkommen haben alle gewonnen, sowohl im In- als auch im Ausland“, sagte Rouhani am Sonntag im iranischen Parlament. In der Geschichte des Iran sei eine „goldene Seite“ aufgeschlagen worden, so Rouhani weiter. Die Iraner seien mit dem Atomabkommen auf die Welt zugegangen und hätten mit diesem „Zeichen des Friedens“ die „Feindseligkeiten, Verdächtigungen und Verschwörungen“ hinter sich gelassen, wurde Rouhani am Sonntag von der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA zitiert.

Rouhani

APA/AFP/Atta Kenare

Rouhani würdigte ein „neues Kapitel“ in den internationalen Beziehungen

Für die iranische Wirtschaft sei das Abkommen zur Beendigung des Atomstreits ein Wendepunkt. Rouhani forderte aber zugleich Wirtschaftsreformen. Der Iran müsse weniger abhängig von seinen Erdöleinnahmen werden. Die niedrigen Ölpreise seien der beste Grund, „die Nabelschnur“ zum Öl durchtrennen.

Mogherini: Sieg der Diplomatie

Das Ergebnis zeige, dass mit politischem Willen, Ausdauer und multilateraler Diplomatie die schwierigsten Probleme lösbar seien, sagten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif in einer gemeinsamen Stellungnahme am Samstag. „Das ist eine ermutigende und starke Botschaft“, so die Politiker bei einem gemeinsamen Auftritt in der Wiener UNO-City.

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Irans Außenminister Javad Zarif

APA/AP/Ronald Zak

Mogherini trat in Wien zusammen mit Sarif vor die Presse

US-Außenminister John Kerry erklärte nach der Erfüllung des Atomdeals, die Welt sei ein sichererer Ort geworden. Gerade mit Blick auf die aktuellen Konflikte in der Region sei es wichtig, dass der Iran nach dem nun erfolgten Rückbau seines Atomprogramms keine Nuklearwaffen mehr bauen könne. Auch der britische Außenminister Philip Hammond erklärte, der Nukleardeal mache den Nahen Osten und die weitere Welt zu einem sichereren Ort.

Obama: „Tiefe Gegensätze“ bleiben

US-Präsident Barack Obama würdigte die Entwicklungen als „historische Fortschritte“. „Atomabkommen in Kraft getreten - US-Familien wiedervereint: Wir haben historische Fortschritte erreicht“, sagte er in einer Fernsehansprache aus dem Weißen Haus.

Zugleich warf er dem Iran „destabilisierende Aktivitäten“ vor, weswegen auch nach Umsetzung des Atomabkommens „tiefe Gegensätze“ zwischen Washington und Teheran bestehen blieben. Auch werde die Sanktionspolitik wegen des Raketenprogramms der Islamischen Republik aufrechterhalten, so Obama. Am Sonntag wurden neue US-Sanktionen gegen beteiligte Personen und Firmen erlassen.

Obama wandte sich in seiner Fernsehansprache direkt an die iranische Bevölkerung und rief sie auf, „neue Verbindungen mit der Welt zu knüpfen“. Kerry teilte derweil mit, es würden nicht nur Milliarden US-Dollar auf eingefrorenen iranischen Auslandskonten freigegeben. Es würden auch 400 Millionen Dollar (366 Mio. Euro) an Schulden aus der Zeit der iranischen Revolution beglichen und 1,3 Milliarden Dollar an Zinsen an Teheran überwiesen.

Scharfe Kritik aus Israel

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte dagegen erneut vor den Gefahren, die von der Regierung in Teheran ausgingen. Netanjahu erklärte am späten Samstagabend, Teheran werde weiter den Nahen Osten destabilisieren und weltweit den Terrorismus verbreiten. Teheran habe sein Streben nach Atomwaffen nicht aufgegeben. Er appellierte an die Weltmächte, den Iran sehr genau zu beobachten und auf jeden Verstoß des Iran zu reagieren.

IAEA: Alle Auflagen erfüllt

Die IAEA hatte am Samstag in ihrem Abschlussbericht grünes Licht für den Atomdeal mit dem Iran gegeben. Unmittelbar danach hob die Europäische Union die Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen den Iran auf. Damit kann Teheran unter anderem wieder Öl und Gas in die EU exportieren und erhält wieder Zugang zum internationalen Finanzmarkt. Andererseits dürfen Firmen aus dem Westen wieder mit Teheran Geschäfte machen.

Der Schritt soll nach dem Willen der Verhandler auch einen Neubeginn in den bisher extrem frostigen Beziehungen zu Teheran markieren. Aus Angst vor einer etwaigen iranischen Atombombe waren die Sanktionen in den vergangenen zehn Jahren eingeführt und immer mehr verschärft worden. Nun könnte auch die europäische Industrie von einem Wiederaufleben der Wirtschaftsbeziehungen erheblich profitieren. Der Iran hat bereits erklärt, 114 Flugzeuge des Typs Airbus kaufen zu wollen.

Gefangenenaustausch vereinbart

Washington und Teheran, die 1980 ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen hatten, verkündeten des Weiteren am Samstag einen Gefangenenaustausch: Der Iran ließ vier US-Bürger frei, darunter den wegen Spionagevorwürfen zu einer Gefängnisstrafe verurteilten „Washington Post“-Korrespondenten Jason Rezaian. Die USA begnadigten im Gegenzug sieben Iraner, die in den USA wegen Verstößen gegen die Iran-Sanktionen verurteilt wurden oder auf ihren Prozess warteten. Außerdem nahmen die USA die Haftbefehle gegen 14 Iraner zurück, deren Auslieferung als unwahrscheinlich galt.

Versöhnung mit Saudi-Arabien?

Rouhani strebt unterdessen eine Versöhnung mit dem regionalen Erzfeind Saudi-Arabien an. „Natürlich gibt es immer wieder Differenzen, aber wir wollen, dass sie beseitigt werden“, sagte er bei einer Pressekonferenz am Sonntag in Teheran. Das besiegelte Atomabkommen mit den Weltmächten zeigt laut Rouhani, dass diplomatische Verhandlungen die beste Methode sind, auch die kompliziertesten Differenzen auszuräumen.

Riad brach die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab, nachdem Anfang des Monats eine aufgebrachte Menge die saudische Botschaft in Teheran gestürmt hatte. Mehrere Golf- und arabische Staaten folgten. Auslöser für die Proteste im Iran war die Hinrichtung des prominenten schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien. Als wichtigste Regionalmächte haben das sunnitische Saudi-Arabien und der schiitische Iran großen Einfluss auf den Nahen Osten. Die Erzrivalen sind an zahlreichen Konflikten der arabischen Welt beteiligt.

Die Saudis haben laut Rouhani einen Weg eingeschlagen, der falsch sei. „Wir hoffen aber, dass die neuen Führer in Riad ihren Fehler einsehen und einen Weg gehen, der für die Region konstruktiv  ist“, sagte Rouhani. Der Iran wäre zum Wohle der Region bereit, den Dialog mit den Saudis wieder aufzunehmen, fügte der Kleriker hinzu.

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