Einbrüche nach Anschlag befürchtet
Der Anschlag im Herzen von Istanbuls Altstadt, bei dem am Dienstag zehn Deutsche getötet wurden, ist ein Schlag für die krisengeschüttelte Tourismusbranche des Landes. Hoteliers und Reiseveranstalter befürchten, dass die tödliche Attacke von Istanbul Einfluss auf die Urlauberzahlen im Sommer an der beliebten türkischen Mittelmeer-Küste haben könnte.
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Noch 2014 stand die Türkei auf Platz sechs der beliebtesten Reiseländer weltweit. 36,8 Millionen Touristen besuchten das Land nach Angaben der Welttourismusorganisation - so viele wie nie zuvor. Die meisten von ihnen kamen aus Deutschland, gefolgt von Großbritannien und Russland. Zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) machte der Tourismus in der Türkei 2014 aus, Millionen Arbeitsplätze hängen an ihm.
Schwerer Stand für Marokko, Ägypten, Tunesien
Für 2015 liegen noch keine Zahlen vor, doch der Sektor entwickelte sich wohl zurück - laut Euromonitor International um 4,4 Prozent im dritten Quartal. In anderen beliebten muslimischen Urlaubsländern wie Marokko, Indonesien, Ägypten und Tunesien sieht es ähnlich aus. Nach den Terroranschlägen in Tunesien und Ägypten überlegen sich immer mehr Europäer, ob sie in ein muslimisches Land fahren.
Es gebe „keine Zweifel“ daran, dass westliche Touristen nach einem islamistischen Anschlag in einem Land mit Gefahr in der ganzen Region rechnen, sagt Kinda Chebib von Euromonitor. Erschwerend für die Türkei komme die geografische Nähe zu Syrien hinzu.
Voraussagen noch schwierig
Im Gegensatz zu dem Anschlag vor rund drei Monaten, bei dem in Ankara 103 Menschen, die meisten von ihnen prokurdische Aktivisten, ums Leben kamen, zielte die Attacke in Istanbul auf den Tourismussektor. Istanbul ist für den Tourismus im Land nicht so wichtig wie die türkische Riviera im Sommer, doch die Hoteliers fürchten, dass die Attacke zu Verunsicherung unter europäischen Reisewilligen führt - kommt sie doch genau zu der Zeit, in der viele Familien ihren Jahresurlaub planen.
„Vorauszusagen, was in diesem Sommer mit der Türkei als Feriendestination passiert, ist, wie in die Glaskugel zu schauen“, zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ den Vorstandsvorsitzenden von Europas größtem Reiseveranstalter TUI, Fritz Joussen. Auch Birgit Reitbauer, Sprecherin der Verkehrsbüro Group, hält eine Prognose noch für verfrüht. Der Abwärtstrend werde aber vermutlich weitergehen, so Reitbauer im ORF.at-Interview am Donnerstag.
Ausbleiben russischer Touristen
Ein weiterer Faktor, der die Reiseindustrie in der Türkei hart trifft, ist das Ausbleiben russischer Touristen. 2014 besuchten noch 4,4 Millionen Russen das Land, 2015 waren es schon deutlich weniger, und 2016 kommen vermutlich noch viel weniger Bürger aus dem riesigen Land. Hauptgrund für den Rückgang 2014 war der drastische Preisverfall des Rubel, der das Reisen außerhalb des Landes für Russen enorm verteuerte.
Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets im November an der Grenze zu Syrien durch die Türkei sprach Moskau ein Verbot für Pauschalreisen in die Türkei und eine Reisewarnung für seine Bürger aus. Sie sollten stattdessen lieber an den Stränden der annektierten Krim Urlaub machen.
„Viele warten einmal ab“
Das heimische Außenministerium hat für die Türkei zwar keine Reisewarnung ausgesprochen, stuft das Sicherheitsrisiko aber als hoch ein. „Den Anweisungen der türkischen Behörden und Sicherheitskräfte ist unbedingt Folge zu leisten. Die aktuelle Berichterstattung sollte aufmerksam verfolgt werden“, heißt es auf der Website. Von einem Aufenthalt von weniger als 20 Kilometer Abstand zu den Grenzen zu Syrien und dem Irak, wo Bürgerkrieg herrscht bzw. wo die Dschihadisten des Islamischen Staats (IS) Landesteile beherrschen, rät das Ministerium ab.
„Viele warten jetzt einmal ab. Zur jetzigen Zeit liegt die Türkei ganz klar im Minus. Einfach wird es für das Land heuer nicht“, räumte Walter Krahl, Chef der Verkehrsbüro-Tochter Ruefa, am Mittwoch ein. Istanbul habe in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, nicht zuletzt aufgrund der vielen Flugverbindungen ab Österreich. „Wenn etwas in einem Viertel passiert, das jeder besucht, bekommt das schon eine Dimension“, so Krahl.
„Keine positive Entwicklung“
Bei TUI Österreich sieht man auf die Türkei ebenfalls Herausforderungen zukommen. „Das ist natürlich für das Türkei-Geschäft allgemein keine positive Entwicklung“, sagte TUI-Österreich-Sprecherin Kathrin Limpel. Aktuell lägen die Türkei-Buchungen unter dem Vorjahr, die Sommerbuchungen hätten aber erst begonnen. TUI, Verkehrsbüro (Ruefa) und Thomas Cook bieten ihren Kunden kostenlose Umbuchungen für Reisen nach Istanbul an.
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