Themenüberblick

Vorstoß gegen die Geheimniskrämerei

Im April letzten Jahres hat die EU-Kommission ihre Sicherheitsagenda vorgestellt und dabei die Gründung eines neuen Europäischen Anti-Terror-Zentrums (European Counter Terrorism Centre, ECTC) angekündigt. Seit Anfang Jänner ist die bei der Polizeibehörde Europol angesiedelte Abteilung in Betrieb - mit der Aufgabe, vorhandene Informationen zu bündeln, auszuwerten und besser zugänglich zu machen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Das ECTC ist ein wesentlicher strategischer Schritt der EU, die gemeinsamen Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus effizienter zu machen“, kündigte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos Ende Jänner in Amsterdam an. Das neue Zentrum werde „den Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden verbessern“. Im ECTC werden vorerst 40 bis 50 Experten arbeiten, bis 2017 soll sich die Mitarbeiterzahl verdoppelt haben.

Konferenzraum im Meeresmuseum in Amsterdam

AP/Peter Dejong

Bei einer Pressekonferenz in Amsterdam wurde das neue Anti-Terror-Zentrum offiziell präsentiert

Eine der Hauptaufgaben des ECTC wird die Informationssammlung zu den schätzungsweise 5.000 europäischen Dschihadisten sein, die zum Kämpfen nach Syrien oder in den Irak gereist sind und bei ihrer Rückkehr Anschläge verüben könnten. „Wir haben bereits Details über 3.700 Kämpfer“, erklärte Europol-Chef Rob Wainwright, „aber das ist nicht das volle Bild.“ Das Zentrum soll deshalb so schnell wie möglich Informationen zu weiteren Verdächtigen, Finanztransaktionen und zum Waffenhandel zusammentragen.

Vertrauensdefizit als wunder Punkt

Wesentlich sei jedoch, so Avramopoulos, das Vertrauen: „Wir können nur effizient zusammenarbeiten, wenn wir Vertrauen aufbauen. Vertrauen in die Behörden und vor allem zwischen den Mitgliedsländern.“ Genau dort liegt der wunde Punkt. Die schnelle Gründung des ECTC ist nicht zuletzt wohl eine Replik auf die zunehmende Kritik an den Behörden.

Die Datenbanken und Plattformen, die einen Austausch ermöglichen und mit denen das ECTC nun arbeiten soll, sind nicht neu. Sie wurden aber, wie ein Mitte Jänner geleaktes Ratsdokument belegt, bisher von vielen Ländern schlicht ignoriert - mehr dazu in fm4.ORF.at. Das Informationssystem von Europol (EIS) wird von der Hälfte aller EU-Staaten nicht benutzt, an das sichere Informationsnetz SIENA sind viele Staaten nicht einmal angeschlossen.

Kritik nach Anschlägen in Paris

Mangelnde Kooperation mit verheerenden Folgen spielte wohl auch bei den Pariser Anschlägen im November 2015 eine Rolle. „Die einzige Information, über die wir hinsichtlich der Bewegungen der Terroristen verfügt haben, hat uns am Tag nach den Anschlägen erreicht“, beklagte sich der französische Innenminister, Bernard Cazeneuve.

Nicht von EU-Partnern, sondern „von einem ausländischen Dienst außerhalb der Europäischen Union“ seien dann Informationen über den nach den Anschlägen getöteten mutmaßlichen Drahtzieher Abdelhamid Abaaoud gekommen. Das Fußballländerspiel in Hannover wenige Tage später sei nach einem Hinweis von einem ausländischen Geheimdienst - kolportierterweise vom französischen - abgesagt worden.

Offizielle Angaben dazu gab es wie so oft nicht, wenn überhaupt, ist meist von „befreundeten“ Diensten die Rede. Das ist nicht nur eine sprachliche Verniedlichnug der Beziehungsstrukturen. Wie in echten Freundschaften werden bei guten zwischenstaatlichen Beziehungen mehr Nachrichten ausgetauscht als bei weniger guten. Grundsätzlich gilt außerdem, dass Informationen, die ein Geheimdienst mit einem anderen teilt, auch nicht ohne explizite Erlaubnis weitergegeben werden dürfen.

Kein „europäisches FBI“

„Für die Übermittlung von Informationen ist Vertrauen zwischen den Behörden nötig,“ so der niederländische Außenminister Bert Koenders. Und auch Avramopoulos schlägt wiederholt in dieselbe Kerbe, er sei nicht zufrieden mit der bisherigen Kooperation: „Die meisten Mitgliedsstaaten behalten die meisten Informationen für sich.“

Europol sei nun mit den neuen Befugnissen trotzdem kein „europäisches FBI,“ betonte Wainwright schon im Vorfeld immer wieder. Das Anti-Terror-Zentrum biete nun aber immerhin „wirkliche Mittel“ zur besseren Überwachung von Terroristen. Dass weitere Anschläge in Europa geplant sind und möglicherweise sogar unmittelbar bevorstehen, davon ist man bei Europol überzeugt.

Sophia Felbermair, ORF.at, aus Brüssel

Links: