Nach der „Pause“ zurück ins Arbeitsleben
Das Michl’s in Wien ist auf den ersten Blick ein ganz normales Restaurant mit nobler Adresse, direkt neben dem Rathaus. Dass es sich dabei technisch gesehen um eine AMS-Maßnahme handelt, erfährt der Gast höchstens auf Nachfrage. Die Angestellten in dem Lokal sind ehemalige Langzeitarbeitslose, ihre Arbeitsplätze sind vom AMS gefördert und befristet. ORF.at hat Mitarbeiter und die Restaurantleiterin zu ihren Erfahrungen befragt.
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ORF.at/Roland Winkler
Parcharidou Vasiliki arbeitet im Michl’s in der Küche. Wenn die Griechin von ihrer Arbeit spricht, fällt sie sofort ins Schwärmen für den Küchenchef. Er sei „sehr, sehr gut“, und sie habe von ihm so vieles gelernt. Vasiliki ist Küchengehilfin, kennt aber auch den Job ihres Chefs: „Im griechischen Restaurant war ich Chef“, erzählt sie stolz.

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Sie hat in Griechenland viele Jahre in der Gastronomie gearbeitet und war auch in Österreich schon in mehreren Küchen tätig. Aber dann wurde sie krank und musste „Pause machen“. „Aber jetzt bin ich wieder gesund“ - und jetzt wolle sie arbeiten. Wo, in welchem Lokal, das sei ihr egal, Hauptsache in einer Küche.

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63 langzeitbeschäftigungslose Personen sind im Michl’s beschäftigt. Neben dem Restaurant in der Reichsratsstraße gibt es drei Cafes in Pflegeheimen, den Zustelldienst Michl’s bringt’s und ein Catering. 18 Schlüsselkräfte - die dauerhaften Arbeitskräfte - arbeiten in dem sozialökonomischen Betrieb.

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Monika Bernthaler ist die Restaurantleiterin des Michl’s. Sie war schon davor selbstständig in der Gastronomie tätig und kennt deshalb das Problem, gutes Personal zu finden. Sie habe sich früher oft gefragt, warum kein geeigneter Mitarbeiter zu finden sei, wenn es doch so viele Arbeitslose gibt. Dass sie jetzt die Hintergründe kennt, habe ihr zu einem anderen Blickwinkel verholfen: „Ich muss die richtige Stelle für den richtigen Menschen finden.“

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Das Feedback der Michl’s-Gäste ist „sehr gut“, sagt Bernthaler. Kein Wunder bei dem gut gelaunten Service. Viele Gäste wüssten gar nicht, dass es sich bei dem Lokal um ein AMS-Projekt handelt und seien dann total überrascht, wenn sie es erfahren.

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Bis zu einem halben Jahr können Transitmitarbeiter - über Vermittlung des AMS - hier arbeiten. Während dieser Zeit werden sie regelmäßig geschult und beraten, sowohl im fachlichen als auch im persönlichen Bereich. Etwa durch eine Sozialarbeiterin, die dreimal in der Woche in den Betrieb kommt und hilft, wenn es z. B. Schuldenprobleme gibt.

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Monika Zauner arbeitet seit September im Servicebereich des Michl’s. Was es für sie bedeutet, nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit und vielen AMS-Schulungen wieder einen Job zu haben? „Man hat wieder einen Sinn, wenn man in der Früh aufsteht.“ Die Arbeit macht ihr Spaß: „Man ist da voll integriert, volle Power.“ Und: „Man kommt wieder rein in das Ganze.“

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Auch wenn irgendetwas einmal nicht ganz so schnell geht oder einem Gast etwas Falsches serviert wird - Bernthaler ist es viel wichtiger, dass ihre Mitarbeiter freundlich sind. Das vermisst sie nämlich oft in den Betrieben des ersten Arbeitsmarkts.

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Mit einem breiten Grinsen erzählt Jawad Hussein von sich. Der Einfachheit halber, und weil das so gut zu ihm passe, wird er von allen Mario genannt. Der gebürtige Iraker ist Kellner, den Spitznamen hatte er schon vor seiner Zeit beim Michl’s. Meistens werde er sowieso für einen Spanier oder Mexikaner gehalten.

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In der Gastronomie habe er „immer“ schon gearbeitet, im Michl’s gefällt es Hussein besonders gut. So gut, dass er am liebsten dauerhaft hier arbeiten würde: „Die Arbeitsatmosphäre hier ist sehr gut, das Personal hier ist gut, die Führung ist gut.“ Hussein wurde arbeitslos, nachdem er nach einem Arbeitsunfall eineinhalb Jahre im Krankenstand gewesen war, den Betrieb hatte er nach 16 Jahren verlassen.

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Fast alle Michl’s-Mitarbeiter sind über 50 Jahre alt. Dass Unternehmen auf deren Erfahrungen und Potenzial verzichten, versteht Bernthaler nicht. Vor allem: „Was bei diesen Personen sehr auffällig ist, dass die Leute total motiviert sind, sehr verlässlich sind und auch kaum in den Krankenstand gehen, außer sie haben wirklich körperliche Probleme.“

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Gearbeitet wird fast nur auf Teilzeitbasis. Wer erst einmal länger arbeitslos ist, für den ist es beim Wiedereinstieg oft „schwierig, 40 Stunden durchzuhalten“, so Bernthaler. Aber ein paar Stunden weniger zu arbeiten sei oft schon eine große Hilfe.

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„Wir sehen bei jedem einzelnen einen Erfolg“, berichtet Bernthaler. Auch wenn jemand nicht auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden konnte, kann man dem Menschen aus einer ausweglosen Situation helfen. Falsche Hoffnungen will man den Leuten aber nicht machen: „Es gibt vielleicht nicht für jeden den Job, den er sich erträumt.“
Roland Winkler (Fotos) und Petra Fleck (Text), ORF.at
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