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Der Mann, der Pop Sound und Vision gab

Vom androgynen Glamrocker zum kühlen New Waver, vom „Plastic Soul“ zum düsteren Spätwerk: Kaum ein anderer Star des Pop hat es geschafft, im Pop immer auf der Höhe der Zeit zu sein. Schon mit „Ziggy Stardust“ griff David Bowie nach den Sternen und zeigte damit etlichen Musikergenerationen nach ihm vor, wie man den Sound und die Vision von Pop prägen kann. Bowie starb am Montag 69-jährig an Krebs.

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„Bowie hat die Rolle des Popmusikers befreit - befreit vom Zwang, Leben und Kunst verbunden zu haben“, so Wolfgang Kos, Mitbegründer der legendären Ö3-Radiosendungen „Die Musicbox“ und „Popmuseum“ sowie Ex-Chef des Wien Museums, im APA-Interview.

„Andy Warhol auf Pop angewandt“

„Bowie war auf Populärkultur angewandter Andy Warhol.“ Dabei sei ein Erfolgsgeheimnis gewesen, dass der Sänger gleich einem Filmemacher für die jeweiligen Phasen und Projekte seiner Karriere die jeweils besten Leute geholt habe, weil er sich offensichtlich in der Szene auskannte, so Kos. Bowie habe „mit 20 Jahren schon die Strategie als Konzeptkünstler entwickelt, mit einer Rolle neben sich stehen zu können. Er hat sich nicht von sich selbst auffressen lassen“, so der 66-Jährige. Darin sei er für viele nachfolgende Künstler zum Vorbild geworden: „Eine Madonna wäre ohne Bowie nicht denkbar.“

„Ein Genie“

Kein Wunder also, dass Madonna, ehemals selbst Verwandlungskünstlerin, bestürzt reagierte. „Ich bin am Boden zerstört“, schrieb sie auf Twitter. „Dieser großartige Künstler hat mein Leben verändert! Das erste Konzert, auf dem ich jemals war, in Detroit!“, fügte die 57-Jährige hinzu. „Begabt. Einzigartig. Ein Genie. Einer, der die Dinge verändert. Der Mann, der auf die Erde fiel. Dein Geist lebt für immer weiter! #rebelheart“, schrieb Madonna in einem weiteren Tweet.

Bowie hatte sich zunächst Ende der 60er als androgyner Glamrocker erfunden. Mit exzessiven Bühnenshows und Kostümwechseln nahm er spätere Konzerttrends um Jahre vorweg. Seine Bandkollegen schleifte er in Ballettaufführungen, um von der dortigen Beleuchtung etwas für die Shows zu lernen.

Zur richtigen Zeit am richtigen Fleck

Und wahrscheinlich war es auch kein Zufall, dass die erste Mondlandung 1969 sich in seinen Weltraumassoziationen rund um Major Tom vorangekündigt hatte. Schon wenige Jahre später legte er die Rolle des Ziggy Stardust ab. Er war rechtzeitig in Berlin, um in den späten 70er Jahren die deutschen Elektronikpioniere wie Kraftwerk und Can einsaugen zu können.

Bowie war zur richtigen Zeit New Wave, er war mit „Let’s Dance“ auch 80er-Pop - und das, ohne peinlich zu sein. Nicht immer funktionierten die Neuerfindungen. Seine von manchen belächelten Rockerattitüden mit Tin Machine werden heute gemeinhin als ihrer Zeit voraus bewertet. Erst einige Jahre später sollten Grunge und Alternative Rock wirklich groß werden.

Grenzen überwunden

Als Gesamtkunstwerk überwand Bowie nicht nur Genre-, sondern auch Kunstgrenzen. Er schrieb und produzierte für andere Musiker, versuchte sich als Schauspieler und Maler. Als einer der ersten Musiker experimentierte er mit Websites und war auch hier Vorreiter. Schon 1996 veröffentlichte er online einen Song exklusiv. Als „Chamäleon des Pop“ wurde er immer wieder bezeichnet. Ganz zufrieden war Bowie selbst damit nicht - obwohl das Wort Chamäleon einem seiner eigenen Songs entlehnt war. Denn das Tier passe sich immer nur seiner Umwelt an, während er versuche, eher das Gegenteil zu tun.

Er hatte einen „Sonderstatus als Botschafter der Weirdness“, schreibt Robert Rotifer auf fm4.ORF.at. Als der, „der im Mainstream stehend von Zeit zu Zeit bewusst (aber auch nie zu weit) das Fenster zu einem Anderen da draußen öffnete, das dem größten Teil seiner Fans sonst nie untergekommen wäre“ - mehr dazu in fm4.ORF.at.

Kanye West: „Eine meiner größten Inspirationen“

Unmittelbar nach der Nachricht über den Tod Bowies äußerten sich Prominente in aller Welt bestürzt. Musiker Kanye West twitterte: „David Bowie war eine meiner größten Inspirationen, so furchtlos, so kreativ.“ Schauspieler Russell Crowe twitterte: „Ich habe deine Musik geliebt. Ich habe dich geliebt. Einer der größten Unterhaltungskünstler, der je gelebt hat.“ „Ich habe gerade einen Helden verloren“, schrieb der britische Komiker Ricky Gervais, der gerade die Globes-Gala moderiert hatte.

Archivbild von Iggy Pop und David Bowie aus den frühen 80er-Jahren

AP/MediaPunch/RTNBusacca

Bowie und Iggy Pop in den frühen 80er Jahren

Iggy Pop: „Der Beste, den es gab“

„Davids Freundschaft war das Licht meines Lebens“, schrieb der 68-jährige US-Musiker Iggy Pop auf Twitter. „Ich habe noch nie eine so brillante Person getroffen. Er war der Beste, den es gab.“ Bowie und Iggy Pop verband eine sehr lange Freundschaft. Die beiden zogen in den 1970er Jahren nach Westberlin und lebten dort gemeinsam in einer Wohnung im Stadtteil Schöneberg. Bowie produzierte auch Pops legendäres Album „Lust for Life“ (1977), zu dem auch der erfolgreiche Song „The Passenger“ gehört.

Visconti „nicht darauf vorbereitet“

Bowies langjähriger Produzent Visconti erklärte, er habe seit einem Jahr gewusst, was passieren würde. „Dennoch war ich nicht darauf vorbereitet. Er war ein außergewöhnlicher Mann, voller Liebe und Leben. Er wird immer bei uns sein. Vorerst ist es angebracht zu weinen.“ Betroffen reagierte auch der britische Rockstar Billy Idol: „Er hat uns dazu inspiriert, von der Norm abzuweichen und etwas zu erreichen und die Leere des Lebens in England in den 70er Jahren zu vertreiben mit unseren eigenen Kunstrichtungen.“

Abschied von der eigenen Jugend

Die Rolling Stones zeigten sich schockiert und tief traurig. Er sei nicht nur ein wundervoller Mensch gewesen, ein außergewöhnlicher Künstler und ein wahres Original. „Ein wahrer Erneuerer und ein wirklicher Kreativer“, twitterte US-Musiker Pharrell Williams. „Ich weine nicht oft beim Verlust eine Künstlers, aber ich bin am Boden zerstört“, schrieb Sänger Marc Almond: „Er hat so viel bedeutet. Goodbye, David Bowie und unsere Jugend“.

Auch Sänger Paul McCartney würdigte Bowie: „David war ein großer Star, und ich schätze unsere gemeinsamen Momente sehr. Seine Musik spielte eine wichtige Rolle in der britischen Musikgeschichte, und ich bin stolz, an den enormen Einfluss zu denken, den er auf Menschen in aller Welt hatte.“

„Hinterlässt Vakuum“

Die beiden verblieben Bandmitglieder von Queen, die mit Bowie 1981 den Hit „Under Pressure“ eingespielt hatten, zeigten sich betroffen. „Der cleverste und brillanteste Mann unserer Zeit. Was für ein Vakuum er doch hinterlässt, und wie sehr er vermisst werden wird“, vermeldete Roger Taylor. Gitarrist Brian May schrieb: „Ich bin nach einer langen Nacht spät aufgewacht. Schockierende Neuigkeiten: David Bowie tot. Er war ein furchterregendes Talent, sein Tod ist für Musik und Kultur ein unschätzbarer Verlust.“

Auch Großbritanniens Premierminister David Cameron betrauerte am Montag Bowies Tod: „Ich habe beim Aufwachsen das Popgenie David Bowie gehört und gesehen. Er war ein Meister der Neuerfindung, der es immer wieder richtig getroffen hat. Ein riesiger Verlust.“

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