Vorfälle auch in Hamburg und Stuttgart
Von „einer völlig neuen Dimension organisierter Kriminalität“ hat der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) nach Bekanntwerden der vielen Übergriffe auf Frauen zu Silvester in Köln gesprochen. Eine Gruppe von insgesamt bis zu 1.000 Männern soll auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs zig Frauen sexuell angegriffen, belästigt und bestohlen haben. Auch von einer Vergewaltigung ist laut Polizei die Rede.
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Die Kölner Polizei zitierte Zeugen, laut denen die Täter dem Aussehen nach nordafrikanischer oder arabischer Herkunft seien. Während in Köln selbst ein Krisentreffen einberufen wurde, forderten Politiker aller Couleurs am Dienstag harte Konsequenzen. „Man muss mit den Mitteln, die das Recht vorgibt, gegen die Täter vorgehen“, sagte Justizminister Maas in Berlin. Dabei spiele die Herkunft der Verdächtigen keine Rolle. Vor dem Gesetz seien alle gleich.
Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) verurteilte die Übergriffe ebenso. Zugleich warnte er davor, Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Die Vorfälle in Köln seien erschreckend und nicht zu tolerieren, sagte de Maiziere. „Dass eine so große Zahl von Personen, offensichtlich mit Migrationshintergrund, diese Übergriffe verübt haben sollen, stellt eine neue Dimension dar“, sagte er. „Dies darf aber nicht dazu führen, dass nunmehr Flüchtlinge gleich welcher Herkunft, die bei uns Schutz vor Verfolgung suchen, unter einen Generalverdacht gestellt werden.“
Bürgermeisterin: Keine Toleranz
Dienstagmittag fand in Köln ein Krisentreffen statt, zu dem Bürgermeisterin Henriette Reker unter anderem die Kölner Polizei, die Bundespolizei und Stadtdirektor Guido Kahlen einlud. Reker bezeichnete die Vorfälle im „Kölner Stadt-Anzeiger“ als „ungeheuerlich“. Es könne nicht sein, dass Besucher, die nach Köln kommen, Angst haben müssten, überfallen zu werden. „Wir können nicht tolerieren, dass hier ein rechtsfreier Raum entsteht“, sagte die parteilose Politikerin der Zeitung.
Kraft stellt Abschiebungen in Aussicht
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kündigte ein hartes Vorgehen gegen die Täter an. „Ich bin entsetzt über die Eskalation der Gewalt in der Silvesternacht in Köln. Für die Opfer, insbesondere die betroffenen Frauen, waren das schreckliche, zutiefst verstörende Erlebnisse“, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es handle sich um eine „neue Dimension von Gewalt“, verübt „durch Männerbanden“. Polizei und Justiz müssten konsequent vorgehen, verlangte die Regierungschefin. „Klar ist, dass dies unabhängig von der Herkunft erfolgen muss. In den Fällen, wo die Voraussetzungen gegeben sind, müssen kriminelle Straftäter dann auch abgeschoben werden.“
Etwa 1.000 Männer hatten sich laut Polizei am Silvesterabend auf dem Bahnhofsvorplatz in Köln versammelt. Aus der Menge bildeten sich laut der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Gruppen von mehreren Männern, die Frauen umzingelt, bedrängt und ausgeraubt haben sollen. Polizeipräsident Wolfgang Albers sprach am Montag von „Straftaten einer völlig neuen Dimension“ und einer Vergewaltigung. Bis Dienstagmittag stieg die Zahl der Anzeigen laut Polizei auf etwa 90. Davor hatte es geheißen, den meisten Frauen seien Taschen, Handys oder Geldbörsen gestohlen worden, und ein geringer Teil von ihnen sei sexuell angegriffen worden.
Polizei merkte nichts
Die Polizei hatte die Ansammlung auf dem Bahnhofsplatz in der Silvesternacht nach eigener Darstellung beobachtet und den Platz schließlich vorübergehend räumen lassen, weil Böller in die Menge geworfen wurden - der vielfache Missbrauch sei den Beamten zunächst nicht aufgefallen. Erst im Laufe der Silvesternacht und in den Folgetagen war das Ausmaß der Gewalt deutlich geworden, die von der Gruppe ausgegangen sein soll.
Als zwischen 1.00 und 1.30 Uhr bei der Kölner Polizei und der Bundespolizei die ersten Anzeigen erstattet wurden, habe die Polizei von dem „massiven Vorgehen“ erfahren, sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) von Nordrhein-Westfalen, Arnold Plickert, der dpa. Die Vorfälle hätten eine neue Qualität. „Das ist im Prinzip ein organisiertes Vorgehen, was wir da festgestellt haben“, sagte Plickert. Es müsse ermittelt werden, wie es möglich gewesen sei, „dass diese tausend nach Köln gekommen sind und sich da getroffen haben“.
Laut Polizei keine Flüchtlinge
Laut „Kölner Stadtanzeiger“ gab die Polizei an, die Täter seien keine Flüchtlinge. Sie seien den Behörden seit Monaten bekannt und bisher durch Taschen- und Trickdiebstähle sowie Raubüberfälle aufgefallen. Noch bevor Näheres über die Täter bekanntwurde, wurde in Sozialen Netzwerken und Medien darüber spekuliert, dass es sich bei den Tätern wohl um Flüchtlinge handle. Auch gab es Kritik daran, dass das Ausmaß der Vorfälle erst so spät bekanntwurde.
Am Sonntag nahmen Polizisten in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofs fünf Männer fest, die Frauen bedrängt und Reisende bestohlen haben sollen. Ob sie auch etwas mit den Taten in der Silvesternacht zu tun haben, ist nach Angaben der Ermittler noch unklar. Die Kölner Polizei richtete nach den Vorfällen eine Ermittlungsgruppe ein.
Übergriffe auch in Hamburg
Auch in Hamburg soll es zu Silvester zu zahlreichen Übergriffen auf junge Frauen gekommen sein, bestätigte die Polizei entsprechende Medienberichte. Die Opfer seien jeweils von mehreren Männern an der Reeperbahn umringt und an der Brust oder im Intimbereich angefasst worden, sagte Polizeisprecher Holger Vehren am Dienstag. Zugleich hätten ihnen die Täter Handys, Papiere und Geld weggenommen. Es gehe um neun Fälle von sexueller Beleidigung, Raub und räuberischem Diebstahl. Ähnliche Vorfälle wurden auch aus Stuttgart gemeldet.
Demo geplant
Angesichts der Übergriffe in Köln riefen Organisationen zu einer Demo gegen Gewalt gegen Frauen auf. Eine Privatperson habe eine einstündige Versammlung für Dienstagabend vor dem Kölner Dom mit bis zu 80 Teilnehmern angemeldet, sagte ein Polizeisprecher. Es könnten aber deutlich mehr werden. Organisationen riefen in Sozialen Netzwerken dazu auf, sich an dem Protest zu beteiligen. Rechtsextreme Gruppen seien ausdrücklich nicht erwünscht, zitierte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Internet aus einem Aufruf.
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