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Falludscha als nächstes Ziel

In Ramadi laufen nach der Rückeroberung der Stadt vom Islamischen Staat (IS) langsam die Aufräumarbeiten an. Die Terrormiliz hat Dutzende Sprengfallen in der Stadt versteckt, die es nun zu entschärfen gelte. Zudem laufe die Fahndung nach verbliebenen Dschihadisten, sagte ein Sprecher der irakischen Polizei. Experten sehen in der Befreiung der Stadt eine Vorlage für den weiteren Kampf gegen den IS.

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Gelobt wird vor allem die zunehmende Professionalität der irakischen Streitkräfte. Die Schlacht um Ramadi sei die jüngste in einer Reihe von Operationen gewesen, in der Kommandeure der Armee und nicht die Führer der Milizen eine entscheidende Rolle gespielt hätten, schrieb Michael Knights vom Washington Institute for Near East Policy in einem Gastbeitrag für die BBC.

Auch bei der Befreiung der Städte Tikrit und Baidschi durch die irakische Armee hätten diese militärischen Führungskräfte den Unterschied gemacht. Im Fall der Befreiung von Ramadi hätten die irakischen Spezialkräfte zudem vom Training und der Ausrüstung des US-Militärs - etwa bei der Beseitigung von Verteidigungsanlagen und Sprengfallen des IS - profitiert. Weiters habe der Austausch detaillierter Geheimdienstinformationen die Treffsicherheit der koalitionären Luftschläge erhöht.

Irakischer Premier besuchte Ramadi

Der IS hatte das hundert Kilometer westlich von Bagdad gelegene Ramadi im Mai erobert. Anfang Dezember eroberte die von Kampfflugzeugen der US-geführten Militärallianz unterstützte Armee mehrere Stadtteile zurück. Am Dienstag vergangener Woche rückte sie ins Stadtzentrum vor, am Montag schließlich eroberten die irakischen Soldaten die letzte IS-Bastion in Ramadi.

Der irakische Premierminister Haider al-Abadi beglückwünschte die Armee zu ihrem Sieg. Am Dienstag besuchte der Politiker die einst 300.000 Einwohner zählende Hauptstadt der Provinz Anbar. Nach seiner Landung mit dem Hubschrauber unternahm Abadi gemeinsam mit hochrangigen Militärs einen Spaziergang durch das Universitätsviertel der Stadt.

Irakisches Militär in Ramadi

AP/Osama Sami

Irakische Soldaten nach der Rückeroberung Ramadis

Bereits am Montag hatte Abadi die Rückeroberung Ramadis aus den Händen des IS verkündet. 2015 sei ein „Jahr der Befreiung“, so der Regierungschef in einer Fernsehansprache. 2016 schließlich werde das „Jahr der großen Siege“.

Millionen für den Wiederaufbau

Die irakische Regierung versucht nun, den verbliebenen und ehemaligen Bewohnern Ramadis rasch den Weg zurück in ein geregeltes Leben zu ermöglichen. Obwohl 80 Prozent Ramadis bei den Kämpfen zerstört wurden, sollen die Flüchtlinge bereits in den kommenden Tagen zurückkehren, sagte Soheib al-Rawi, Gouverneur der Provinz Anbar.

Die meisten der insgesamt 276.000 Iraker, die im Mai aus Ramadi vertrieben worden waren, suchten laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in der etwas mehr als 100 Kilometer östlich gelegenen Hauptstadt Bagdad Zuflucht.

Für den Wiederaufbau Ramadis stehen laut Knights umgerechnet 45 Millionen Euro an internationalen Geldern bereit. Die Summe solle vor allem zur Wiederherstellung der lokalen Infrastruktur eingesetzt werden. Zudem soll die lokale Verwaltung mit Vertretern lokaler sunnitischer Stämme besetzt werden.

Sunnitische Verbände sollen Stadt sichern

Zum Schutz der Bevölkerung sind am Dienstag unterdessen Hunderte sunnitische Stammeskämpfer in der Kommune stationiert worden. Die Mitglieder des Truppenverbands Hasched al-Schaabi sollen dabei helfen, die „befreiten Gebiete zu sichern“, sagte der für den Einsatz zuständige General Ismail Mahalawi.

Karte zeigt die Stadt Ramadi im Irak

APA/ORF.at

Hasched al-Schaabi ist ein Truppenverband, der von schiitischen Milizen dominiert wird. Ihm gehören aber auch sunnitische Kämpfer von Stämmen aus der Provinz Anbar an. Fünf Einheiten der Stammeskämpfer seien in drei Stadtteilen im Norden Ramadis eingetroffen, sagte ihr Anführer Tarek Jussef al-Asal. Sie seien auf einem Stützpunkt östlich der Stadt ausgebildet und mit Waffen der Armee ausgerüstet worden. Sie sollen nun dabei helfen, die Stadt vor Angriffen des IS zu sichern.

Schlüsselrolle für Stammeskämpfer

Die Rückeroberung Ramadis sei eine „echte Leistung“, sagte der Sicherheitsexperte Patrick Skinner von der Beratungsfirma Soufan Group. „Aber Ramadi zu halten und zu regieren wird für den Irak eine weitaus größere Herausforderung.“

Den Stammeskämpfern könnte hierbei eine Schlüsselrolle zukommen, da sie das Vertrauen der mehrheitlich sunnitischen Bevölkerung genießen. Je größer der Einfluss der Sunniten bei der Verwaltung und Sicherung Ramadis sei, desto „nachhaltiger wird dieser Sieg sein“, sagte Firas Abi Ali vom Londoner Analyseinstitut IHS.

Experten erwarten nun, dass sich die gut ausgebildeten Anti-Terror-Einheiten der irakischen Armee der etwa 50 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Stadt Falludscha zuwenden. Dort wartet nach Ansicht des Sicherheitsanalysten Landon Shroder ein harter Kampf. Die Stadt sei bereits seit Jänner 2014 unter IS-Herrschaft, dementsprechend gut ausgebaut sei die Verteidigung, so Shroder gegenüber der „New York Times“.

Vorbereitungen für Rückeroberung Mossuls

Hauptziel bleibt aber die Provinzhauptstadt Mossul, die größte noch verbliebene IS-Hochburg im Irak. Knights erwartet, dass die Vorbereitungen für die Operation im ersten Halbjahr 2016 beginnen. Die irakische Armee könnte sich zunächst entlang des Flusses Tigris durch IS-Gebiet nach Norden vorkämpfen. Gleichzeitig könnten die internationalen Koalitionskräfte die Luftschläge auf die Kommandoinfrastruktur des IS in Mossul intensivieren. Im Herbst 2016 schließlich könnte es laut Knights einen Angriff von Bodentruppen geben.

Geführt werden müsse die Operation auf jeden Fall von Kommandeuren der nationalen irakischen Streitkräfte und nicht von schiitischen Milizionären, so Knights. Mossul ist eine sunnitisch dominierte Stadt, schiitische Kämpfer würden eher als Eroberer denn als Befreier gesehen werden.

Irakische Armee „auf Kurden angewiesen“

Die irakische Armee ist nach Einschätzung von Finanzminister Hoschijar Sebari bei der Rückeroberung Mossuls jedenfalls auf die Hilfe kurdischer Kämpfer angewiesen. „Man kann Mossul nicht ohne die Peschmerga schaffen“, sagte der Politiker in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters.

Der Kampf gegen den dort herrschenden IS werde sehr schwierig, könne aber gewonnen werden, so Sebari. Der Kampf um Mossul erfordere gute Vorbereitungen und das Engagement aller wichtigen Kräfte, sagte Sebari in dem Interview, das am Montag in Bagdad geführt wurde. Wegen des großen Gebietes könnte die Armee auch auf die Hilfe sunnitischer Kräfte und eventuell auch auf schiitische Milizen angewiesen sein.

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