Wichtige Nachschubroute des IS blockiert
Kurdische und arabische Milizen haben den strategisch bedeutenden Tischrin-Staudamm in Nordsyrien eingenommen. Die Überquerung des Euphrat, die von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) besetzt gewesen war, wurde am Samstag von Einheiten der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) erobert.
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Die SDF „haben die Talsperre Tischrin befreit“, sagte deren Sprecher, Oberst Talal Sello, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Die Kämpfe dauerten allerdings an. Die Transportstrecke über den Damm war eine wichtige Nachschubroute des IS zwischen seiner Hochburg al-Rakka und den von den Extremisten kontrollierten Gebieten westlich des Euphrat. Damit sind diese nun gezwungen, auf eine längere Verbindung auszuweichen. Der Tischrin-Damm ist zudem eine der Hauptenergiequellen Nordsyriens.
„Abzug“ des IS aus Damaskus verzögert sich
Die Vereinbarung über den „Abzug“ Tausender IS-Kämpfer aus mehreren Vierteln von Damaskus ist unterdessen vorerst ausgesetzt worden. Die Busse, die die Kämpfer aus der syrischen Hauptstadt bringen sollten, seien leer wieder abgefahren, hieß es am Samstag aus Verhandlungskreisen.
Grund für die „Suspendierung des Abkommens“ sei unter anderem die Tötung des Chefs der einflussreichen Rebellengruppe Dschaisch al-Islam (Armee des Islam), Sahran Allusch. Hinzu kämen „Sicherheitsbedenken“ seitens der Milizionäre, berichtete die BBC. Die Vereinbarung hatte vorgesehen, dass insgesamt rund 4.000 Menschen am Samstag das palästinensische Flüchtlingslager Jarmuk und die benachbarten Viertel al-Kadam und Hadschar al-Aswad verlassen sollten.
Unter ihnen sollten neben Zivilisten auch rund 2.000 Islamisten sein, die meisten davon IS-Kämpfer, aber auch Mitglieder des Al-Kaida-Ablegers Al-Nusra-Front. 18 Busse hätten die IS-Männer und ihre Angehörigen in Richtung al-Rakka und die Al-Nusra-Kämpfer in die Provinz Idlib bringen sollen, hieß es.
UNO-Hilfe vorerst auf Eis
In weiterer Folge hätten die Vereinten Nationen (UNO) Hilfslieferungen an die 18.000 Bewohner von Jarmuk verteilen sollen. Das Flüchtlingslager war 1948 für palästinensische Flüchtlinge des arabisch-israelischen Krieges errichtet worden und hatte zeitweise bis zu 150.000 Einwohner. Die verbliebenen Bewohner - unter ihnen 3.500 Kinder - hätten in den vergangenen zwei Jahren unter Nahrungsmittelknappheit gelitten und keinen Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung gehabt, so die BBC.
Rebellen gaben Nachfolger von Allusch bekannt
Wenige Stunden nach Verkündung des Abzugabkommens am Freitag wurde allerdings der Tod von Allusch bekannt. Er wurde übereinstimmenden Berichten zufolge bei einem Luftangriff getötet. Der 44-Jährige starb demnach gemeinsam mit fünf weiteren Kommandanten in Ost-Ghuta nahe Damaskus.
Kurz nach Alluschs Tod sei Abu Hammam al-Buwaidani zu seinem Nachfolger ernannt worden, hieß seitens der Rebellen laut Nachrichtenagentur Reuters. Die Familie des 40-Jährigen soll enge Verbindungen zu den Muslimbrüdern unterhalten. Allusch war Sohn eines salafistischen Predigers. Er verbrachte mindestens zwei Jahre in syrischen Gefängnissen, bevor er im Juni 2011 im Rahmen einer Generalamnestie freikam.
2013 vereinte Allusch mehrere Rebellengruppen unter dem Banner des Dschaisch al-Islam. Die Vereinigung gehörte zu den Oppositionsgruppen, die kürzlich in Riad an einer Konferenz teilnahmen, um neue Friedensgespräche vorzubereiten. Im Jänner sollen unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen Gespräche zwischen Regierung und Opposition über einen politischen Übergang beginnen.
Schwere Kämpfe in Nordsyrien
Bei Angriffen islamistischer Extremisten auf Regimetruppen kamen indes in Nordsyrien mindestens 71 Kämpfer ums Leben. Unter den von der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida, ausgeführten Attacken in Orten der Provinz Aleppo sei auch ein Selbstmordanschlag gewesen. Das teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien am Samstag mit. Bei den Kämpfen am Freitag seien 38 Rebellen und 33 Soldaten des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad gestorben.
IS-Chef droht Israel und Saudi-Arabien
IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi hat indes in einer ihm zugeschriebenen Audiobotschaft zu einem Aufstand in Saudi-Arabien aufgerufen und Angriffe in Israel angekündigt. Sollte sich die im Internet veröffentlichte 24-minütige Aufnahme als authentisch herausstellen, wäre sie die erste seit sieben Monaten.
In dem Beitrag wird die von Saudi-Arabien am 15. Dezember angekündigte Koalition aus 34 Ländern gegen den IS kritisiert. Diese Koalition, die sich den Kampf gegen das vom IS in Syrien und im Irak ausgerufene Kalifat zum Ziel gesetzt habe, werde fälschlich „islamisch“ genannt. „Wäre diese Koalition islamisch, hätte sie dem Volk in Syrien den Sieg und ihre Hilfe gebracht“, heißt es weiter.
Die Menschen in Saudi-Arabien werden aufgerufen, „sich gegen die vom Glauben abgefallenen Tyrannen zu erheben“ und ihre Glaubensbrüder in Syrien, im Irak und im Jemen „zu rächen“. Außerdem werden Angriffe gegen Israel angekündigt, denn der Islamische Staat habe „Palästina keinen einzigen Augenblick lang vergessen“.
Terminvorschlag für Friedensgespräche
Der UNO-Beauftragte Staffan de Mistura will am 25. Jänner Friedensgespräche für das seit Jahren in einem Bürgerkrieg steckende Syrien einberufen. „Er zählt auf die uneingeschränkte Zusammenarbeit aller relevanten syrischen Gruppen in diesem Prozess“, erklärte sein Sprecher am Samstag. Diese Gespräche sollen in Genf abgehalten werden.
Die syrische Regierung hatte sich zuvor zu Friedensgesprächen mit der Opposition bereiterklärt. Er hoffe, dass ein solcher innersyrischer Dialog ohne Einmischung aus dem Ausland helfe, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, sagte Außenminister Walid al-Muallem vor wenigen Tagen. In den vergangenen fünf Jahren sind bei dem Bürgerkrieg rund 300.000 Menschen getötet worden.
Der UNO-Sicherheitsrat hatte einige Tage vor Weihnachten einen neuen Friedensplan für Syrien gebilligt. Das Gremium verabschiedete einstimmig eine Resolution, nach der schon im Jänner Gespräche über einen Waffenstillstand und die Bildung einer Übergangsregierung beginnen sollen. Der Text basierte auf dem Friedensfahrplan, den 17 Staaten auf einer Syrien-Konferenz in Wien beschlossen hatten.
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