Wie stark ist der König noch?
Saudi-Arabiens König Salman ist ein kranker Mann. 2014 erlitt er einen Schlaganfall und kann seitdem seinen linken Arm nicht mehr bewegen, seine Artikulation ist schwer beeinträchtigt. Für einen König, der sich mit Problemen konfrontiert sieht, die es in dieser Häufung in Saudi-Arabien noch nie gab, sind das keine guten Voraussetzungen.
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Denn nicht nur Konflikte in den benachbarten Staaten, auch Innenpolitisches stellt das Land vor gewaltige Herausforderungen. Die Art und Weise, wie man versucht, diese zu bewältigen, ist für den für sein diplomatisches Vorgehen bekannten Golfstaat neu. Im Gegensatz zu seinem verstorbenen Vorgänger und Halbbruder Abdullah setzt Salman wenig auf behutsame Reformen und hat sich etwa auf einen Hegemonialstreit mit dem Iran eingelassen.
Stellvertreterkrieg im Jemen
Bei dem Stellverterterkrieg im Jemen mit dem östlichen Nachbarn geht es um nicht weniger als die Vorherrschaft in der ohnehin schon instabilen Region. Dabei sind die Saudis hohe militärische Risiken eingegangen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Auch deshalb versucht man, den in Saudi-Arabien verbreiteten Wahhabismus, eine puristisch-traditionalistische Richtung des sunnitischen Islam, zu fördern, um sich gegenüber der schiitischen Islamischen Republik Iran zu profilieren.
Auf die Ideologie des Wahhabismus ist letztlich auch die Einschränkung von Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und der Rechte der Frauen zurückzuführen. Immer wieder kommt es zu Inhaftierungen und Hinrichtungen von Regierungskritikern und Aktivisten. Dabei werden vor allem die drakonischen Strafen international scharf kritisiert. Für besonders großes Aufsehen sorgte weltweit der Fall des Bloggers Raif Badawi, der wegen Beleidigung des Islam zu 1.000 Peitschenhieben verurteilt worden war.
Bisher 150 Exekutionen dieses Jahr
Der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge nahm zudem die Zahl der Hinrichtungen heuer stark zu: Sie stieg auf 150. Unter Diskriminierung leiden die schiitische Minderheit im Osten des Landes und die rund neun Millionen ausländischen Arbeitskräfte. In Syrien unterstützt Riad deshalb auch die sunnitische Opposition, im Jemen sunnitische Stammesmilizen, während eine von Saudi-Arabien gegründete Allianz gegen schiitische Huthi-Rebellen kämpft.
Dem nicht genug, droht islamistischer Terror sowohl im Inland als auch im Ausland. Denn oberflächlich betrachtet haben das Königreich Saudi-Arabien und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in ihrer ideologischen Grundausrichtung einige Gemeinsamkeiten: Beide sind radikal, propagieren strengste Auslegungen der Religion und töten Menschen, indem sie diese enthaupten. Allerdings ist die Königsfamilie ein Feindbild des IS, der Staat war in den letzten Jahren wiederholt Opfer salafistischer Terroristen.
Herrscher über Stätten in Mekka und Medina
Die Tatsache, dass die jeweiligen saudischen Könige Herrscher über die heiligen Stätten des Islam in Mekka und Medina sind, sorgt für Zorn seitens der Dschihadisten. Auch der reaktionären Opposition sind die Reformen des Königshauses viel zu liberal, manche sympathisieren mit dem IS. Allgemein ist das saudische Machtgefüge kompliziert und schwer zu durchschauen. Seit der Staatsgründung in seiner jetzigen Form 1932 liegen sämtliche wesentlichen Agenden in den Händen der weitverzweigten Dynastie (Al) Saud.
50 Jahre Gouverneur von Riad
König Salman, 32. Sohn von Staatsgründer Abd al-Asis ibn Saud, ist mit bald 80 Jahren kein Neuling auf dem politischen Parkett der Ölmacht. Er war fast 50 Jahre lang Gouverneur von Riad und hatte stets einen engen Draht zum jeweiligen Herrscher. Als er 1963 die Leitung Riads übernahm, hatte die Stadt knapp 200.000 Einwohner, 2015 sind es mehr als sieben Millionen - zu dieser Entwicklung hat Salman nicht eben wenig beigetragen.
Über Jahrzehnte konnte Salman seinen Einfluss ausbauen, doch gerade an der Spitze der Macht angekommen, macht ihm sein Alter einen Strich durch die Rechnung. Neben den Folgen des Schlaganfalls soll er auch an Demenz, möglicherweise Alzheimer, leiden. Das Königreich regieren andere: Der deutschen „Zeit“ zufolge bestimmen sein 30-jähriger Sohn Vizekronprinz Mohammed und sein Neffe und Kronprinz, der ebenfalls Mohammed heißt, als Verteidigungsminister beziehungsweise als Innenminister über die Geschicke des Landes.
BND zeigt sich besorgt
Das wird durchaus kritisch beäugt: Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) zeigte sich unlängst angesichts der Konflikte im Nahen Osten über das Verhalten der saudi-arabischen Führung besorgt. „Die bisherige vorsichtige diplomatische Haltung der älteren Führungsmitglieder der Königsfamilie wird durch eine impulsive Interventionspolitik ersetzt“, hieß es. Das war allerdings nicht auf Salman allein bezogen: Vor allem sein Sohn steht in der Kritik.
Dieser gilt als arrogant und unbeherrscht und ist ob der Tatsache, dass er als Einziger der Führungsriege nicht im Ausland studiert hat, auch in Saudi-Arabien nicht unumstritten. Dem BND zufolge birgt die wirtschafts- und außenpolitische Machtkonzentration auf ihn „latent die Gefahr, dass er bei dem Versuch, sich zu Lebzeiten seines Vaters in der Thronfolge zu etablieren, überreizt (sic)“.
Vizekronprinz mit vielen Befugnissen
Der Vizekronprinz hat laut „Fankfurter Allgmeiner Zeitung“ („FAZ“) viele Befugnisse: Als Verteidigungsminister führt er die saudische Armee, er bestimmt als Präsident des neu eingerichteten Hohen Wirtschaftsrats die Richtung der Wirtschaftspolitik, sitzt im Aufsichtsrats des Ölkonzerns Aramco und beeinflusst so auch die Ölpolitik des Landes. Zudem entscheidet er als Chef des königlichen Hofs, wem eine Audienz mit dem König gewährt wird – und wem nicht.
Dass Saudi-Arabien diesen Kurs wieder verlässt, könnte rein wirtschaftliche Gründe haben: Der Ölpreis liegt bei weniger als der Hälfte dessen, was nötig wäre, um den Staatshaushalt zu finanzieren. Der wiederum greift fast ausschließlich auf die Öleinnahmen zurück. Das Problem ist allerdings hausgemacht, hat Saudi-Arabien doch den Preis selbst gedrückt, um der Konkurrenz zu schaden. Der Schuss könnte alsbald nach hinten losgehen.
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