Wiedersehen mit Kultcharakteren
Rechtzeitig zum 65. Jubiläum der Peanuts kehren Charlie Brown und Snoopy auf die Leinwand zurück: komplett in 3-D und doch ohne große Veränderungen. „Die Peanuts“ ist eine liebevoll erzählte Geschichte, die Fans nicht verärgern und gleichzeitig neues - junges - Publikum für sich gewinnen will. Einige sanfte Modernisierungsversuche rütteln dabei an der heilen Comic-Vergangenheit.
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Die Zeit scheint für Charlie Brown und Co. in den vergangenen Jahrzehnten stillgestanden zu sein. Snoopy geht noch immer seiner Tätigkeit als Schriftsteller an einer Schreibmaschine nach, die Kinder recherchieren in einer Bibliothek für ihre Hausaufgaben, und weder Smartphones noch das Internet spielen in der Welt der Peanuts eine Rolle. Der neue Film mag sich quietschbunt und gestochen scharf präsentieren, doch das Erbe von Erfinder Charles M. Schulz bleibt großteils unberührt.

20th Century Fox
Charlie Brown hypnotisiert Snoopy - und das Kinopublikum
So findet sich das gesamte Ensemble unverändert auf der Leinwand ein: Pechvogel Charlie Brown, dessen Schwester Sally, Therapeutin Lucy, Pianist Schroeder, Peppermint Patty und Co. sind alle mit von der Partie. Genauso wie die Publikumslieblinge Snoopy und Woodstock, für die sogar die Originalstimme aus den Filmen der 60er Jahre, Bill Mendelez, gesichert werden konnte - wenn auch nur aus einem aufwendigen Zusammenschnitt von Archivaufnahmen, denn Mendelez verstarb bereits 2008.
Charlie Brown ist verliebt
Die Geschichte bedient sich indes bekannter Motive und Charaktere aus vergangenen Jahrzehnten. Charlie Brown verliebt sich in das kleine rothaarige Mädchen, das gegenüber einzieht. Allein, es fehlt der Mut sie anzusprechen. In einer Therapiesitzung bei Lucy (deren Beratung unverändert fünf Cent kostet) ergründen die beiden das Problem: Charlie Brown sei ein „Niemand“, das rothaarige Mädchen hingegen ein „Jemand“ - und somit eine gemeinsame Zukunft unmöglich.
Charlie Brown muss also die Wandlung vom ewigen Verliertyp zu einem Gewinner durchmachen, um bei seiner großen Liebe punkten zu können - und stolpert von einem Unglück ins nächste. Egal ob Tanzwettbewerb, Buchbesprechung oder Zaubershow, je näher Charlie Brown am Glück zu sein scheint, desto vernichtender wird ihm dieses verwehrt. Das sorgt für jene gehörige Portion Melancholie, die die Peanuts seit jeher begleitet.
Weniger nachdenklich geht es bei Snoopy zu, der sich einmal mehr auf seinem Dach als Autor versucht und in seinen erträumten Abenteuern Jagd auf den Roten Baron macht, um Hundedame Fifi zu retten. Die optisch aufwendigsten Szenen des gesamten Films führen das Fliegerass bis zum Eiffelturm. Dabei stellt sich die Frage, ob die neu anvisierte Zielgruppe mit einer historischen Figur wie dem Roten Baron mit zunehmender zeitlicher Entfernung überhaupt etwas anzufangen weiß.
Ein Film mit Sprechblasen
Visuell versucht der Film von Regisseur Steve Martino („Horton hört ein Hu!“) einen Spagat zwischen moderner Computergrafik und klassischer Zeichentrickoptik. Von den Landschaften bis zu den Charakteren präsentieren sich die Peanuts in zeitgemäßem 3-D, die Gesichter wirken hingegen so, als hätte sie Schulz handgemalt. Ergänzt wird der Effekt durch Denk- und Sprechblasen in klassischem Schwarz-Weiß, die sich vor der Comic-Vorlage verneigen.

20th Century Fox
Lucys Tarif für Charlie Browns Therapiestunden bleibt unverändert
Während Fans und Kritiker nach den ersten Trailern Bedenken äußerten, dass es sich um eine weitere lieblose 3-D-Neuauflage handeln könnte, sucht das Endergebnis optisch bewusst den Konsens mit bestehenden Anhängern der Comics. Akustisch ist der neue „Peanuts“-Film aber nicht auf Versöhnung aus: Popstar Meghan Trainor und Flo Rida dröhnen allenthalben neben einem eher unauffälligen orchestralen Soundtrack aus den Lautsprechern. Doch immerhin: Vince Guaraldis zeitlose Filmmusik, die einst die oft trübe Grundstimmung untermalte, wird in Auszügen zitiert.
Hommage an den (Groß-)Vater
Ansonsten versucht der neue „Peanuts“-Film jedoch so oft wie möglich die Originale hochleben zu lassen. Egal ob der drachenfressende Baum, das buchstäbliche „Posaunen“ der Erwachsenen (eingespielt von Jazz-Musiker Trombone Shorty, der kürzlich in der Wiener Stadthalle für die Foo Fighters eröffnete) oder Snoopy als „Joe Cool“. Selbst „Sparkplug“, das Comic, das Peanuts-Schöpfer Schulz in seiner Kindheit einst den Spitznamen „Sparky“ einbrachte, fand Platz in der Geschichte.
Bei aller Nostalgie weichen Schulz’ Sohn und Enkel, die für das Drehbuch verantwortlich zeichnen, letztendlich doch von bisherigen Peanuts-Geschichten ab. Der neue Film ist nicht mehr so deutlich an das Vier-Panel-Format der Comics angelehnt, sondern erzählt eine durchgehende Story, die den Erzählstandards anderer zeitgenössischer Animationsfilme entspricht. Im Gegensatz zu den früheren Filmen entsteht dadurch ein Spannungsbogen, der die Aufmerksamkeit des Publikums eher zu vereinnahmen weiß.
Ein Film voller Überraschungen
Und auch das Schicksal von Charlie Brown fällt nicht ganz so ambivalent wie früher aus. Wer hinter die tollpatschige Fassade des Pechvogels blickt, der von einer Misere in die nächste stolpert, der hat stets das Gute in ihm entdeckt. Diesmal bleibt das auch im Film nicht unerkannt und transportiert vor allem für ein junges Publikum die Botschaft, dass es stets auf die inneren Werte ankommt - ohne damit abgedroschen zu wirken.
„Du steckst immer noch voller Überraschungen, guter, alter Charlie Brown“, wird dem Antihelden abschließend attestiert. Filmisch gingen Schulz’ Erben kein Risiko ein und verwöhnen bestehende Fans mit jeder Menge augenzwinkernder Referenzen auf die Peanuts-Vergangenheit. Die größte Überraschung ist, dass sich die bösen Überraschungen in Grenzen halten - damit sollten Charlie Brown und Co. für die nahe Zukunft (und etwaige Fortsetzungen) gerüstet sein.
Florian Bock, ORF.at
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