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Die Fallstricke der UNO-Resolution

Die einstimmige Verabschiedung der UNO-Resolution zu Syrien am Freitag ist nach Einschätzung von Syrien-Experten ein wichtiger Zwischenschritt. Sie warnen allerdings vor allzu großem Optimismus. Vieles hängt davon ab, wie die Opposition agieren wird. Und diese äußerte sich bereits kritisch zum beschlossenen Friedensplan.

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„Der Beschluss ist nicht realistisch und wird schwierig umzusetzen sein“, sagte der führende Vertreter der in Istanbul ansässigen Nationalen Syrischen Koalition, Samir Naschar, der dpa. Es gebe zahlreiche Fallstricke, fügte er hinzu. Zunächst müsse man abwarten, ob das Regime damit aufhören werde, Zivilisten mit international geächteten Fassbomben anzugreifen.

Kein Wort über Assads Zukunft

Unklar blieb in der Resolution die Zukunft des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Sie ist im Text mit keinem Wort erwähnt. Diesen Umstand kritisiert ein weiterer Sprecher der syrischen Oppositionsbündnisses, Ahmed Ramadan. Die Opposition lehnt Gespräche mit der syrischen Regierung ab, solange Assad im Amt ist.

Syriens Staatspräsident Bashar al-Assad

APA/AFP/SANA

In der UNO-Resolution sind keine Aussagen zum Schicksal Assads enthalten

Die UNO-Resolution sieht vor, dass es bereits im Jänner Friedensgespräche zwischen Präsident und der Opposition gibt, eine Übergangsregierung innerhalb eines halben Jahres sowie freie Wahlen und eine neue Verfassung in 18 Monaten. Die fünf Vetomächte in dem Gremium einigten sich auf den gemeinsamen Resolutionstext, was bisher am Widerstand Russlands gescheitert war.

In manchen Schlüsselfragen bleibt die Resolution allerdings tatsächlich vage. Neben der Rolle Assads bleibt etwa strittig, welche Milizen aufseiten der Opposition an den Gesprächen mit der Regierung in Damaskus teilnehmen dürfen.

Experte sieht Wendepunkt im Syrien-Krieg

Nach Einschätzung des US-Terrorismusexperten Charles Lister hat der Syrien-Krieg insofern einen Wendepunkt erreicht, weil allen Beteiligten klar geworden ist, dass keine Seite stark genug für einen Sieg ist. Eine Garantie für eine Friedenslösung sieht der Syrien-Spezialist des US-Thinktanks Brookings darin jedoch nicht.

Lister, der als einer der besten Kenner der syrischen Opposition gilt, befürchtet, dass der Westen eine längere Übergangszeit mit Assad favorisiere, um die Russen an Bord zu behalten. Dann werde die Opposition aussteigen, so Lister gegenüber dem „Spiegel“. „Und dann sind wir zurück auf null.“

„Al-Kaida schwerer zu vertreiben als IS“

Die Miliz Islamischer Staat (IS) sei in den arabisch-sunnitischen Regionen nicht schwächer geworden, sagte Lister. Dennoch sei die Bedrohung des Westens durch den Al-Kaida-Ableger Nusra-Front größer. Al-Kaida wolle nicht wie der IS ein Kalifat aufbauen, sondern den Westen zerstören. „Die Nusra-Front hat sich so erfolgreich und so dauerhaft in die syrische Oppositionsbewegung eingenistet, dass sie schwieriger aus Syrien zu vertreiben sein wird als der IS.“

Für problematisch hält Lister den Begriff der „gemäßigten Rebellen“. Habe man anfangs an Organisationen wie die Freie Syrische Armee (FSA) gedacht, habe sich nun die Einsicht durchgesetzt, dass man auch mit extrem konservativen Gruppen verhandeln müsse.

Friedensforscher: Resolution nur Zwischenschritt

Der deutsche Politikwissenschaftler Jochen Hippler sieht in der aktuellen UNO-Resolution ebenfalls noch keine Garantie für einen schnellen Frieden. Die Resolution sei ein wichtiger Zwischenschritt, der aber für sich allein noch keine Wende bringen werde, sagte Hippler am Samstag im „WDR 5 Morgenecho“. „Der Unterschied ist, dass jetzt Russland, Iran, Saudi-Arabien, die USA und die westeuropäischen Länder sich tatsächlich auf eine gemeinsame Erklärung verständigt haben“, sagte er.

„Das war in der Vergangenheit ja fünf Jahre lang unmöglich. Das ist sicher gut und nimmt Druck von außen weg. Aber es bedeutet eben noch nicht, dass in Syrien Voraussetzung bestünden, tatsächlich zu Frieden zu kommen in den nächsten ein bis zwei Jahren“, so der Friedensforscher am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen weiter.

Gruppen „sehr schwer unter einen Hut zu bringen“

Eines der Hauptprobleme seien Hunderte bewaffnete Gruppen, die sehr schwer unter einen Hut zu kriegen seien. Ein anderes Problem sei die Frage, wer alles am Verhandlungsprozess teilnehmen könne und wer nicht. Der Politikwissenschaftler wollte nicht ausschließen, dass die Zeit noch nicht reif dafür sei, tatsächlich einen Verhandlungsprozess, eine Einheitsregierung und anschließend freie Wahlen in Syrien zu ermöglichen: „Oder ob das Land erst noch einige Jahre ausbluten wird und das Leiden weitergehen wird. Bevor dann aus Erschöpfung tatsächlich alle Leute sich einbeziehen lassen. Da muss man tatsächlich warten.“

Zweifel an Einfluss der Opposition

So bleibt in der Tat ungewiss, wer überhaupt genügend Einfluss hat, um den Friedensplan in die Tat umzusetzen. Auf dem diplomatischen Parkett ist die Syrische Nationale Koalition das wichtigste Oppositionsbündnis. In Syrien selbst hat sie aber nur wenig zu sagen. Gemäßigte Gruppierungen sind im Laufe des Bürgerkriegs immer schwächer geworden, während Dschihadisten wie die Nusra-Front und der IS, die von Verhandlungen ausgeschlossen sind, sowie andere radikalislamische Gruppen immer mehr Anhänger gewannen.

Der Anführer der Nusra-Front spricht der Koalition überhaupt jeglichen Einfluss ab. Arabischen Journalisten sagte Abu Mohammed al-Jaulani jüngst im Interview: „Jeder weiß, dass die Koalition in Wirklichkeit nichts auf dem Boden kontrolliert.“ Sie gebe nur Pressekonferenzen in Hotels. Zu der vom Westen unterstützten Rebellenarmee FSA sagte Al-Jaulani: „Es gibt keine Freie Syrische Armee. Es ist weder eine Armee noch eine Organisation. Es ist nur ein Name, an den sich die Menschen gewöhnt haben.“

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