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Freie Währung mit Nebenwirkungen

Mit der von der neuen argentinischen Regierung angekündigten Aufhebung der Kapitalkontrollen sollen der Peso geschwächt, der Export angetrieben und mehr ausländische Investoren ins Land geholt werden. Das komplexe Regelwerk für Währungsgeschäfte soll sowohl für Bürger als auch für Firmen abgeschafft und durch einen einzigen Wechselkurs ersetzt werden. Die damit verbundene Abwertung des Peso dürfte jedoch massiv werden.

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Der Argentinische Peso galt bis zuletzt als äußerst schwankend - für Argentinier war der Tausch in stabilere Währungen wie den US-Dollar daher sehr attraktiv. Der Wechsel zwischen Peso und Dollar passierte bis dato oftmals auf dem Schwarzmarkt, denn die offiziellen und inoffiziellen Wechselkurse drifteten weit auseinander. Während man auf offiziellem Weg derzeit für einen US-Dollar bis zur Ankündigung der Freigabe der Währung etwa zehn Peso bekam, waren es in den „Cuevas“, den Wechselstuben, etwa 15 Peso. Der Kauf über offizielle Quellen war zudem limitiert.

Schon am Donnerstag (Ortszeit) rutschte der Peso um mehr als 40 Prozent zum Dollar ab. Die Landeswährung wurde vor Handelsabschluss zu 13,95 Peso je Dollar getauscht. Am Vortag war der Kurs von der Zentralbank noch auf 9,84 Peso festgelegt worden. Die neuen Notierungen entsprechen ungefähr den vorherigen Schwarzmarktkursen.

Nur 2.000 Dollar pro Monat

Denn im bisherigen Währungssystem durften Argentinier nur 2.000 Dollar pro Monat kaufen und mussten nachweisen, woher sie das Geld erhielten. Das System bremste den Immobilienmarkt, werden Häuser und Wohnungen in Argentinien doch üblicherweise in Dollar gekauft. Zahlreiche Argentinier reisten zudem zum Einkaufen ins Ausland - Waren konnte man dort günstiger erstehen als im Inland.

Argentiniens Wirtschaft lahmt seit Monaten, die Inflation könnte dieses Jahr 25 Prozent erreichen, für kommendes Jahr droht der Sturz in die Rezession. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt für 2015 knappe 0,4 Prozent Wachstum voraus, für 2016 sogar ein Minus von 0,7 Prozent. All das, obwohl das Währungssystem schon seit vier Jahren strengen Beschränkungen unterliegt.

Schuldenstreit mit US-Hedgefonds

Die bis vor Kurzem amtierende Präsidentin Cristina Kirchner hatte diese im Jahr 2011 eingeführt, mit dem Ziel, Kapitalflucht und Steuerhinterziehung zu stoppen. Doch besagte Beschränkungen schadeten der Exportwirtschaft, verringerten die Produktivität und verzerrten die Wirtschaft. Zudem führte Argentinien einen erbitterten Schuldenstreit mit US-Hedgefonds.

Der argentinische Finanzminister Alfonso Prat-Gay

Reuters/Marcos Brindicci

Finanzminister Alfonso Prat-Gay kündigte die Freigabe der Währung an

Diese kauften nach der Staatspleite 2001, an deren Folgen das Land bis heute laboriert, billig argentinische Schuldscheine auf und bekamen laut der Tageszeitung „El Cronista“ vor einem US-Gericht Zahlungsforderungen über acht Milliarden Dollar zugesprochen. Nur wenige Tage nach dem Amtsantritt des neuen argentinischen Präsidenten Mauricio Macri, der unter anderem dem Konflikt um die Auslandsschuld ein Ende setzen will, hat dessen Regierung die Währung nun also freigegeben.

Künftig unbeschränkter Dollar-Kauf

Finanzminister Alfonso Prat-Gay kündigte am Mittwoch an, die Regierung „normalisiere“ das System, das komplexe Regelwerk für Währungsgeschäfte werde für Bürger und Firmen abgeschafft und durch einen einzigen Wechselkurs ersetzt, der durch den Markt bestimmt werde. Unternehmen und Bürger können damit künftig unbeschränkt Dollar kaufen. „Wer importieren will, kann es tun und wer Dollar kaufen will, wird in der Lage sein, sie zu kaufen“, so der Finanzminister.

Die Regierung erhofft sich durch diesen Schritt, den Präsident Macri schon während des Wahlkampfes angekündigt hatte, vermehrt ausländische Investoren ins Land holen zu können. Was durch diesen Schritt erfolgt, ist eine drastische Abwertung des Peso - von bis zu 40 Prozent sei die Rede, so die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“). Um eine abrupte Änderung zu verhindern, solle die Zentralbank Dollar kaufen oder verkaufen.

Bauern warteten auf Freigabe

Die argentinische Finanzzeitung „Ambito Financiero“ kommentierte diese Entwicklung folgerichtig: „Jetzt kommt die am längsten vorweggenommene Abwertung.“ Während einkommensschwache Schichten wegen der nun steigenden Lebenshaltungskosten vor dem finanziellen Abgrund stehen, gibt es laut „Guardian“ eine Berufsgruppe, die auf die Freigabe gewartet hat: Bauern. Diese verkaufen ihre Erntebestände und liefern der Zentralbank so 330 Millionen Dollar - täglich. Im Gegenzug werden die Exportsteuern abgeschafft.

Geld hat die Zentralbank auch dringend nötig: Weil ihr die Reserven ausgingen, wurden die Devisenlimits in den vergangenen Monaten stets enger gezogen. Einen Tag vor Bekanntgabe der Freigabe der Währung sanken Argentiniens Devisenreserven auf 24,3 Milliarden Dollar - den niedrigsten Stand seit neun Jahren. Die Abwertung warf ihren Schatten voraus: Die argentinische Bevölkerung tätigte mit Kreditkarten so viele Einkäufe wie möglich, gleichzeitig rechneten Exporteure keine Geschäfte mehr ab.

Lohnniveau leidet unter Abwertung

Wer Geld angespart hatte, tauschte möglichst viele Peso in Dollar um: Rund 200 Millionen Dollar musste die Notenbank in den letzten Tagen vor der Ankündigung auszahlen. Der Peso befindet sich jetzt also im freien Fall. Die Opposition warnt bereits davor, dass das Lohnniveau in der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas unter der Abwertung leiden würde. Angesichts der drohenden Inflationsrate wird die Regierung bei den Gewerkschaften Überzeugungsarbeit leisten müssen, bei den Gehaltsforderungen nicht zu überziehen.

Proteste gegen neue Regierung

Nur wenige Tage nach dem Amtsantritt der konservativen Regierung wird diese bereits mit Protesten konfrontiert. Am Donnerstag (Ortszeit) gingen Zehntausende Argentinier gegen die Politik von Präsident Macri auf die Straße. Auch der unterlegene Präsidentschaftskandidat Daniel Sciolo und mehrere Minister der früheren Präsidentin Kirchner waren dabei. Gefordert wurde eine Erhöhung der Löhne. Sciolo gab an, mit seiner Teilnahme die Bedeutung „des Respekts der institutionellen Prozeduren für die Ernennung der Richter“ unterstreichen zu wollen. Die Ernennung von zwei Richtern per Dekret am Montag war auf so große Kritik gestoßen, dass Macri sie auf das kommende Jahr verschob.

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