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„Endlich ist es geschafft“

Der US-Aktienmarkt hat am Mittwoch mit deutlichen Kursgewinnen auf die lange erwartete Leitzinswende reagiert. Nach sieben Jahren liegt der Leitzins in den USA nun nicht mehr auf dem Rekordtief von null bis 0,25 Prozent. Die Notenbank Federal Reserve (Fed) hat das Zielband für den „Federal Funds Rate“ genannten Zinssatz wie erwartet auf 0,25 bis 0,50 Prozent angehoben.

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Die erste Zinserhöhung in den USA seit 2006 wurde an der Wall Street äußerst positiv aufgenommen. Die US-Börsen schlossen am Mittwoch einheitlich mit deutlichen Kursgewinnen. Der Dow Jones legte ebenso zu wie der breiter gefasste S&P-500 Index und der technologielastige NASDAQ Composite Index.

Fed-Präsidentin Janet Yellen habe „die bestvorbereitete Zinserhöhung der Geschichte vollzogen“, schrieb Marktexperte Daniel Saurenz von Feingold Research. „Mit der Aussicht auf eine positive US-Wirtschaft und mögliche, aber längst nicht sichere Zinsschritte 2016 können die Investoren gut leben.“ „Endlich ist es geschafft“, kommentierte Harm Bandholz, der US-Chefökonom der UniCredit, die Zinserhöhung.

Mit Nullzinsen gegen die Finanzkrise

Angesichts der Finanzkrise hatte die Fed den US-Leitzins Ende 2008 auf das Rekordtief von null bis 0,25 Prozent gesenkt. Daneben kaufte die Fed in mehreren Runden Staats- und Hypothekenanleihen auf und pumpte so mehr als drei Billionen Dollar (2,7 Billionen Euro) in den Wirtschaftskreislauf. Die Anleihenkäufe hatte die Zentralbank bereits im Herbst vergangenen Jahres auslaufen lassen.

Weltweite Auswirkungen

Peter Brezinschek, Chefanalyst bei Raiffeisen International, erklärt die Folgen der Leitzinserhöhung für die Weltwirtschaft.

Nach einer Erholung der US-Wirtschaft und stabilen Daten vom Arbeitsmarkt sah die Fed nun den Moment für eine Wende hin zu einer Normalisierung ihrer Geldpolitik gekommen. Yellen sagte am Mittwoch, die Entscheidung beende die „außergewöhnliche“ Zeit der Nullzinsen nach der Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Zentralbank trug mit dem vielen billigen Geld dazu bei, dass die Wirtschaft wieder in Tritt kam und nun rundläuft. Yellen hatte die Finanzmärkte zuletzt schon auf die Anhebung eingestimmt und signalisiert, dass sie die Zügel weiter behutsam anziehen will.

Yellen: US-Konjunktur wird weiter anziehen

Weitere Zinserhöhungen in den USA werden nach den Worten der Fed-Chefin vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen. Die erste Anhebung seit fast zehn Jahren spiegle Fortschritte auf dem Arbeitsmarkt wider, sagte Yellen am Mittwoch in Washington. Sie stehe auch für die Erwartung, dass es mit der US-Konjunktur weiter bergauf gehe.

Grafik zur Entwicklung des Leitzins

APA/ORF.at

Auf dem Arbeitsmarkt gebe es noch immer Verbesserungsmöglichkeiten, ergänzte Yellen. Die Normalisierung der Geldpolitik werde „graduell“ erfolgen. Bei stärkeren Wachstumsraten oder einer höheren Inflation werde es deutlichere Schritte geben, im gegenteiligen Szenario langsamere Zinserhöhungen.

Euro und Dollar könnten sich annähern

Anders als in den USA ist in der Euro-Zone der Nullzins längerfristig zementiert. Daher dürfte die Gemeinschaftswährung wohl tendenziell weiter abwerten. Hiervon profitieren die Exporteure aus der Euro-Zone, da ihre Produkte im Dollar-Raum günstiger werden.

BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels erwartet auf lange Sicht, dass der Euro unter die im März ereichten Jahrestiefstände von rund 1,05 Dollar rutschen wird. Andere Börsianer sehen den Euro sogar erstmals seit 2002 wieder unter der Marke von einem Dollar, der sogenannten Parität. Aktuell kostet die Gemeinschaftswährung rund 1,09 Dollar.

Für die Geldpolitik in Europa werden indes keine unmittelbaren Konsequenzen erwartet. „Die erste Straffung der US-Leitzinsen seit dem Jahr 2006 markiert sicher einen historischen Wendepunkt, das allgemeine Zinsniveau wird sich dadurch aber kaum ändern“, sagte der Chefvolkswirt des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, Klaus Wiener. „Die Kapitalmarktzinsen im Euro-Raum werden wohl noch für sehr lange Zeit auf ihrem extrem niedrigen Niveau verharren.“

„Auftakt zur Normalisierung der Geldpolitik“

Die Entscheidung der Fed sei ein „historischer Moment“, kommentierte David Folkerts-Landau, Chefökonom der Deutschen Bank, gegenüber Reuters. „Die Zinsanhebung markiert das offizielle Ende der globalen Finanzkrise für die USA und bildet den Auftakt zu einer Normalisierung der amerikanischen Geldpolitik“, so Folkerts-Landau.

Der Chefökonom der Münchener Rück, Michael Menhart, sieht in der Entscheidung der Fed den „lange erwarteten Einstieg in eine restriktivere Geldpolitik“. Für nächstes Jahr sei mit weiteren Zinsschritten zu rechnen. Menhart rechnet damit, dass die Fed mit ihrer Entscheidung erst einmal „alleine bleiben“ wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) habe ihre expansive Geldpolitik erst vor Kurzem ausgeweitet.

China befürchtet Konsequenzen für Handel

China rechnet mit Auswirkungen der US-Zinserhöhung auf den Handel. Wie hoch, genau sei derzeit noch nicht abzusehen, teilte das Handelsministerium am Donnerstag mit. Dazu seien weitere Analysen nötig. Für viele chinesische Firmen wird die Zinswende in den USA wohl negative Folgen haben. Schätzungen zufolge halten die Unternehmen in der Volksrepublik rund ein Viertel ihrer Kredite in Dollar. Eine Aufwertung der US-Währung dürfte es für diese Unternehmen teurer machen, die Schulden zu bedienen.

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