Themenüberblick

„Seltsamer Idealismus“

Bisher ist in Sachen bessere Nachvollziehbarkeit und Transparenz der EU-Politik wenig weitergegangen - entgegen dem expliziten Versprechen von Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Seine Schuld ist das wohl nur bedingt, es hat auch mit den vielen akuten Krisen und internen Konfliktherden zu tun, die die Akteure in Brüssel in Atem halten.

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Fakt ist aber: Die konkreten Maßnahmen nach einem Jahr im Amt beschränken sich auf kleinere Änderungen im Transparenzregister und die Verpflichtung für Kommissare, ihre Treffen mit Lobbyisten und Interessenvertretern offenzulegen.

Initiativbericht im Ausschuss

Das EU-Parlament versucht den Druck zu erhöhen. Es beauftragte den deutschen EU-Abgeordneten Sven Giegold (Grüne), einen Initiativbericht zu Transparenz auszuarbeiten. Dieser liegt mittlerweile in der Erstfassung vor - Giegold selbst spricht vom „Bericht für saubere Politik“ - und wurde Anfang Dezember erstmals im Verfassungsausschuss debattiert. An sich ist ein Initiativbericht (entspricht in etwa einem Initiativantrag im Nationalrat, Anm.) ein zahnloses Instrument, da ein solcher Bericht für die Kommission nicht bindend ist.

In der Praxis kann ein solcher Bericht jedoch durchaus etwas bewegen, da die Kommission in der Regel vorab informell im Parlament und bei den Mitgliedsländern (Rat) vorfühlt, wie die Interessenlage ist und welchen Spielraum sie hat.

Schiffbruch vermeiden

Oberstes Ziel der Kommission ist es, dass ihre Gesetzesvorschläge nicht Schiffbruch erleiden. Der Erfolg einer Kommission bemisst sich ganz wesentlich daran, wie viele ihrer Gesetzesinitiativen durchgehen. Wenn sich abzeichnet, dass es keine Mehrheit in Rat oder Parlament geben wird, zieht die Kommission im Zweifelsfall ihren Vorschlag lieber zurück, was immer wieder vorkommt.

Timmermans-Vorschlag „bald“

Zuständig in der Kommission für das Thema Transparenz ist der niederländische Kommissar Frans Timmermans. Es war ein bewusstes Signal von Juncker, dass er den Ersten Vizepräsidenten als Zweitmächtigsten in der Kommission mit dieser Aufgabe betraute. Damit sollte die Wichtigkeit des Themas auf Junckers Agenda unterstrichen werden. Der Ex-Außenminister, der neben seiner Muttersprache Niederländisch fünf weitere Sprachen fließend beherrscht, ist Junckers Mann für heikle Aufgaben. So verhandelt er auch den EU-Türkei-Pakt in Sachen Flüchtlinge federführend mit.

Timmermans hatte nach Amtsantritt einen Vorschlag für ein erweitertes Transparenzregister, in dem sich Lobbyisten eintragen müssen, angekündigt. Erwartet wird, dass dieses nun Anfang nächsten Jahres präsentiert wird. Anders als das bisherige Register soll es neben EU-Parlament und -Kommission auch für den Rat, also die Vertreter der EU-Staaten in Brüssel, gelten. Die spannende Frage ist, wie verpflichtend es für Lobbyisten wird und ob Verstöße mit abschreckenden Sanktionen belegt werden.

Parlament will Pflöcke einschlagen

Mit seinem Transparenzbericht versucht das Parlament nun, bereits vor der Präsentation von Timmermans’ Vorschlägen, Pflöcke einzuschlagen. Der Berichterstatter, der Grüne Giegold, beschäftigt sich seit Jahren mit den Themen Lobbyismus und Korruption. So sitzt er auch im „Luxleaks“-Unterausschuss, der Steuererleichterungen für Großkonzerne untersucht.

Eingang zum Rat der Europäischen Union

ORF.at/Guido Tiefenthaler

Der EU-Rat soll auch transparenter werden, fordert der Bericht des Parlaments

Transparenz statt blinden Vertrauens

In der Debatte im Ausschuss gab es breite Zustimmung zu Giegolds Bericht, doch vor allem bei einzelnen Regeln und Vorschlägen gab es Zweifel an der Umsetzbarkeit und Widerstand, so etwa bei der Frage, ob EU-Abgeordnete auch alle Treffen mit Lobbyisten offenlegen sollten. Giegold entgegnete Kritikern, er nehme teils einen „seltsamen Idealismus“ wahr nach dem Motto: Die Bürger sollten den Institutionen blind vertrauen, zu viel Transparenz zerstöre das.

Wann der Bericht im Ausschuss verabschiedet wird, steht noch nicht fest. Das hängt auch von der Anzahl an Änderungsanträgen ab und davon, inwieweit die Positionen der einzelnen Fraktionen dann auseinanderliegen. Am 29. Februar, so wurde in der Ausschusssitzung beschlossen, endet die Frist zur Einreichung von Abänderungsanträgen - „das Datum gibt es wirklich“, wie die Vorsitzende Danuta Hübner zur Sicherheit hinzufügte.

Guido Tiefenthaler, ORF.at, aus Brüssel

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