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Märchenzeit für große Kinder

„Star Wars: Das Erwachen der Macht“ ist ein Film, der alle Erwartungen von „Star Wars“-Fans erfüllt. Das ist so faszinierend wie gespenstisch - eine Zeitreise zurück zum Retrofuturismus der späten 70er Jahre.

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Über einen neuen „Star Wars“-Film zu schreiben ist heikel. Er wird von Fans erwartet wie der heilige Gral. Viel von der Handlung zu verraten und damit das Erlebnis des „ersten Mals“ zunichtezumachen, das wäre ein größeres Sakrileg, als mit Darth Vader hinter dem Rücken der Rebellen auf ein Bier zu gehen. Es folgt also ein kurzer Abriss, worum es geht - ohne jedoch viel von der Handlung zu verraten.

Die zwischen 1977 und 1983 gedrehten, ersten drei Folgen spielten in der Gegenwart der „Star Wars“-Welt. Rund um die Jahrtausendwende wurden wieder drei Folgen veröffentlicht - sie erzählten die Vorgeschichte. Jetzt, mit Teil VII, ist man wieder zurück in der Gegenwart. Er schließt also dort an, wo der dritte Teil 1983 aufgehört hat - aber nicht nahtlos.

Szene aus dem Film "Star Wars VII"

Walt Disney Pictures

Daisy Ridley als Rey: der große neue „Star Wars“-Star

Das neue Imperium heißt First Order

In Teil drei obsiegten die Rebellen über das dunkle Imperium - mit Hilfe des Jedi-Ritters Luke Skywalker. Seither sind die Jahre ins Land gezogen. Luke leidet an einem Schuldkomplex und versteckt sich irgendwo im Universum. Seine Schwester Leia - an die man sich als junge Prinzessin erinnert - führt die Rebellen an. Rebellen? Ja, es herrscht wieder eine dunkle Macht. Diesmal heißt sie nicht Imperium, sondern First Order.

Alle suchen Luke. Die Rebellen, weil er ihnen helfen soll, und die dunklen Machthaber, weil sie ihn töten wollen. Es existiert eine Karte, auf der ersichtlich ist, wie man zu ihm gelangen kann. Aber aus dieser Karte fehlt das entscheidende Puzzleteil. Es gerät durch Zufall in die Hände des abtrünnigen Storm Troopers Finn (John Boyega), der mit seinem Job bei First Order unzufrieden war und sich mit der jungen Rey (Daisy Ridley) und einem R2-D2-ähnlichen, aber kugeligen Roboter zusammengetan hat. Die drei halten zu den Rebellen - und besonders Rey wird zum neuen großen Star des „Star Wars“-Universums. So viel zu den ersten paar Minuten. Im restlichen Film geht es erstens um den Kampf der Rebellen gegen First Order und zweitens um die Suche nach Luke.

Alte Bekannte

Eigentlich geht es aber um etwas ganz anderes. Es geht darum, dass die ältesten „Star Wars“-Folgen gerade in den letzten Jahren ihren ohnehin schon unheimlichen Kultstatus noch weiter ausgebaut haben. Und Disney ist bekannt dafür, den Menschen das zu geben, was sie sich wünschen. Also scheint man sich gemeinsam mit dem übernommenen Team von Lucasfilm letztlich geeinigt und dafür entschieden zu haben, eine alte „Star Wars“-Folge zu drehen - und zwar bis zur letzten Konsequenz.

Die Zuschauer lieben Harrison Ford als Han Solo, die Figur Chewbacca und Carrie Fisher als Prinzessin Leia, R2-D2 und seinen Roboterkollegen C3PO? Dann müssen die fünf eben nach 38 Jahren wieder vor die Kamera. Ford spielt einen 73-jährigen Action-Helden, der von seiner Ex Leia sinngemäß mit „Du machst mich immer noch scharf“ angebaggert wird. Die Zuschauer lieben Darth Vader? Dann wird eben mit Kylo Ren eine Art neuer Darth Vader eingeführt, schwarze Maske inklusive.

Szene aus dem Film "Star Wars VII"

Walt Disney Pictures

Es gibt eine neue Darth-Vader-Figur: Adam Driver als Kylo Ren

Swingen in der Mos-Eisley-Bar

Die Zuschauer lieben Podracer, mit denen man über den Wüstenboden flitzen kann? Üble Schrottverkäufer? Die Mos-Eisley-Bar samt Band? Den Millenium Falcon? Todessterne? Laserschwerter? Man könnte das endlos weiterführen - fast jede einzelne Szene enthält Referenzen an die Welt von damals.

Wirklich besonders ist jedoch, dass man sich in Sachen Storytelling ebenfalls 1:1 in die späten 70er, frühen 80er Jahre begeben hat. Heute werden Drehbücher anders geschrieben. Sie müssen mehr Winkelzüge enthalten, dürfen nicht auf den ersten Blick naiv wirken. Doch Disney und schließlich auch Lucasfilm waren kompromisslos. Der Film wurde so geschrieben und ausgestattet als wäre 1978. Damals war „Star Wars“ ja schon Retrofuturismus. Heute ist es Retro-Retrofuturismus. Steampunk wurde hier zum cineastischen Prinzip erhoben.

Szene aus dem Film "Star Wars VII"

Walt Disney Pictures

Peter Mayhew als Chewbacca, der 73-jährige Harrison Ford als Han Solo

Taschentücher nicht vergessen

Freilich, der Film wurde in 3-D gedreht (solide) und die Bilder sind schärfer - weitaus schärfer als damals. Mitunter hätte man es so genau gar nicht wissen wollen. Das betrifft nicht die gealterten Schauspieler (die strahlen noch genauso wie früher), sondern die Laserschwerter. Ist der Lichtstrahl gerade nicht aktiv, sieht der Rumpf der Teile aus, als handle es sich um einen Lockenstab aus der Zielpunkt-Konkursmasse.

Kann man einem Film vorwerfen, dass er perfekt, vielleicht sogar allzu perfekt alle Erwartungen erfüllt? Das tut er nämlich. Man schwankt zwischen „gut so“ und „das kann man doch nicht machen“. Der Zuschauer bekommt wirklich, was er wollte. Eine neue alte „Star Wars“-Folge. Jedenfalls: Taschentücher ins Kino mitnehmen. Vor Wiedersehensfreude und Nostalgie muss man weinen, wenn plötzlich zum ersten Mal Han Solo und Chewie auftauchen.

Simon Hadler, ORF.at

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