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Wissende, emanzipierte Kunden gewünscht

Was derzeit in der Bankenwelt passiert, ist für den WIFO-Experten Franz Hahn eine „Digitalrevolution“. Filialen werden geschlossen, Personal abgebaut und der Privatkunde nur noch aus der „Distanz“ betreut. Bankgeschäfte werden vermehrt digital erledigt. Für den Kunden heißt das, dass er diese zunehmend selbst in die Hand nehmen muss.

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Der Sparkurs, den die Bank-Austria-Mutter UniCredit ihrer Tochter verordnet, ist symptomatisch für den Umbruch im Privatbereich des Bankensektors. Etwa 4.000 Bankfilialen gibt es derzeit in ganz Österreich, sagt Hahn im ORF.at-Interview. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren bereits spürbar zurückgegangen, wird aber weiter sinken. Hahn glaubt, dass in etwa zehn Jahren schon nur noch 1.000 Bankfilialen offen haben werden.

Kredit zum Selbergestalten

Auf den Kunden komme damit die „volle Breitseite der Digitalisierung“ zu. Mit entsprechenden Nachteilen, aber auch Vorteilen. Eine personalisierte Betreuung, wie man sie jetzt gewöhnt ist, werde es in Zukunft jedenfalls so nicht mehr geben, ist der Experte überzeugt. Eine Reihe von standardisierten Leistungen und Produkten werde personalisiert für den Kunden verfügbar sein, so Hahn. Jeder schneidert sich dann selbst seinen passenden Kredit zusammen und erstellt sich seinen persönlichen Investitionsplan. Automatisierte Software erledigt Dinge im Hintergrund, etwa die Bonitätsprüfung.

Wenn der Kontakt zur Hausbank irgendwann fast ausschließlich auf digitalem Weg erfolgt, wird dem Kunden freilich einiges abverlangt: „Er muss viel emanzipierter sein als jetzt und eine gewisse Kenntnis mitbringen“, so Hahn. Schließlich wird er damit praktisch zu seinem eigenen Bankberater und -betreuer. Ganz werden die Filialen aber auch aus Hahns Sicht nicht aussterben. Eine Grundversorgung sei freilich weiter nötig.

Neue oder auch nicht ganz so neue Möglichkeiten

Vor allem im ländlichen Bereich erwartet Hahn, dass bestehende Kooperationen mit etwa Supermärkten ausgebaut werden und einfache Bankgeschäfte über Bankautomaten erledigt werden können. Auch ähnliche Konzepte wie mit Postpartnern kann sich Hahn vorstellen. Banken würden derzeit aber auch Start-up-Entwicklungen im Bereich der Fintechs sehr intensiv beobachten. Das sind moderne Technologien im Finanzdienstleistungsbereich, beispielsweise Crowdfunding-Unternehmen. Diese seien beim Thema Know-how und Software „viel weiter“, so Hahn - erwartbar sei, dass sich Banken möglicherweise solche Unternehmen einverleibten.

Erste-Group-Chef Andreas Treichl sagte kürzlich gegenüber dem deutschen „Handelsblatt“, dass er Fintechs „zweifellos“ als Gefahr für sein Haus sieht. „Denn die kleinen Dienstleister leiden bei Weitem weniger unter den regulatorischen Vorgaben als Großbanken.“ Die Erste Group wolle aber keine Finanz-Start-ups kaufen, sondern digitale Geschäfte selbst entwickeln. „Vieles von dem, was wir machen, kopieren wir von Fintechs.“ Die Erste werde jedenfalls weiter Mitarbeiter abbauen, so Treichl. Steigen werde nur der Bedarf an hoch qualifizierten Mitarbeitern.

Wer selbst arbeitet, zahlt weniger

Die Mehrarbeit, die der Kunde durch die Digitalisierung hat, würde jedenfalls belohnt, ist Hahn überzeugt. Er prophezeit niedrigere oder in manchen Bereichen gar keine Gebühren. Denn die Banken ersparten sich schließlich enorme Personalkosten. Was den klassischen Privatkundenbereich („Retail Banking“) betrifft, werden die Banken damit immer mehr zu Direkt- oder Internetbanken, bei denen Kunden schon jetzt im Gegenzug für günstigere Produkte auf eine herkömmliche persönliche Betreuung verzichten.

Dass davon auf der Gebührenseite jetzt noch nichts zu spüren ist, obwohl viele Leistungen bereits aus der Filiale heraus in den Digitalbereich verlagert wurden, erklärt Hahn damit, dass die Banken trotz der Filialschließungen noch immer sehr hohe Fixkosten haben. Der derzeitige Personalaufwand entspreche einfach nicht der Leistungserstellung. Unberührt von dieser „Digitalrevolution“ werde jedoch der Großkundenbereich und die Vermögensverwaltung bleiben. Reiche Privat- und Firmenkunden werden also weiterhin ihren persönlichen Bankbetreuer haben.

Petra Fleck, ORF.at

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