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Wieder geschlossene Reihen in CDU

Der CDU-Parteitag hat am Montag in Karlsruhe nach einer Rede der deutschen Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel bei zwei Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen für einen Kompromissantrag gestimmt, der sich für eine spürbare Verringerung des Zuzugs von Flüchtlingen starkmacht. Einen Antrag, aus sicheren Herkunftsländern einreisende Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen, lehnten die Delegierten bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen ab.

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Den Kompromiss mit den Merkel-Kritikern hatte die CDU-Spitze am Sonntagabend ausgehandelt. Teile der CDU und die CSU hatten eine Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge gefordert. Merkel selbst hatte mit ihrer Rede die Kritiker überzeugt und damit bei dem CDU-Parteitag in Karlsruhe einen Drahtseilakt geschafft.

CDU-Delegierte halten Stimmkarten in die Höhe

Reuters/Kai Pfaffenbach

Die Delegierten ließen sich vor der Abstimmung von Merkel überzeugen

Tosender Applaus für Merkel

Sie schaffte es nach wochenlanger teils scharfer interner Kritik an ihrer offenen Flüchtlingspolitik, die Delegierten ihrer CDU wieder hinter sich zu scharen. Ihre Rede wurde mit neun Minuten Applaus der rund 1.000 anwesenden Parteimitglieder bedacht. Auch während ihrer Rede war Merkel von Applaus unterbrochen worden.

Merkel bringt CDU wieder auf Linie

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat ihre bisherige Flüchtingspolitik bei ihrer Rede am Parteitag verteidigt - und eine Kehrtwende vollzogen.

Die CDU-Chefin kündigte in ihrer Rede eine Wende in ihrer Flüchtlingspolitik an. Die Zahl der Flüchtlinge soll „spürbar“ weniger werden, so das Ziel. Niemand solle überfordert werden. Merkel machte damit allerdings keinen Kniefall vor ihren Kritikern wie dem CSU-Chef und bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Merkel distanzierte sich nicht explizit von ihrer „Willkommenspolitik“ und wiederholte ihr „Wir werden das schaffen“. Sie ordnete ihre Flüchtlingspolitik allerdings in die Traditionen der CDU-Kanzler Konrad Adenauer und Helmut Kohl ein. Politexperten sahen in Merkels Rede eine der besten in ihrer bisherigen Karriere.

Grenzen nicht schließen, aber Reduzierung

Deutschland könne trotz der hohen Zahl von Hunderttausenden Schutzsuchenden seine Grenzen nicht schließen, sagte Merkel. „Abschottung im 21. Jahrhundert ist keine vernünftige Option.“ Es stehe aber völlig außer Frage, dass die Aufnahme der vielen Flüchtlinge eine „riesige Aufgabe“ sei, sagte Merkel. „Auch ein starkes Land wie Deutschland ist auf Dauer mit einer so hohen Zahl von Flüchtlingen überfordert“, fügte sie hinzu. „Und deshalb wollen und werden wir die Zahl der Flüchtlinge spürbar reduzieren.“ Eine spürbare Reduzierung sei „im Interesse aller“, sagte Merkel. Das gelte für Versorgung und Integration in Deutschland, die Lage Europas und auch die Flüchtlinge selbst.

Angela Merkel mit Stofftier

APA/AFP/Thomas Kienzle

Merkel bekam einen Stoffwolf als Geschenk

„Denn niemand, egal warum er sich auf den Weg macht, verlässt leichtfertig seine Heimat.“ Merkel hob den Leitantrag für den Parteitag hervor, in dem nun auch auf eine mögliche Überforderung Deutschlands hingewiesen wird. Die CDU nehme die Sorgen der Menschen auf. „Aber wir sind auch die Volkspartei, die die Sorgen nicht nur aufnimmt, sondern gestaltet und Lösungen findet. Das muss unser Anspruch sein“, sagte Merkel.

„Buchstäblich vor unserer Haustür"“

Merkel verteidigte allerdings auch die Entscheidung, im September Tausende in Ungarn gestrandete Flüchtlinge ins Land zu lassen. „Das war nicht mehr und nicht weniger als ein humanitärer Imperativ“, sagte die CDU-Vorsitzende. In der Nacht, als die Regierung diese Entscheidung getroffen habe, sei „wie im Brennglas“ deutlich geworden, dass die Welt und Europa es „mit der größten Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg“ zu tun hätten.

Ursula von der Leyen, Wolfgang Schaeuble, Klaus Schueler, Angela Merkel und Thomas Strobl

APA/EPA/Michael Kappeler

Merkel unter ihren CDU-Ministern

Europa sei „in seinem Innersten herausgefordert“, sagte Merkel. „Das ist eine historische Bewährungsprobe für Europa, ich möchte, dass Europa diese Bewährungsprobe besteht.“ Was weit weg schien, komme nun „buchstäblich vor unsere Haustür“, sagte Merkel etwa mit Blick auf die Krise in Syrien und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

„Riesige Aufgabe“

„Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden“, wiederholte die CDU-Chefin eine frühere Aussage. „Ich kann das sagen, weil es zur Identität unseres Landes gehört, Größtes zu leisten“, so Merkel weiter. In Deutschland sei nach dem Zweiten Weltkrieg aus Trümmern ein Land des Wirtschaftswunders geschaffen worden. Zudem sei es gelungen, nach der deutschen Teilung „ein in der Welt hochgeachtetes Land in Einigkeit und Freiheit zu vereinen“. Es mache den Wesenskern der CDU aus, „dass wir bereit sind zu zeigen, was in uns steckt“.

Sie verwies auf den deutschen Altkanzler Kohl, der den Ostdeutschen einst „blühende Landschaften“ versprochen hatte. Kohl habe recht behalten. „Im 25. Jahr der Deutschen Einheit können wir sagen, wir haben blühende Landschaften“, sagte die CDU-Vorsitzende.

Person des Jahres für „Time“

Das US-Magazin „Time“ hatte Merkel erst kürzlich zur Person des Jahres gekürt. Ein Grund war auch jener, dessentwegen sie in der Union in letzter Zeit unter Beschuss genommen war: ihre Haltung in der Flüchtlingskrise. „Time“ verwies auf Merkels Krisenmanagement an mehreren Fronten, von ihrer Reaktion auf die Griechenland-Krise bis zur Bedrohung durch den IS. „Man kann ihr zustimmen oder auch nicht. Aber sie geht nicht den einfachen Weg“, schrieb Chefredakteurin Nancy Gibbs.

„Dafür, dass sie ihrem Land mehr abverlangt hat, als es die meisten Politiker wagen würden, für ihren Einsatz gegen Tyrannei und Opportunismus und für ihre standhafte moralische Führung in einer Welt, in der es an einer solchen mangelt, kürt ‚Time‘ Angela Merkel zur Persönlichkeit des Jahres“, begründete Gibbs die Wahl.

Führungsfigur in Europa voller Krisen

Wann immer Europa in diesem Jahr von einer Krise erschüttert worden sei, habe Merkel eingegriffen. Auf der Website des US-Magazins hieß es: „Die deutsche Kanzlerin, deren Führungsrolle geholfen hat, ein offenes Europa ohne Grenzen vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Turbulenzen und der anhaltenden Flüchtlingskrise zu fördern und zu erhalten, ist Person des Jahres 2015 der ‚Time‘.“

Angela Merkel am Cover von Time

APA/AFP/Time

Merkel auf dem „Time“-Cover als „Person of the Year“

Mittlerweile fast legendär und Zankapfel zugleich ist ihr Satz „Wir schaffen das“, ausgesprochen auf ihrer Sommerpressekonferenz Ende August in Berlin und bezogen auf die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Genauer: Deutschland sei ein starkes Land, es habe „so vieles geschafft, wir schaffen das. Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden.“ Auch US-Präsident Barack Obama gratulierte Merkel zur Auszeichnung. „Herzlichen Glückwunsch“, schrieb Obama auf Deutsch im Kurznachrichtendienst Twitter. Er nannte Merkel eine Freundin. „Danke für Deine moralische Führung und starke Partnerschaft.“

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