„Historisches Abkommen“
Nach langem Ringen ist das weltweite Klimaschutzabkommen von allen 195 beteiligten Staaten einstimmig beschlossen worden. „Ich sehe den Saal, die Reaktion ist positiv, ich höre keine Einwände“, sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, bevor er die Einigung am Samstagabend auf der UNO-Klimakonferenz in Le Bourget bei Paris per Hammerschlag besiegelte.
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„Die Pariser Vereinbarung für das Klima ist angenommen“, sagte Fabius unter dem Jubel der Delegierten. Der minutenlange Applaus spiegelte auch die Erleichterung der Delegierten wider, tatsächlich eine Einigung erreicht zu haben - noch dazu eine recht ambitionierte. Das Abkommen ist das erste Klimaschutzabkommen, in dem alle Staaten eigene Beiträge im Kampf gegen die Erderwärmung zusagen. Diese soll auf „deutlich unter zwei Grad“ begrenzt werden, möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter.

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Fabius mit UNO-Klimachefin Christiana Figueres (Mitte) und der französischen Verhandlerin Laurence Tubiana (links)
Lob für Fabius
„In Paris hat es seit Jahrhunderten viele Revolutionen gegeben. Aber heute ist die schönste und friedlichste aller Revolutionen vollbracht worden, die Revolution für den Klimawandel. Danke. Es leben die Vereinten Nationen, es lebe der Planet, es lebe Frankreich“, sagte Frankreichs Präsident Francois Hollande. „Zum ersten Mal machen sich alle Länder dieser Welt gemeinsam auf den Weg, den Planeten zu retten“, erklärte die deutsche Barbara Hendricks.
Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) sprach von einem „historischen Abkommen an einem historischen Tag“. Das Ende des fossilen Zeitalters sei eingeläutet. Auch US-Außenminister John Kerry zeigte sich enthusiastisch: „Uns allen wird es bessergehen durch dieses Abkommen, das wir hier heute geschlossen haben“. Extralob gab es für Konferenzleiter Fabius: „Laurent, du hast einen hervorragenden Job gemacht!“

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US-Außenminister mit Ex-US-Vizepräsident Al Gore
„Rettungsseil für die Welt“
Auch die EU-Spitzen würdigten die Einigung als historisches Ereignis. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte: „Heute hat die Welt ein Rettungsseil bekommen, eine letzte Chance, zukünftigen Generationen eine Welt zu hinterlassen, die beständiger ist und einen gesünderen Lebensraum mit gerechteren Gesellschaften und stärker florierenden Marktwirtschaften bietet.“
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, kommentierte: „‚Historisch‘ ist in der Politik ein häufig missbrauchtes Adjektiv, aber dieses Abkommen verdient diese Beurteilung.“ Jetzt müsse es in harter Arbeit umgesetzt und finanziert werden, so der deutsche SPD-Politiker.
Erfolgreicher Abschluss der Klimakonferenz
Zum ersten Mal bekennen sich alle 195 beteiligten Staaten vertraglich dazu, gegen die Erderwärmung anzukämpfen.
Umweltschützer loben Einigung
„Der Text, den wir vor uns haben, ist nicht perfekt“, sagte die südafrikanische Umweltministerin Edna Molewa, die für eine Gruppe von mehr als 130 Entwicklungs- und Schwellenländern einschließlich Chinas sprach. „Aber wir glauben, dass er eine solide Basis darstellt, von der wir unser verstärktes Handeln mit neuer Entschlossenheit beginnen können.“
Zahlreiche Umweltschützer werteten den Vertragstext als starkes Signal zur Abkehr von den fossilen Energien Kohle, Öl und Gas. Sie hätten sich aber früheres Handeln und mehr konkrete Verpflichtungen für die einzelnen Staaten gewünscht. Die Reaktionen der NGOS waren durchwegs positiv - sie pochen nun allerdings auf eine rasche Umsetzung.
Umsetzung bleibt Ländern überlassen
Der Vertrag sieht eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 bis zwei Grad sowie finanzielle und technische Unterstützung für Entwicklungsländer vor. Langfristig sollen nicht mehr Treibhausgase wie CO2 ausgestoßen werden, als gleichzeitig zum Beispiel von Wäldern wieder aufgenommen werden können. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger - dem 1997 geschlossenen Kyoto-Protokoll - ist das Abkommen von Paris allerdings rechtlich aber nicht bindend. Vielmehr bleibt es jeder Nation weitgehend selbst überlassen, ihre Zusagen einzuhalten.
ORF-Wissenschaftsredakteur Mayr zu Klima-Zielen
Die Ziele der Klima-Konferenz sind sehr ehrgeizig. Doch wie realistisch sind sie? ORF-Wissenschaftsredakteur Günter Mayr erläutert die Ziele.
Vage Formulierung bei Hilfe für ärmere Länder
Da die bisher vorliegenden nationalen Emissionsziele zum Erreichen der Ziele nicht ausreichen, sollen sie ab 2023 alle fünf Jahre überprüft werden. Laut einer ebenfalls beschlossenen ergänzenden Entschließung soll es zudem bereits 2018 eine erste informelle Bestandsaufnahme geben.
Festgeschrieben wird auch das Versprechen der Industriestaaten, den Ländern des Südens jedes Jahr hundert Milliarden Dollar für Klimaschutz und Anpassung zur Verfügung zu stellen. Diese Summe solle der Basiswert für die Zeit ab 2020 sein, eine neue Zahl „wird spätestens 2025 festgelegt werden“. Allerdings steht auch dies nur in der Entschließung. Im Vertragstext bekennen sich die Industriestaaten allgemein zu gegebenen Verpflichtungen. Hintergrund sind sonst drohende Ratifizierungsprobleme in den USA.
Letzte Runde mehrmals verschoben
Über den Vertrag war zwei Wochen lang unter Leitung Frankreichs verhandelt worden. Zuletzt brauchte es drei Verhandlungsnächte und eine Verlängerung um einen Tag. Auch die letzte Verhandlungsrunde war mehrmals verschoben worden. Erst kurz nach 19.00 Uhr - mehrere Stunden nach dem geplanten Beginn - wurde sie eröffnet.
Der Hintergrund war, neben einigen anderen weniger bedeutsamen Ungereimtheiten, die Frage von „shall“ und „should“. „Entwickelte Länder sollen weiterhin die Führung übernehmen bei die gesamte Wirtschaft betreffenden Zielen zur Senkung der Emissionswerte“, hieß es in dem den Delegierten vorliegenden Text. Dort hätte aber „sollten“ stehen müssen, reklamierte die US-Delegation.
„Shall“ (sollen) wäre eine bindende Verpflichtung, die für das ganze Abkommen eine Ratifizierungspflicht durch den US-Kongress auslösen könnte, wo das Klimaabkommen so gut wie sicher an der Mehrheit der Republikaner scheitern würde. „Should“ (sollten) ist dagegen eine weniger verbindliche Aufforderung. Genau deswegen hätte eine Reihe von Schwellen- und Entwicklungsländern an dieser Stelle tatsächlich lieber „shall“ gehabt - sie wollten daran dann aber das Abkommen doch nicht scheitern lassen. Nach Sitzungsbeginn folgte die Einigung binnen Minuten.
Dramatische Appelle
Stunden zuvor war der Vorschlag für das Abkommen präsentiert worden. In dramatischen Appellen wurde um die Unterschriften der zögerlichen Länder geworben. Mit deutlichen Zeichen der Erschöpfung traten zu Mittag UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon und Fabius als Gastgeber des Gipfels vor die Presse. Demonstrativ fanden sich auch Umweltminister jener Länder ein, die für ein „hochambitioniertes“ Klimaabkommen eingetreten waren. Tatsächlich dürfte der Entwurf den Bremsern einiges abverlangen. Ban verlangte von ihnen „Mut“ zur Unterschrift, die über das Leben von Milliarden Menschen entscheiden werde.
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Ban Ki Moon emotional
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon war bei der Präsentation des Abkommentexts ungewöhnlich emotional.
Ungewohnt emotional
Nun sei die „Zeit gekommen, anzuerkennen, dass nationalen Interessen am besten gedient ist, indem man im internationalen Interesse handelt“, so Ban. Der Vertrag sei zwar „ambitioniert“, aber auch „realistisch“. Nun sehe die ganze Welt zu: „Wir müssen tun, was uns die Wissenschaft vorschreibt. Wir müssen den Planeten schützen, der uns erhält. Wir brauchen alle Mann an Bord“, sagte Ban in einem ungewohnt emotionalen Appell.
Ebenso leidenschaftlich warb Fabius für seinen finalen Entwurf eines Weltklimavertrags. Sein Vorschlag sei ehrgeizig, ausgewogen und rechtlich bindend, sagte der französische Außenminister am Samstag mit brüchiger Stimme und sprach von einem „historischen“ Moment. Der Text enthalte wichtige Fortschritte, die viele vorher für unmöglich gehalten hätten.
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