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Abkehr vom Kurs der alten Regierung

Mehr Engagement für den Klimaschutz, Steuersenkungen für die Mittelschicht, eine bessere Zusammenarbeit mit den kanadischen Ureinwohnern, schärfere Waffengesetze und die Legalisierung von Marihuana. Die Liste der Projekte von Kanadas neuer Regierung ist lang - und Justin Trudeau, der frisch angelobte Premierminister, lässt kaum Zweifel daran, dass er sich mit der Umsetzung nicht viel Zeit lassen will.

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Trudeau hatte mit seiner Liberalen Partei im Oktober überraschend deutlich die Wahlen in dem zum britischen Commonwealth gehörenden Land gewonnen. Der 43-Jährige hatte Stephen Harper von den Konservativen nach zehn Jahren aus dem Amt gedrängt. Er ist der Sohn des 2000 verstorbenen Pierre Trudeau, der als Premier Kanada in den 70er Jahren geprägt hatte.

„Die Kanadier haben eine Regierung gewählt, die uns zusammenbringen und nicht gegeneinander ausspielen soll“, sagte der Generalgouverneur von Kanada, David Johnston, der Anfang Dezember vor dem Parlament in Ottawa traditionsgemäß die Regierungserklärung des Premierministers vorlas.

Viele Neulinge im Kabinett

Trudeaus Kabinett besteht aus vielen Neulingen und wurde international viel für seine Diversität gelobt. Außenminister ist Stephane Dion, der für die Liberale Partei seit Jahrzehnten einflussreiche Posten bekleidet hatte. Der in Indien geborene Harjit Sajjan wurde als Verteidigungsminister angelobt, er ist Offizier und trug als Sikh zur kanadischen Uniform bei der Zeremonie einen traditionellen Turban. Der Geschäftsmann Bill Morneau wurde als Finanzminister vereidigt. Jody Wilson-Raybould, eine Nachfahrin der Ureinwohner Kanadas, wurde Justizministerin.

„Positive Politik“ mit Bereitschaft zur Verschuldung

Trudeau hatte seinen Wählern eine „positive Politik“ versprochen und will sich vor allem auf die Mittelklasse konzentrieren. Reiche sollen unter ihm höhere Steuern zahlen, staatliche Konjunkturspritzen sollen die Wirtschaft ankurbeln. Dafür will Trudeau auch neue Staatsschulden in Kauf nehmen. In einem seiner ersten Schritte hatte er die Flugzeuge der kanadischen Luftwaffe von den Einsätzen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) abgerufen.

Kanadas Premier Justin Trudeau und sein Kabinett

Reuters/Chris Wattie

Justin Trudeau (vorne Mitte) mit seinem neuen Kabinett

Auch in der Flüchtlingsfrage hielt sich Trudeau an seine Wahlkampfansage, 25.000 Flüchtlinge in seinem Land aufzunehmen. Ende November eröffnete Kanada nahe der jordanischen Hauptstadt Amman ein erstes Registrierungszentrum für syrische Flüchtlinge.

„Werden uns alle an diesen Tag erinnern“

Der neue Premierminister ließ es sich nicht nehmen, die ersten ankommenden Flüchtlinge Mitte Dezember selbst zu begrüßen. „Wir werden uns alle an diesen Tag erinnern“, sagte Trudeau. Die Menschen, die als Flüchtlinge aus dem Flugzeug gestiegen seien, würden den Flughafen mit einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis, einer Sozialversicherungsnummer und einer Gesundheitskarte verlassen - und mit der Aussicht, kanadische Staatsbürger zu werden.

Kanadas Premier Justin Trudeau mit syrischen Flüchtlinge

APA/AP/The Canadian Press/Nathan Denette

Trudeau (l.) begrüßte die ersten syrischen Flüchtlinge persönlich auf dem Flughafen

Nach Angaben von Einwanderungsminister John McCallum sollen bis Ende Dezember die ersten 10.000 Flüchtlinge aus Lagern in Jordanien, dem Libanon und der Türkei abgeholt werden. Die rund 15.000 weiteren Flüchtlinge sollen im Jänner und Februar folgen.

Eigentlich wollte die Regierung in Ottawa alle Flüchtlinge noch in diesem Jahr nach Kanada holen. Im November ruderte sie aber zurück und begründete die verspätete Aufnahme mit Logistik- und Sicherheitsgründen. Nach den Anschlägen in Paris mit 130 Toten, zu denen sich der IS bekannt hatte, hatten viele Kanadier eine Sicherheitsüberprüfung der Flüchtlinge gefordert.

Bessere Beziehung zu Ureinwohnern

In einer Abkehr von der Politik der Vorgängerregierung kündigte Trudeau auch eine Untersuchung zum Tod oder Verschwinden von knapp 1.200 indigenen Frauen an. „Ich habe versprochen, dass ich in den kommenden Jahren Ihr Partner sein werde“, sagte Trudeau vor Vertretern verschiedener Indianerstämme. Es sei Zeit für eine Neuauflage der Beziehungen zu den Ureinwohnern.

Angesichts der Vielzahl an ermordeten oder verschwundenen Frauen in der indianischen Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten hatte es bereits seit Langem Forderungen nach Untersuchungen gegeben. Das Schicksal der Frauen ist in vielen der 600 indigenen Gemeinden in Kanada eine offene Wunde. Immer wieder gab es Vorwürfe, Mordermittlungen seien schlampig geführt worden und bei der Aufklärung der Schicksale von Vermissten habe es Versäumnisse gegeben.

Trudeau kündigte nun neben den Untersuchungen auch zusätzliche Investitionen in die Bildung unter den Angehörigen der Ureinwohner an sowie die Umsetzung der UNO-Erklärung zu den Rechten indigener Völker. Als einzige Länder hatten Kanada, Australien, die USA und Neuseeland 2007 gegen die Erklärung gestimmt.

Cannabis wird legalisiert

Ein weiteres Wahlkampfversprechen, die Legalisierung von Cannabis, steht auf Trudeaus Agenda. Im Laufe des kommenden Jahres sollen dazu die entsprechenden Gesetze beschlossen werden. Trudeau hatte im Wahlkampf zugegeben, dass er auch selbst schon „fünf- oder sechsmal“ Cannabis geraucht habe, darunter einmal im Jahr 2010, als er bereits im Parlament war.

Allerdings hatte eine liberale Vorgängerregierung im Jahr 2004 schon einmal versucht, den Konsum der Droge zu legalisieren und hatte das letztlich vor allem auf Druck der USA aufgegeben. Inzwischen gibt es aber auch vier US-Bundesstaaten, die den Konsum von Cannabis erlaubt haben.

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