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Premiere in der Golfmonarchie

Die Kommunalwahl am Samstag ist ein Meilenstein für Saudi-Arabien: Zum ersten Mal in der Geschichte des reaktionären islamischen Königreichs können sich auch Frauen aktiv und passiv an einer Wahl beteiligen. Der Akt ist ein Schritt nach vorne - trotzdem steht dem Kampf für Frauenrechte noch ein langer Weg bevor.

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Rund 865 Frauen stellen sich als Kandidatinnen bei der Abstimmung über die Lokalräte zur Wahl. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Landes, dass Frauen als Kandidatinnen und als Wählerinnen an einer Abstimmung teilnehmen.

Wahl praktisch unbedeutend

Der im Frühjahr verstorbene König Abdullah hatte 2011 im Rückenwind des „arabischen Frühlings“ die Teilnahme von Frauen an Wahlen per Erlass möglich gemacht und sich damit den Einsprüchen religiöser Hardliner widersetzt. Diese warnen seitdem vor „moralischem Übel“. Frauen spielen im politischen Leben des sunnitisch-wahhabitischen Königreichs praktisch keine Rolle.

Aljazi al-Hussaini

APA/AFP/Fayez Nureldine

Eine Kandidatin mit einer Teilnahmelizenz

Auf das Leben von Frauen und deren Rechte hat die Kommunalwahl kaum praktische Auswirkungen. Auch die Macht der zuletzt 2011 gewählten 284 Lokalräte ist begrenzt - die Befugnisse reichen über Straßenbau, öffentliche Anlagen und Müllabfuhr kaum hinaus. Zwei Drittel ihrer Mitglieder werden durch Wahlen bestimmt, der Rest wird ernannt.

Nur wenige Frauen registriert

Die symbolische Bedeutung der Wahl hingegen sei groß, so Adam Coogle von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Trotzdem ist das Interesse an der Wahl auch bei der weiblichen Bevölkerung gering. „Viele Frauen haben sich gar nicht erst registriert“, sagte Muna Abu Sulaiman, eine saudische TV-Persönlichkeit und Aktivistin. Laut offiziellen Zahlen sind von den 1,6 Millionen registrierten Wählern nur 136.000 Frauen - in einem Land mit einer weiblichen Bevölkerung von rund 12,6 Millionen. Das sind rund zehnmal weniger registrierte Frauen als Männer.

Lob und Kritik

Für viele Menschrechtler ist das neue Wahlrecht ein wichtiger Schritt nach vorne. Kritiker sehen darin jedoch nur einen halbherziger Versuch, die Frauen im Land zu beschwichtigen.

Laut der saudischen Frauenrechtlerin Ludschain al-Hathlul boykottierten einige Frauen die Wahl von Anfang an - aus Unzufriedenheit mit dem Status quo. „Sie hatten das Gefühl, es ist nur ein Versuch, uns Frauen zu besänftigen.“ Hathlul und mehrere weitere Frauen wurden ohne klare Begründung von der Liste gestrichen, weil sie sich für eine Erlaubnis für Frauen am Steuer einsetzen. Hathlul legte erfolgreich Berufung ein.

Andere Kandidatinnen seien unter anderem von religiösen Gelehrten unter Druck gesetzt worden und hätten ihre Kandidatur in weiterer Folge zurückgezogen, berichtete die Nachrichtenagentur AFP. Hathlul spricht sich trotzdem für die Wahl aus: „Ich sehe die Wahl als große Chance, die Rechte der Frauen voranzubringen - und Frauen zu zeigen, wie es sich anfühlt, gleichberechtigt zu sein“, sagte sie.

Nach Geschlecht getrennter Wahlkampf

Für jene, die dem Druck standhalten, erweist sich der Wahlkampf als Kraftakt. Wegen der strikten Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit ist er für die Kandidatinnen eine besondere Herausforderung. Männer und Frauen müssten getrennte Veranstaltungen abhalten, so Coogle.

Befinden sich Frauen auf Männerveranstaltungen, müssen sie sich hinter einer Barriere in einem Teilbereich aufhalten und sich durch einen männlichen Sprecher vertreten lassen, berichtete der „Guardian“. Viel Wahlkampf erfolgt über Soziale Netzwerke. Bilder der Kandidaten sind für beide Geschlechter verboten, TV-Werbung ist ebenfalls tabu.

Hürden auch bei Stimmabgabe

Auch die Stimmabgabe kann sich für Frauen als schwierig erweisen. „Wenn ein Mann eine Frau davon abhalten möchte zu kandidieren oder zu wählen, gibt es so viele Wege, wie er das tun kann“, sagte Coogle. Wegen des Fahrverbots seien Frauen logistisch auf Männer angewiesen. Auch müssten Wählerinnen bei der Registrierung einen Nachweis über ihren Wohnsitz vorlegen, der auf ihren Namen ausgestellt ist - eine Herausforderung in einem Land, in dem Frauen ohne einen Mann nur schwer Mietverträge abschließen oder Häuser kaufen können.

All diese Missstände zur Wahl werden von Menschenrechtsorganisationen angekreidet. „Die Regierung sollte die Probleme lösen, die es Frauen schwermachen, sich zu beteiligen und auf diesen Prozess aufzubauen“, forderte HRW. Laut HRW berichteten Aktivisten, es habe zu wenige Registrierungszentren für Frauen gegeben, die zudem teilweise schwer erreichbar gewesen seien.

Sieg von nur einer Frau „genug“

In der Golfmonarchie wird die Scharia, das islamische Recht, sehr streng ausgelegt. Das hat etwa zur Folge, dass Frauen ohne Zustimmung ihres Vaters, Bruders oder Onkels selbst fast keine Entscheidungen treffen können. Selbst die Wahl der Arbeit oder eine Auslandsreise muss erst durch ein männliches Familienmitglied genehmigt werden. Und den Pass der Ehefrau kann der „Herr im Haus“ im Internet im Handumdrehen annullieren lassen. Verschleierung ist Pflicht, Autofahren immer noch verboten.

Trotz allem schöpfen Befürworter auch aus dem kleinen Schritt nach vorne Hoffnung. So sagte der Politikwissenschaftler Abdelchalik Abdullah aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gegenüber dem „Guardian“, dass es sich bei der Wahl um „einen historischen Tag“ handle. Es sei genug, wenn nur eine Frau gewinne.

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