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Blockbuster und verborgene Schätze

Für die milliardenschwere Videospielbranche ist das Geschäft zu Weihnachten der Höhepunkt des Jahres. Mit großen Namen und viel Marketing wird um die Aufmerksamkeit der Spieler gebuhlt, doch nicht alle angepriesenen Titel sorgen für den versprochenen Spielspaß. Abseits der großen Blockbuster lassen sich viel Innovation und packende Geschichten finden.

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Die größten Spieleverkaufsschlager des Jahres bieten meist wenig Raum für neue Ideen: Mit Budgets, die an Hollywood-Produktionen heranreichen, halten die Hersteller an bewährten Erfolgsrezepten fest, um die Kosten möglichst sicher wieder einzuspielen. Nicht immer geht diese Taktik auf: Das sehnsüchtig erwartete „Star Wars Battlefront“ musste erst kürzlich wegen seines Geschäftsmodells Kritik einstecken: „Zu teuer, zu wenig Inhalt“ monierten enttäuschte Fans.

Postapokalyptische Weihnachtszeit

An „Fallout 4“, ebenfalls eine Fortsetzung, führt hingegen für Interessierte kaum ein Weg vorbei. Das Rollenspiel wurde von der Fachpresse mit Lob überhäuft und hat eine breite Fanbasis. Das Setting verbreitet eher wenig Weihnachtsstimmung: Nachdem große Teile der Zivilisation durch einen Atomkrieg ausgelöscht wurden, verweilen die Überlebenden in den Ruinen einst großer Städte und sind von Misstrauen durch den täglichen Überlebenskampf geprägt.

Screenshot aus dem Spiel "Fallout 4"

Bethesda

Auch mit Weihnachtsdekoration noch unheimlich: „Fallout 4“ zeigt eine düstere Zukunftsvision

„Fallout“ führt den Spieler quer durch das postapokalyptische Boston: Während die Protagonistin auf der Suche nach ihrem Sohn und dessen Entführern ist, wartet an jeder Ecke der virtuellen Stadt eine Vielzahl an Aufgaben, die vom eigentlichen Ziel ablenken. Die Geschichten, die Haupt- und Nebenschauplätze dabei erzählen, verdichten sich nach und nach zu einer glaubwürdigen Welt, in der viel - echte - Zeit verbracht werden kann.

Rollenspiel-Hommage mit Charme

Als Geheimtipp startete hingegen das kleine Projekt von Toby Fox, der sein Spiel „Undertale“ mittels Crowdfunding finanzierte. Mittlerweile wird es selbst vom Feuilleton wahrgenommen und zählt laut „Time“ zu den besten Spielen des Jahres. Bemerkenswertes Detail: Der erst 24-jährige Fox entwickelte das Spiel komplett im Alleingang, zeichnet für den Programmcode, die Zeichnungen und den stimmigen Soundtrack verantwortlich.

„Undertale“ bewegt sich zwischen Persiflage und Hommage auf die populärsten Rollenspiele der 90er und wird vor allem die Herzen jener Spieler höher schlagen lassen, die ihre Jugend vor Super Nintendo und Co. verbrachten. In der Geschichte rund um ein Kind, das eine magische Reise nach Hause antritt, bleibt es dem Spieler überlassen, ob er seine Gegner besiegt oder verschont. Keine Entscheidung bleibt ohne Konsequenzen.

Screenshot aus "Undertale"

Toby Fox

Statt auf aufwendige Grafik setzt „Undertale“ auf Retro-Charme

Puzzlespiele zwischen Philosophie und Krimi

Abseits großer Namen geht es nachdenklicher zu: Obwohl ursprünglich schon 2014 erschienen, feierte das mehrfach prämierte Spiel „The Talos Principle“ erst vor Kurzem sein Debüt auf Sonys PlayStation und erreicht damit rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft viele neue Spieler. Der Titel wird von dessen kroatischem Entwicklerteam als „Philosophisches Puzzlespiel“ beschrieben und stellt existenzielle Fragen in den Raum, die die Spieler für sich selbst beantworten müssen.

Sofern dafür Zeit bleibt: Auf der Suche nach dem richtigen Weg (ein buchstäblicher virtueller Selbstfindungstrip), gilt es, Rätsel zu lösen und gefährlichen Drohnen auszuweichen. Hinter verschlossenen Türen und anderen Hindernissen warten zahlreiche weitere Aufgaben, die relativ simpel anfangen, den Spieler aber zunehmend an komplexere Herausforderungen heranführen.

Große Spiele auch fürs Handy

In „Her Story“ wird die Lösung eines Kriminalfalls komplett den Spielern überlassen - wahlweise auch unterwegs am Smartphone. Als Werkzeug steht eine einfache Suchmaske zur Verfügung, mit der ein virtuelles Archiv mit Polizeiinterviews nach Hinweisen durchforstet werden kann. Die Informationen aus den Videoclips von Zeugin Hannah müssen selbst zu einem Handlungsstrang zusammengefügt werden, um so das mysteriöse Verschwinden ihres Ehemanns zu klären - unerwartete Plot-Twists inklusive.

Screenshot aus dem Spiel "Her Story"

Sam Barlow

In „Her Story“ wird Schreibtischarbeit zum packenden Krimi

Damit setzt das Spiel auch einen Schlussstrich unter das prekäre Verhältnis, das - über viele Jahre hinweg - Film und Videospiele verband. Vor allem in den 90ern waren Schauspieleinlagen keine Seltenheit, um die Multimediafähigkeiten moderner Computer zu demonstrieren. Die Ergebnisse waren oft weit unter B-Movie-Niveau. „Her Story“ gelingt mit Viva Seifert als Protagonistin ein Glücksgriff - trotz schmalen Budgets wird die schauspielerische Leistung nicht zur Lachnummer.

Spaß und Chaos für zwei (und mehr)

Dem Klischee von der Vereinsamung vor dem Bildschirm versuchen Entwickler schon seit Jahren entgegenzuwirken. Den schnellen Spaß für zwischendurch bieten Spiele, die auf komplizierte Regeln verzichten. „Rocket League“ ist eines davon und in drei Worten erklärt: Fußball mit Autos. Der Einstieg gelingt schnell und erlaubt bis zu vier Spielern, vor einem Fernseher gegeneinander anzutreten. Um den „Sport“ zu meistern und auch im Onlinemodus bestehen zu können, braucht man aber viel Übung.

Screenshot aus dem Spiel "Rocket League"

Psyonix

Autos mit Hüten: „Rocket League“ ist eine rasante Fußballvariante

Die Spiele im Überblick

Alle Titel sind über digitale Verkaufsplattformen erhältlich. Altersfreigaben der PEGI, sofern vorhanden, stehen in Klammer.

  • Fallout 4. Bethesda Softworks, PC, PS4, XBO, ab 49,99 Euro (PEGI 18)
  • Her Story. Sam Barlow, PC, iOS, ab 4,99 Euro
  • Keep Talking and Nobody Explodes. PC, Samsung Gear VR, ab 14,99 Euro
  • Rocket League. Psyonix, PC, PS4, XBO, ab 19,99 Euro (PEGI 3)
  • The Talos Principle. Croteam, PC, PS4, ab 39,99 Euro (PEGI 7)
  • Undertale. Toby Fox, PC, ab 9,99 Euro

Binnen weniger Wochen avancierte „Rocket League“ zu einer eigenen eSports-Disziplin, befeuert durch eine ausgeklügelte Vermarktungsstrategie: Das Spiel erschien im Rahmen von Sonys PlayStation-Plus-Abo für Mitglieder kostenlos - und fand auf Anhieb Tausende Spieler. Die Fachpresse zog Vergleiche zu herkömmlichen Fußballspielen - und attestiert dem Autoäquivalent mehr Realismus als klassischen Fußballtiteln wie „FIFA“, da das Geschick der Spieler, und nicht das ihrer virtuellen Vertreter, über Sieg oder Niederlage entscheidet.

Bomben entschärfen im Blindflug

Dass ein Spiel auch unterhaltsam sein kann, wenn sich gar niemand auskennt, beweist „Keep Talking and Nobody Explodes“: Ziel des Spiels ist es, zu zweit eine Bombe zu entschärfen. Dafür sitzt einer der Spieler vor dem Bildschirm und erklärt seinem Partner, was gerade passiert. Dieser darf allerdings selbst nicht hinsehen und ist nur mit einer gedruckten Anleitung ausgerüstet, in der sich die passende Lösung verbirgt - die erst unter Zeitdruck gefunden werden muss.

Screenshot aus dem Spiel "Keep Talking and Nobody Explodes"

Steel Crate Games

„Keep Talking and Nobody Explodes“: Das Anleitungsheft wird zum Lebensretter

Das Spielgeschehen entwickelt sich mit fortschreitendem Countdown immer mehr zum kompletten Chaos - zumindest zu Beginn, wenn die meisten Mechanismen wie unüberwindbare Hürden wirken. Für den angehenden Hobby-MacGyver ist „Keep Talking and Nobody Explodes“ die richtige Wahl. Um zu bestehen, brauchen die Spieler räumliches Vorstellungsvermögen und ein gutes Gedächtnis, aber vor allem jede Menge Stressresistenz. Nichts für schwache Nerven ist deshalb auch die Empfehlung des Herstellers, am besten ein Virtual-Reality-Headset zu verwenden - damit soll das Erlebnis noch intensiver werden.

Florian Bock, ORF.at

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