Einfach und ergiebig für Regierung
Sie ist Österreich und vielen anderen europäischen Ländern die wichtigste Steuerquelle - und hat eine lange Geschichte: die Umsatz- oder Mehrwertsteuer.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Die allgemeine Umsatzsteuer hat den großen Vorzug, dass mit verhältnismäßig geringen Kosten für die Verwaltung und ohne wesentliche Belästigung der Steuerpflichtigen sehr große Summen aufgebracht werden können“, lobte bereits 1928 Johannes Popitz, der Schöpfer der deutschen Umsatzsteuer, dieselbe.
Das sind bis heute aus Sicht des Staates überzeugende Argumente. Dazu kommt noch, dass die gesamte Bevölkerung davon betroffen ist und damit entsprechend hohes Steueraufkommen garantiert. Und der Widerstand gegen die Steuer ist vergleichsweise gering, da sie im Preis der Produkte inkludiert ist. Angesichts des steigenden Geldbedarfs der Staaten und der Unwilligkeit der Bürger, weitere Steuern zu akzeptieren, sei das ein „nicht unbedeutendes“ Argument, hieß es bereits im „Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften“ 1980. Kein Wunder, dass sich die Mehrwertsteuer schon seit Langem bei den Herrschenden großer Beliebtheit erfreut.
Direkt versus indirekt
Im Gegensatz etwa zur Lohnsteuer, die eine direkte Steuer (also vom Besteuerten direkt zu entrichten) ist, handelt es sich bei der Mehrwertsteuer um eine indirekte Steuer (Endkunden zahlen die Steuer, abgeführt wird sie von den Unternehmen).
Pro Verbrauch statt pro Kopf
Während im Römischen Reich die Kopf- und Grundsteuer die beiden Pfeiler der Staatseinnahmen ausmachten, war das Steuersystem im Mittelalter deutlich weniger einheitlich. Wegen der Kleinteiligkeit der Herrschaften und fehlender aktueller Bevölkerungsmatrikel gab es im Mittelalter keine klassische Kopfsteuer. Dafür erhielten die Aczisen ab dem 13. Jahrhundert immer größere Bedeutung.
Das war eine Verbrauchssteuer auf Getränke und Lebensmittel. Ursprünglich von den Städten eingehoben, wurden die sehr erfolgreichen, weil vergleichsweise leicht einzutreibenden und ergiebigen Aczisen später auch von den Landesherren eingeführt.
Ab dem 17. Jahrhundert wurden sie teils sogar zur Haupteinnahmequelle: Die Landesherren entdeckten rasch, was für ein „Wundermittel“ für den - nicht zuletzt wegen Kriegen - ständig steigenden Finanzbedarf sie waren. Aus dieser Zeit stammen etwa die Tabak- und Alkoholsteuer, die es bis heute weiter gibt. Ab dem 19. Jahrhundert verloren Aczisen gegenüber der Einkommensteuer an Bedeutung, erlebten aber im 20. Jahrhundert in Gestalt der Mehrwertsteuer eine Renaissance.
Steuer finanzierte Ersten Weltkrieg
Um die enormen Kriegskosten finanzieren zu können, führte das Deutsche Reich 1916 - zusätzlich zu den in den einzelnen Ländern bestehenden Verbrauchssteuern - einen „Warenumsatzstempel“ ein. Dieser belegte die Warenumsätze von Gewerbe und Landwirten mit einem Prozent. 1918 wurde diese Abgabe in eine „Bruttoallphasensteuer“ umgewandelt.
1917 folgte Frankreich, 1919 Italien, 1921 Belgien, 1940 Großbritannien und 1941 die Schweiz mit einer allgemeinen Umsatzbesteuerung. Die deutsche Bruttoallphasensteuer wurde zum Vorbild für viele europäische Länder und ist letztlich historisch ein Übergangsmodell zur modernen Mehrwertsteuer, wie sie erstmals Frankreich 1954 einführte.
Links: