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Von Pyramiden und Waffen

Die republikanischen US-Präsidentschaftsbewerber Ben Carson und Donald Trump liegen in Umfragen weit vor ihren Konkurrenten. Die Entwicklung erstaunt Beobachter, denn zu Beginn des Wahlkampfs drohte Carson dank seiner stillen Art im Getöse des US-Vorwahlkampfs unterzugehen. Doch mit ungewöhnlichen Äußerungen und einer konservativen Einstellung konnte sich der ehemalige Neurochirurg an die Spitze arbeiten.

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So viel den „Showman“ Trump und den pensionierten Neurochirurgen Carson auch trennt, eines verbindet sie: Beide verblüffen regelmäßig mit ungewöhnlichen Thesen. Erst kürzlich erneuerte Carson seine Theorie, dass nicht die Pharaonen die Pyramiden in Ägypten errichtet hätten, sondern die biblische Figur Josef: Bei den Bauwerken handle es sich um Getreidespeicher.

Während diese Behauptung als eigentümliche Vorstellung abgetan werden kann, sorgte die Äußerung, ein Muslim habe kein Recht auf das US-Präsidentenamt trotz späterer Relativierung für mehr politisches Ungemach. Und auch seine Äußerungen zum Holocaust wurden mit herber Kritik aufgenommen: Carson behauptete, das Ausmaß der Massenvernichtung wäre geringer gewesen, wenn das Volk in Deutschland zurzeit des Nationalsozialismus bewaffnet gewesen wäre.

Kampagne gegen „Political Correctness“

Als Aushängeschild der ultrakonservativen und -religiösen „Tea-Party“-Fraktion geht Carson mit dem Slogan „Heal. Inspire. Revive“ („Heile. Inspiriere. Erwecke“) ins Rennen. Dabei wettert er gegen „Political Correctness, die diese Nation zerstört“, ist für die Zerstörung von Verstecken entlang der mexikanischen Grenze mit raketenbestückten Drohnen und verglich das von US-Präsident Barack Obama eingeführte Gesundheitssystem mit der Sklaverei. Carson ist überzeugter Anhänger der Siebenten-Tags-Adventisten und Vater von drei Kindern.

Den republikanischen Wählern scheinen Carsons Thesen und Ausrichtung zu gefallen. Bis Ende Oktober konnte der ehemalige Neurochirurg eine rekordverdächtige Summe von mehr als 37 Millionen Dollar (33 Mio. Euro) an Spendengeldern lukrieren. Zum Vergleich: Bis Ende September konnten seine Konkurrenten Jeb Bush und Marco Rubio jeweils etwa 25 Millionen Dollar (22 Mio. Euro) sammeln. Sein Kampagnenleiter Barry Bennett sieht Carsons Erfolg in seinem Abstand zum politischen Establishment. Carson spreche nicht, wie es den Leuten in Washington antrainiert werde. Das würden zwar einige Leute „verrückt“ finden, ihm und vielen anderen Amerikanern würde es allerdings gefallen.

Republikanische Präsidentschaftskandidaten Ben Carson und Donald Trump

APA/AP/Mark J. Terrill

Konkurrenten: Trump und Carson bei einer TV-Debatte

Dabei war Carson bei den TV-Debatten der Republikaner eigentlich gehörig in Bedrängnis geraten. So hatte er bei der letzten Diskussion Ende Oktober große Mühe, seinen Plan für einen einheitlichen und einkommensunabhängigen Steuersatz von zehn, höchstens 15 Prozent zu verteidigen. Zudem verhedderte er sich mehrfach in endlosen Sätzen. Carsons Konzept zur Steuerpolitik gilt als äußerst vage - er selbst verglich es mit dem Kirchenzehnt.

Bekannt durch Trennung siamesischer Zwillinge

Bekannt wurde Carson ursprünglich für seine spektakulären Operationen an siamesischen Zwillingen. 1997 wurde er mit der erfolgreichen Trennung der elf Monate alten Brüder Joseph und Luka Banda weltbekannt. Andere Operationen verliefen weniger gut. Auch die 29-jährigen iranischen Zwillinge Ladan und Laleh Bidschani, die an den Köpfen zusammengewachsen waren, starben bei der 50-stündigen Operation.

2013, nach 33 Jahren als Direktor der Neurochirurgie des Johns Hopkins Hospital in Baltimore (Maryland), ging Carson in Pension. Ein Jahr darauf kündigte er seine Bewerbung für die Präsidentschaftskandidatur an. Wie Trump hat auch Carson keine politische Vorerfahrung, seine erzkonservativen Einstellungen machten ihn jedoch rasch zum Aushängeschild der „Tea-Party“.

Mit seiner Karriere in der Medizin schaffte Carson den Aufstieg von einem Elendsviertel in Detroit zum jüngsten Chefarzt Amerikas. Dabei hatte er laut eigenen Angaben mit Aggressionsproblemen zu kämpfen, die sogar zu einer Messerattacke auf einen Freund führten. In einer seiner Biografien („Think Big: Unleashing Your Potential for Excellence“) beschreibt Carson, wie er als 14-Jähriger im Zuge eines Wutanfalls auf einen Freund einstach, die Klinge wurde jedoch durch die Gürtelschnalle seines Freundes gestoppt. Carson bezeichnete den Vorfall mehrmals als seinen „dunkelsten Moment“, der ihn auf den Weg zu Gott gebracht habe.

Kein Zugpferd bei der schwarzen Community

Wegen seines rasanten beruflichen Aufstiegs wird Carson von der schwarzen Community in den USA immer wieder als Vorbild genannt, trotzdem interessiert er sich im Wahlkampf auffällig wenig für deren Belange. In mehreren Interviews kritisierte er sogar die staatliche Unterstützung für afroamerikanische Familien oder bezeichnete die schwarze Menschenrechtsbewegung „Black Lifes Matter“ als „dumm“.

Die Hautfarbe alleine sei bei republikanischen Wählern aber sowieso nur Nebensache, glaubt David Niven, Professor an der Universität von Cincinnati. Er untersuchte das Wahlverhalten schwarzer Wähler. Dabei stellte er fest, dass die Hautfarbe der Kandidaten nur wenig Einfluss hat. Viele Schwarze würden automatisch für die Demokraten stimmen, ganz unabhängig von ihrem Wahlprogramm. Und das gelte auch bei Carson. „Nichts, was er sagt oder tut, wird ihm helfen, seinen größten Fehler in den Augen schwarzer Wähler zum beseitigen - seine Parteizugehörigkeit.“

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