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„Looking for“ oder „looking at art“

Art Basel, Miami Art Week, Design Miami: Drei hochkarätige Kunstmessen und unzählige Nebenevents locken derzeit die internationale Kunstszene nach Florida. Unter Palmen und entlang der Art-Deco-Fassaden in South Beach wird jährlich Anfang Dezember aber nicht nur gefeiert, sondern auch das richtig große Kunstgeschäft gemacht.

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Die Besucher der Art Basel kann man grob in zwei Kategorien einteilen: Man ist hier entweder „looking at art“ oder „looking for art“ - also schaut sich die Kunst entweder nur an oder ist hier, um Kunst zu kaufen. Das Herumstreunen im Convention Center und den in ganz Miami verteilten Satellitenveranstaltungen nennt man in Florida „baseling“ („baseln“) - und dabei gewesen zu sein gehört im südlichen US-Bundesstaat zum guten Ton.

Eindrücke von der Art Basel Miami

ORF.at/Sophia Felbermair

Keine Kunst: Der künstliche Rasen lädt zum Rasten ein

Schulklassen, Touristen in Strandkleidung und Superreiche in Designeroutfits mischen sich in den Messehallen vor Gemälden von Pablo Picasso und Francis Bacon und vor Skulpturen von Damien Hirst und Olafur Eliasson.

Nicht alles, was auffällig ist, ist Kunst

Dass nicht alles, was auffällig ist, auch Performance-Kunst ist, bewies ein Zwischenfall am Freitagabend. Wie der „Miami Herald“ berichtete, wurde eine Messebesucherin am Stand der Freedman Fitzpatrick Gallery von einer anderen Frau mit einem Messer verletzt. Sie habe sich von ihr bedroht gefühlt, gab die laut US-Medien geistig unzurechenbare Täterin bei ihrer Festnahme an. Umstehende Besucher hielten den Angriff für eine geplante Kunstaktion und griffen nicht ein.

Die Sicherheitsmaßnahmen seien nach den jüngsten Terroranschlägen ohnehin schon höher als sonst, gaben die örtlichen Sicherheitskräfte bekannt, sie beschränkten sich aber auch am Samstag nur auf sehr oberflächliche Taschenkontrollen am Eingang. Primär scheint man sich auf das Bewachen der teuren Kunstwerke zu konzentrieren, nicht zuletzt weil 2014 hier ein Werk von Picasso (Schätzwert: 85.000 Dollar) gestohlen wurde.

"Sleepwalker"

AP/Lynne Sladky

Performance: „Sleepwalker“

Diejenigen, die sich nicht nur den 47-Dollar-Eintritt zur Messe, sondern auch Gemälde, Skulpturen oder Fotografien um Zigtausende bis mehrere Millionen Dollar leisten können, trifft man aber eher nicht an den Besuchertagen der bis Sonntag laufenden Kunstmesse. Die wirklich großen Geschäfte sind schon bei den Previews für VIPs und Very VIPs gemacht worden, an denen man nur mit Einladung ins Convention Center durfte.

Investoren „dollarisieren“ ihr Vermögen

Hier treffen sich Menschen, die in Privatjets einfliegen und in deren Häusern das Badezimmer von Zaha Hadid gestaltet wurde - einer Freundin der Familie, wie man in Homestorys von lokalen Hochglanzmagazinen gerne erzählt. Agenten von Investoren aus China, der arabischen Welt und Russland machen hochpreisige Spekulationsgeschäfte und helfen ihren Auftraggebern, ihr Vermögen steuerschonend zu „dollarisieren“.

Die Art Basel und ihre Ableger

Die Art Basel fand erstmals 1970 statt. Damals nahmen in Basel bereits 90 Galeristen teil. Seit 2002 gibt es die Messe für Zeitgenössische Kunst auch in Miami Beach, 2013 öffnete sie erstmals in Hongkong.

267 Galerien aus aller Welt leisten sich heuer die Standmieten zwischen 50.000 und 100.000 Dollar und zeigen Werke von rund 4.000 Künstlern - laut Messesponsor und Generalversicherer Axa Art im Gesamtwert von geschätzten drei Milliarden Dollar (2,76 Mrd. Euro). Aus Österreich sind die Galerien Krinzinger, Nächst St. Stephan und Thaddaeus Ropac bei der Art Basel Miami Beach, die Galerie Mario Mauroner bei der parallel laufenden Scope Miami Beach, Ernst Hilger und Rudolf Budja bei der seit 1. Dezember laufenden Art Miami vertreten.

Gute Stimmung, kein Kaufrausch

Werke unter 100.000 Dollar würden auf der Messe gekauft, ohne dass lange darüber nachgedacht werde, beschreibt der New Yorker Galerist David Nolan. In den ersten drei Stunden der Pre-Show habe er bereits zwölf Werke verkauft - den Großteil an Neukunden, die auf ein gutes Investment hoffen. Die Stimmung wird rundherum als gut bezeichnet, das Geld fließt - ein gefährlicher Kaufrausch sei dennoch nicht zu beobachten, heißt es aus Branchenkreisen. Anders als früher würde bedachter gekauft, selbst an den VIP-Tagen sei die Kaufhysterie ausgeblieben, wie man sie in den vergangenen Jahren schon gesehen habe.

Für die österreichische Galeristin Ursula Krinzinger positioniert sich die Messe heuer „in fast musealer Qualität“ von „großem Format und Qualität“. Auf ihrem Stand ist ein Überblick über das Programm der Galerie sowie eine Kabinett-Solopräsentation mit Werken von Chris Burden zu sehen. „Die allergrößte Überraschung war das enorme Interesse für die Arbeiten von Martha Jungwirth,“ so Krinzinger gegenüber ORF.at. Werke Jungwirths sowie von Secundio Hernandez, Angela de la Cruz, Erik Schmidt, Jonathan Meese und anderen seien von bedeutenden Sammlern - großteils aus den USA und dem Nahen Osten - angekauft worden.

Unterwasserperformance auf der Miami Art Week

AP/Lynne Sladky

Klimawandelkritische Unterwasserperformance bei der Miami Art Week

13,5 Mio. Dollar für Francis-Bacon-Werk

Der bisher teuerste Verkauf der Messe in diesem Jahr ist, wie kolportiert wird, der Van de Weghe Fine Art Gallery mit einem Francis-Bacon-Werk gelungen - sein „Man in Blue VI“ (1954) wechselte laut Artnet.com für 13,5 Mio. Dollar den Besitzer. Gemälde von Picasso (10,5 Mio. Dollar), Ed Ruscha (drei Mio. Dollar aufwärts) und eine Damien-Hirst-Taube in Formaldeyhd (drei Mio. Dollar) waren ebenfalls schnell verkauft. Die Salzburger Galerie Ropac meldete den Verkauf eines Andy-Warhol-Kunstwerks für 1,4 Mio. Dollar, eines Werks von Robert Longo (450.000 Dollar) und eines Gemäldes von Alex Katz um 400.000 Dollar.

Eindrücke von der Art Basel Miami

ORF.at/Sophia Felbermair

Looking at art

Nicht jeder Käufer will genannt werden, über die verkauften Werke und ihren Preis geben die Galeristen aber bereitwillig Auskunft. Ein bis Freitag noch nicht verkauftes Clive-Head-Gemälde der kanadischen Galerie Landau war noch um 300.000 Dollar zu haben, es sei aber das einzige Werk des Künstlers, das man noch nicht verkauft habe, heißt es am Stand - „Sylvester Stallone hat eines gekauft.“

Kunstsinn und Sinn für Partys

Neben Kunstsammlern und ihren Agenten aus aller Welt lassen sich nämlich auch zahlreiche Film- und Popstars auf der Messe blicken - heuer etwa Leonardo DiCaprio, Eva Longoria und Stammgast Paris Hilton, die, wie sie selbst zugibt, aber mehr die Partys am Abend schätzt. Andere, wie Stallone, Adrien Brody und Lenny Kravitz nutzen die Gelegenheit nicht nur zum Kunstshoppen, sondern auch um sich selbst mit mehr als den ihnen primär zugeschriebenen Kunstfacetten zu zeigen.

Action-Star Stallone hat sich schon länger der bildenden Kunst zugewandt. Nicht nur als Sammler (alles von Alten Meistern bis zur Moderne), sondern seit Jahrzehnten auch als expressionistischer Maler. Ein Werk - ein Porträt seiner Filmfigur „Rocky“ - ist am Stand der Zürcher Galerie Gmurzynska zu sehen. Stallones Kunst könnte damit als Beispiel für gelungene Aggressionsbewältigung zählen, schließlich seien viele seiner Werke aus schlechter Laune heraus entstanden, erzählt er gerne.

Sylvester Stallone und Jennifer Bruno

AP/PatrickMcMullan.com

Kunst kaufen und Kunst schaffen hebt Stallones Laune

Präsidentschaftskandidaten sammeln Geld

Dass an den Art-Basel-Tagen die Kapital-pro-Kopf-Quote in Miami Beach so außerordentlich erhöht ist, ist auch für manche US-Präsidentschaftskandidaten ein gefundenes Fressen. Hillary Clinton sammelte bei zwei Fundraising-Abenden im Umfeld der Kunstmesse Geld für ihre Wahlkampagne ein, um schlappe 1.000 Dollar gab es dafür schon ein Dinner mit der demokratischen Kandidatin, ab 2.700 Dollar inklusive Handshake und Fotogelegenheit.

Auch Jeb Bush, Ex-Gouverneur von Florida und republikanischer Präsidentschaftskandidat, nutzt heuer die Gelegenheit zur Eigenwerbung. Er hat diesbezüglich einerseits einen Heimvorteil, lebt er doch im noblen, nur wenige Kilometer von Miami Beach entfernten Coral Gables. Andererseits stößt seine vom Pop-Art-Künstler organisierte Fundraising-Aktion in den Medien für Belustigung: „Die Art Basel ist eine hippe Kunst-Mode-Film-Werbungs-Ausstellungs-Party-Serie auf der man Menschen wie James Franco trifft. Es ist - anders gesagt - ein sehr untypischer Ort, für einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten, der noch dazu selbst im Vergleich mit anderen republikanischen Kandidaten eigenartig ist," schrieb etwa das Onlinemagazin Slate.

Anders geht sein parteiinterner Konkurrent, der amtierende republikanische Senator Marco Rubio, die Sache an. Sein einziger offizieller Termin in der Art-Basel-Zeit in seiner Heimatstadt Miami war am Samstag ein Fundraising-Frühstück, bei 25 Dollar Eintritt in einer Mehrzweckhalle - das Gegenprogramm zu den High-Society-Champagner-Empfängen ein paar Kilometer weiter.

Sophia Felbermair, ORF.at, aus Miami Beach

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