Unvergessenes Multitalent
Frank Sinatra wäre am Samstag 100 Jahre alt geworden. Er gehört zu den bekanntesten Unterhaltungskünstlern des 20. Jahrhunderts und feierte sowohl als Sänger als auch als Schauspieler große Erfolge. Abseits des Showbiz sorgte der Sohn italienischer Einwanderer nicht nur mit Affären für Aufsehen, auch sein angeblicher Umgang mit Mafia-Bossen brachte ihn erst kürzlich wieder in die Schlagzeilen.
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Der Autor David Evanier behauptete in seiner im November in den USA erschienen Woody-Allen-Biografie („Woody: The Biography“), Sinatra habe im Jahr 1993 versucht, den Regisseur von einem Mafia-Killer beseitigen zu lassen. Allen steckte damals in einem Scheidungskrieg mit Mia Farrow, die in den 1960er Jahren auch knapp zwei Jahre lang mit Sinatra verheiratet war.
Allen, der erst vor Kurzem seinen 80. Geburtstag feierte, hatte Farrow mit einer ihrer Adoptivtöchter betrogen. Sinatra habe auch nach der Scheidung ein sehr enges Verhältnis zu Farrow gehabt und täglich mit ihr gesprochen, schrieb Evanier - eine Ehre, die sonst nur Sinatras Frau und seiner Tochter Nancy zuteilwurde. Die Mafia-Bosse hätten das Anliegen des Entertainers allerdings abgelehnt.
Familiäre Kontakte mit der Unterwelt
Anschuldigungen, er unterhalte enge Kontakte mit dem organisierten Verbrechen, begleiteten den Sänger von Beginn seiner Karriere an. Immer wieder tauchten Gruppenfotos auf, auf denen Sinatra im Kreise von Mafia-Größen zu sehen ist. Bereits Anfang der 1940er Jahre soll Sinatra fast schon familiäre Kontakte mit dem Mafioso Willie Moretti gepflegt haben. In weiterer Folge trat er des Öfteren in den Nachtclubs auf Partys bekannter Clanchefs auf.

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Sinatras Karriere begann in den 1930er Jahren
Auch Sam Giancana, der als Nachfolger Al Capones in Chicago galt, sei oftmals in Sinatras Haus in Palm Springs (Kalifornien) zu Gast gewesen, hieß es. Im Nachlass des Mafia-Bosses „Lucky“ Luciano fand die Polizei eine goldene Zigarettendose, auf der „To my dear pal Lucky, from his friend, Frank Sinatra“ eingraviert war.
Karriereturbo Mafia
Jahrzehntelang hielten sich Gerüchte, Moretti habe Sinatras Solokarriere erst richtig in Schwung gebracht. Im Jahr 1943 löste Sinatra vorzeitig seinen Vertrag bei der Bigband von Tommy Dorsey, musste diesem aber im Gegenzug ein Drittel seiner Einnahmen überlassen. Moretti habe daraufhin Dorsey bedroht und ihm eine Verzichtserklärung abgepresst - eine Darstellung, die Sinatra und auch seine Tochter Nancy stets bestritten.
TV-Hinweis
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Die Fama, Sinatra habe 1953 seine Rolle in „Verdammt in alle Ewigkeit“ dank seiner Mafia-Kontakte erhalten, hielt sich ebenso hartnäckig wie die Geschichte, Mario Puzo habe Sinatra eine Figur in seinem Roman „Der Pate“ gewidmet. 1963 musste Sinatra seinen 50-prozentigen Anteil des Spielerhotels Cal-Neva Lodge in Nevada abgeben, weil er Mafia-Boss Giancana im Hotel beherbergte.

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Sinatra mit John F. Kennedy
Das Naheverhältnis zu Giancana war auch der Grund dafür, dass sich US-Präsident John F. Kennedy auf Anraten des FBI von seinem langjährigen Freund Sinatra abwandte. Zuvor hatte Sinatra, der zeit seines Lebens Mitglied der demokratischen Partei war, im Präsidentschaftswahlkampf 1960 für JFK eine Neuinterpretation des Songs „High Hopes“ gesungen.
„The Voice“
Sinatra wurde am 12. Dezember 1915 in einer Wohnung in Hoboken in New Jersey in ärmliche Verhältnisse geboren. Bei der Geburt soll es zu Komplikationen gekommen sein, bei denen Francis Albert - so der volle Vorname Sinatras - fast gestorben wäre. Beide Eltern stammten aus Italien. Sinatras Vater arbeitete unter anderem als Feuerwehrmann und Preisboxer, seine Mutter war politisch bei den Demokraten aktiv.
Nach einem erfolglosen Versuch, Sportreporter zu werden, begann Sinatra Mitte der 1930er Jahre an seiner Gesangskarriere zu arbeiten. So wurde unter anderem Bigband-Leader Dorsey auf ihn aufmerksam. Der Posaunist setzte damals eine spezielle Atemtechnik ein, um Noten extrem lange halten zu können.
Sinatra ließ sich davon inspirieren. Das lange Halten von Noten wurde fortan - neben der kreativen Phrasierung seines Gesangs und seines Timings - zum Markenzeichen von „Ol’ Blue Eyes“. Sinatras Gesangsstil und die Gabe, subtile Emotion in seiner Performance widerzuspiegeln, beeinflusste wiederum zahlreiche Jazz-Größen - Sänger wie Instrumentalisten - und brachte ihm den Spitznamen „The Voice“ ein.
Kometenhafter Aufstieg und Beinahe-Absturz
In den 1940er Jahren stieg Sinatra zum Popidol und Teenie-Schwarm auf. Am 12. Oktober 1944 sorgte Sinatra für die erste Massenhysterie von Jugendlichen bei einem Konzert. 30.000 verzückte weibliche Fans belagerten den New Yorker Times Square, als Sinatra ein Konzert im Paramount Theatre gab. Der Massenauflauf ging als „Columbus Day Riot“ in die Geschichtsbücher ein.
Nach dem jahrelangen Hoch folgte Anfang der 1950er das Karrieretief. Sinatras Ehe mit Hollywood-Star Ava Gardner lag in den letzten Zügen, er sorgte mit Alkoholexzessen für Schlagzeilen, Blutungen an seinen Stimmbändern zwangen ihn zum zwischenzeitlichen Abschied von der Bühne. „Ich habe mich angehört, wie ein Wiener Sängerknabe“, erinnerte sich Sinatra später. Den aufkommenden Rock ’n’ Roll verabscheute er ebenso, wie er Elvis Presley hasste.

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Sinatra und Ava Gardner: Das Paar ließ sich 1953 scheiden
Kurzerhand sattelte Sinatra auf die Schauspielerei um. Die Rolle in Fred Zinnemanns „Verdammt in alle Ewigkeit“ brachte ihm wie bereits erwähnt den Oscar als bester Nebendarsteller ein. 1953 heuerte er bei Capitol Records an. Eine überaus kreative Zeit begann, bis 1960 entstanden Evergreens wie „Young at Heart“, „Love and Marriage“, „Witchcraft“ und „Chicago“, eigene Fernseh- und Radioshows folgten.
Vom Fernsehstar zu „New York, New York“
In den 1960ern gründete Sinatra sein eigenes Plattenlabel namens Reprise, auf dem er nach 22 Alben für Capitol weitere Hitproduktionen in Eigenregie veröffentlichte. Das folgende Jahrzehnt begann mit einem alle Rekorde brechenden Engagement am Broadway, wo er zusammen mit Count Basie und Ella Fitzgerald auftrat.
Auch in Film und Fernsehen blieb er in den kommenden Jahren weiterhin präsent, obwohl er bereits 1971 seinen Rücktritt aus dem öffentlichen Leben verkündet hatte. Nebenbei brachte Sinatra weiterhin Platten auf den Markt. Mit „New York, New York“ - dem Titeltrack zum gleichnamigen Musikfilm - gelang ihm abermals ein Welthit.
„Ich verstehe die Frauen nicht“
Abseits der Bühne sorgte Sinatra mit seinen zahlreichen Affären für Schlagzeilen, unter anderen mit Lauren Bacall, Judy Garland, Grace Kelly, Jayne Mansfield, Kim Novak und Marylin Monroe. Letzterer soll er kurz vor ihrem Tod sogar einen Heiratsantrag gemacht haben. In Sinatras Frauenbild spiegeln sich die 1940er Jahre wider, wie viele seiner machoiden Sprüche zeigen: „Das Einzige, was sich an einer Frau durch die Ehe ändert, ist ihr Name.“ Oder: „Ich vergöttere Frauen. Aber wie alle Männer verstehe ich sie nicht.“
Berüchtigt war Sinatra auch für seinen Jähzorn. Obwohl er nur 1,70 Meter groß war, soll er sich schon als Jugendlicher gerne geprügelt haben. Mehrmals attackierte er Paparazzi, zudem soll er seine Wut immer wieder an der Einrichtung von Hotelzimmern beziehungsweise sogar seines eigenen Hauses ausgelassen haben.
Ein schwieriges Verhältnis hatte Sinatra zu Journalisten. Sein Zorn galt vor allem jenen, die seine Kontakte zur Mafia untersuchten. 1947 schlug er einen Reporter aus diesem Grund nieder, wofür er zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt wurde. Andere wurden von Sinatra mit Klagen in Millionenhöhe eingedeckt. Mitte der 1970er Jahre bezeichnete er alle Journalistinnen als „Prostituierte“. Später entschuldigte er sich für den Vergleich - allerdings nicht bei den Journalistinnen, sondern bei den Prostituierten.
Kämpfer gegen die Rassentrennung
Bereits zu Beginn seiner Karriere fiel Sinatras soziales Engagement auf. Der Einwanderersohn war ein vehementer Gegner der Rassentrennung. 1945 wirkte er in der Oscar-gekrönten antirassistischen Dokumentation „The House I live in“ mit. Sinatras Engagement brachte ihm viel Respekt ein.
In den 1940ern trat Sinatra in einer Schule für weiße und schwarze Kinder in New York auf. Einer der Schüler damals war der legendäre Jazz-Saxofonist Sonny Rollins. Die Menschen in dem vorwiegend italienischen Viertel hätten die schwarzen Kinder aus den Fenstern mit Unrat beworfen und sie beschimpft. Sinatra habe nach seinem Auftritt den Kindern ins Gewissen geredet. Die Spannungen zwischen den Schülern unterschiedlicher Hautfarbe hätten danach tatsächlich abgenommen, erzählte Rollins in einem Interview mit der „Jazz Times“.
Wahlkampfhilfe für Ronald Reagan
Sinatra unterstützte Martin Luther King und US-Präsident Franklin D. Roosevelt, den Erfinder des „New Deal“, er baute in Israel ein Heim für israelische und arabische Waisenkinder auf. Mit Benefizveranstaltungen soll er im Laufe seiner Karriere mehr als eine Milliarde Dollar für wohltätige Zwecke gesammelt haben.
Sein Engagement für behinderte Kinder in Form eines Benefizkonzerts in Wien wurde später mit einer Ehrenmedaille belohnt - eine von vielen Auszeichnungen im Zusammenhang mit wohltätigen Zwecken.
Nach seinem unfreiwilligen Bruch mit „JFK“ wandte sich Sinatra ab den 1970ern den Republikanern zu. Dort unterstützte er - sehr zum Unmut seiner Mutter - vor allem den als Scharfmacher bekannten Spiro Agnew und den späteren US-Präsidenten Ronald Reagan.
Sinatra und das „Rat Pack“
Stets mit dem Entertainer verbunden bleiben wird das „Rat Pack“, eine Gruppe Schauspieler und Sänger, die von den späten 1950er bis in die 1970er Jahre mit ihren Auftritten Berühmtheit erlangten. Mit dabei waren neben Sinatra unter anderen auch Sammy Davis jr., Shirley MacLaine und Dean Martin, der zeit seines Lebens ein enger Freund von „Frankieboy“ blieb.

Reuters
Sinatra bei der Gala anlässlich seines 80. Geburtstags
Sinatra, der am 14. Mai 1998 in Los Angeles starb, war bis in die 1980er Jahre auf ausgedehnte Welttourneen gegangen. Zum letzten Mal auf der Bühne stand er 1995 bei einer Benefizgala anlässlich seines 80. Geburtstages. Gegen Ende seines Lebens dürfte Sinatra die Einsicht gepackt haben: „Wenn ich gewusst hätte, wie lange ich lebe, hätte ich besser auf mich aufgepasst.“
Philip Pfleger, ORF.at
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