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Niessl auf Konfrontationskurs

Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) bleibt beim Thema Flüchtlinge hart und hat nun seinen eigenen Parteichef Bundeskanzler Werner Faymann herausgefordert. „Es ist ein Kurswechsel der SPÖ in der Asylpolitik notwendig“, sagte er in der „Kronen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe). Zudem sprach er sich für „eine klare Trennung von Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen“ aus.

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„Eine Flüchtlingspolitik, die den Grundsatz hat, dass jetzt eh der Winter kommt und damit weniger Flüchtlinge, halte ich für verantwortungslos und nicht vorausschauend“, so Niessl in Richtung seiner Bundespartei. Auch die aktuellen Entwicklungen in Europa würden für einen Kurswechsel sprechen, Schweden mache die Grenzen zu, Deutschland fordere massiv europäische Kontingente. „Wir können doch nicht glauben, dass wir jedes Jahr 100.000 Flüchtlinge aufnehmen und in weiterer Folge die Integration zu 100 Prozent und ohne Probleme funktionieren wird“, sagte der Landespolitiker der Regierung via „Krone“. Er argumentierte mit hoher Arbeitslosigkeit und zu wenig Wohnraum.

Ostermayer kontert

Unverständnis über den Widerstand Niessls gegen eine geplante Containersiedlung für Flüchtlinge in Bruckneudorf kam auch aus der SPÖ-Regierungsfraktion. „Ordnung und Menschlichkeit sind die Eckpunkte unseres Handelns“, so Kanzleramtsminister Josef Ostermayer zu seinem Parteikollegen via Aussendung. Ostermayer hielt fest, dass die Bundesregierung in den vergangenen Wochen und Monaten sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene eine Reihe von Maßnahmen ergriffen habe, um zu nachhaltigen Lösungen im Flüchtlings- und Asylbereich zu kommen. Österreichisches Asylrecht sei in vielen Punkten europäischer Maßstab, betonte er.

„Dann sind wir einer Meinung“

Angesprochen auf die Kritik des Parteikollegen, legte Niessl im Ö1-Morgenjournal nach: „Ordnung heißt ja registrieren. Ordnung heißt, dass Kriegsflüchtlinge natürlich Asyl bekommen sollen und dass die Zuwanderung limitiert ist“, so Niessl. Nachsatz: „Wenn Ostermayer das auch so sieht, dann sind wir einer Meinung.“ Wenn nicht, dann sei das nicht so. Scharfe Kritik übte Niessl zudem an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Sie trage die Schuld dafür, dass die Rückführung von Menschen ohne Anrecht auf Asyl in der Vergangenheit nicht funktioniert habe. Dieser Umstand habe die Zuwanderung von „Wirtschaftsflüchtlingen“ weiter steigen lassen.

Faymann: Niessls Forderung „obsolet“

Faymann bezeichnete Niessls Forderung nach verstärkten Rückführungen am Dienstag als „obsolet“. Denn das Problem der zu geringen Rückführungszahlen sei bekannt, und man versuche, daran zu arbeiten, so der Kanzler nach dem Ministerrat in Wien. Ansonsten seien jede Menge Maßnahmen, ob Zaun in Spielfeld, Gesetzesänderungen oder Hilfe an Ort und Stelle, bereits in Umsetzung. „Hier und da muss man auch einem Landeshauptmann sagen, was alles im Gange ist“, so Faymann Richtung Eisenstadt.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder zeigte sich von der Schelte aus dem Burgenland ebenfalls unbeeindruckt. Das sei „ein Diskussionsbeitrag“, der wohl aufgrund der speziellen burgenländischen Situation entstanden sei, meinte er vor der Regierungssitzung. „Die SPÖ bleibt auf ihrem Kurs.“

Häupl: Inhaltsleer

Wenig Freude mit den Aussagen Niessls hat Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ). „Zurufe, die eigentlich, sagen wir einmal, relativ inhaltsleer sind, um es einmal so zu sagen, die helfen uns keinen Schritt weiter“, so Häupl am Dienstag. Jede einzelne Schaffung jedes einzelnen Unterbringungsorts und Unterbringungsbetts für Asylsuchende sei wertvoller als sinnlose Zurufe, so der Wiener SPÖ-Chef - mehr dazu in wien.ORF.at.

„Absolut gar nichts“ hält auch Oberösterreichs SPÖ-Landesparteichef Reinhold Entholzer von den Forderungen Niessls. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass an der Grenze jemand zwischen einem politischen und einem Wirtschaftsflüchtling unterscheiden kann“, sagte auch er. Die Lösung des Flüchtlingsproblems könne nur innerhalb Europas mit einer gerechten Verteilung gelöst werden. Entholzer wiederholte seine Forderung, den „Geldhahn“ jenen Ländern zuzudrehen, die sich dagegen wehren. „Wir sollten lieber einen Konfrontationskurs gegen die Verweigererländer führen als gegen die Flüchtlinge.“

Mayr: Eingeschlagenen Weg fortsetzen

Auch Tirols SPÖ-Chef Ingo Mayr sprach sich klar gegen eine Änderung des aktuellen SPÖ-Kurses aus: „Die SPÖ steht für die Einhaltung der Menschenrechte und der Genfer Flüchtlingskonvention“, sagte er. „Ich richte daher den klaren Appell an die SPÖ-Führung, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.“

Vorarlbergs SPÖ-Landesparteichef Michael Ritsch äußerte für Niessl zwar Verständnis („Nach den großen Durchzugsströmen durch das Burgenland ist die Lage eine andere als in Vorarlberg“), die Vorgehensweise des burgenländischen Parteikollegen, dem Kanzler medial etwas auszurichten, bezeichnete er aber als „schwierig“. Die Ängste der Bevölkerung müssten ernst genommen werden, für konstruktive Vorschläge sei Faymann auch jederzeit zu haben, betonte Ritsch.

Eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen oder ein Grenzzaun seien jedenfalls keine machbaren Lösungsansätze, sagte er. „Es geht hier um Familien mit Kindern, die vor dem Krieg und dem Terror des IS (Islamischer Staat, Anm.) flüchten. Sagt man dem 1.001. dann, Du kannst leider nicht mehr rein?“, fragte sich Ritsch und plädierte für „Denken mit ein bisschen Herz“.

Auch Salzburg hinter Parteilinie

Ebenfalls keinen Grund für das Ändern des Parteikurses sieht der Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl. Für ihn wird aber ohnehin bereits zwischen Kriegsflüchtlingen und Menschen, die persönlich verfolgt werden, und Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden - „das ist ja nichts Neues. Da braucht man den Parteikurs nicht zu ändern.“

Das Problem sei, die Rückübernahme von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer durchzusetzen. Es seien hier sowohl der Außenminister als auch die EU gefragt, entsprechende Rückübernahmeabkommen zu schließen. „Natürlich müssen wir auch die Grenzen kontrollieren. Sonst wären wir kein souveräner Staat mehr. Darum müssen alle, die die Grenze überqueren, registriert werden.“ Steidl plädierte dabei für umfangreiche Clearings in den Erstaufnahmestellen.

Proteste gegen Flüchtlingsquartier

Hintergrund von Niessls Vorstoß: In Bruckneudorf im Burgenland demonstrierten Montagabend einige hundert Menschen gegen das auf dem Truppenübungsplatz geplante Containerdorf für Flüchtlinge. Politiker von SPÖ und FPÖ waren sich in ihrer ablehnenden Haltung einig - mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Laut Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ) gibt es die Zusage von Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ), von dem Plan Abstand zu nehmen, „wenn Bruckneudorf die Quote erfüllt“. Nach Angaben der Veranstalter beteiligten sich 600 bis 700 Menschen an dem Protest unter dem Motto: „Ja zur Hilfe - nein zum Massenquartier“, die Polizei schätzte hingegen rund 400 Teilnehmer. „Was wir heute machen, das ist Politik“, rief der Bruckneudorfer Bürgermeister Gerhard Dreiszker (SPÖ) den Teilnehmern zu. „Wir zeigen der Politik, dass es so nicht weitergehen kann. Wir zeigen der Politik: Macht’s einmal was!“

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