Opposition skeptisch abwartend
Staatsschutzrelevante Aufgaben, die bisher im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) stehen, werden künftig im neuen Polizeilichen Staatsschutzgesetz (PStG) definiert sein. Damit werde kein neuer Geheimdienst aus der Taufe gehoben, versichert die Regierung. Es gehe nur um einen Rahmen für die Abwehr terroristischer Gefahren - aus dem islamistischen oder dem Neonazi-Ecke oder aus welchem Umfeld auch immer.
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Es solle klargestellt sein, wer in der Polizei für den Schutz der Verfassung und den Kampf gegen Terrorgefahren zuständig ist - und welche Maßnahmen und Mittel erlaubt sind. Laut dem neuen Gesetz dürfen besondere Vorfeldermittlungen ausschließlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) durchgeführt werden. Zu dessen Aufgaben zählen der Schutz vor „terroristisch, ideologisch oder religiös motivierter Kriminalität“ sowie vor Spionage, wie es in den Unterlagen heißt, außerdem die Bekämpfung von Proliferation (Verbreitung) von Massenvernichtungswaffen sowie die „internationale Zusammenarbeit“.

APA/ÖVP-Klub; ORF.at
Dabei darf das BVT sowohl Einzelpersonen als auch Gruppierungen ins Visier nehmen. Heikel ist das nicht zuletzt, wenn es darum geht, Verbrechen bis zu Terroranschlägen zu verhindern, bevor sie überhaupt begangen werden - im Gegensatz zur „klassischen“ Polizeiarbeit, die sich der Klärung von Delikten widmet. „Erweiterte Gefahrenerforschung“, „vorbeugender Schutz“ vor möglichen „verfassungsgefährdenden“ Attacken sowie die „Abwehr gefährlicher Angriffe oder krimineller Verbindungen“ sind sie wesentlichen Ziele.
„Erweiterte Gefahrenforschung“ als Prophylaxe
Die „erweiterte Gefahrenerforschung“ bedeutet per Definition - etwas sperrig - die Beobachtung einer Gruppierung, „wenn im Hinblick auf deren bestehende Strukturen und auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld damit zu rechnen ist, dass es zu mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundener Kriminalität, insbesondere zu weltanschaulich oder religiös motivierter Gewalt kommt“.

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Dafür erhalten die Ermittler eine Reihe von Befugnissen. Für Debatten sorgte im Vorfeld die Möglichkeit, Vertrauenspersonen („V-Personen“) von außerhalb des Behördenapparats anzuwerben. Polizisten als verdeckte Ermittler einzuschleusen sei bei manchen Szenen „äußerst schwierig“, etwa wegen Sprachbarrieren, heißt es in den Unterlagen. Außerdem können Auskünfte über Verbindungsdaten eingeholt werden, unter gewissen Umständen auch über Stammdaten, IP-Adressen und Standortdaten.
Streit über Kontrolle
Die Kontrolle obliegt dem Rechtsschutzbeauftragten und seinen beiden Stellvertretern. Diese Funktion war ein Streitpunkt in den Regierungsverhandlungen über das Gesetz. Viele Kritiker hätten sich eine Kontrolle durch einen Richter gewünscht - nun muss von den drei Rechtsschützern zumindest einer ein langjähriger Richter oder Staatsanwalt sein. Der Rechtsschutzbeauftragte muss jeweils im Voraus um Genehmigung ersucht werden, wenn es um Maßnahmen innerhalb der „erweiterten Gefahrenerforschung“ sowie zum Schutz vor verfassungsgefährdenden Angriffen geht.

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Betroffene werden vom Rechtsschutzbeauftragten über die gegen sie ergriffenen Maßnahmen informiert, wobei eine Aufschiebung unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Der Rechtsschutzbeauftragte erstellt einen jährlichen Bericht, der an das Parlament geht. Auch er selbst kann sich an den zuständigen Unterausschuss im Nationalrat wenden, der wiederum jederzeit Auskunft vom Beauftragten fordern kann.
Daten müssen gelöscht werden
Ermittelte personenbezogene Daten sind laut dem Gesetz zu löschen, wenn sich nach Ablauf der Zeit, für die die Ermächtigung dazu erteilt wurde, keine Aufgabe für das BVT stellt. An sich dürfen für Ermittlungen benötigte Daten künftig fünf Jahre gespeichert werden.
Neues Staatsschutzgesetz
Nach monatelangen Verhandlungen haben sich SPÖ und ÖVP auf ein neues Staatsschutzgesetz geeinigt. Es soll nächsten Juli in Kraft treten und mehr Möglichkeiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten.
Daten zu Kontakt- und Begleitpersonen sind jedenfalls zu löschen, wenn keine Gründe für die Annahme mehr vorliegen, dass über sie für die Erfüllung der Aufgabe relevante Informationen beschafft werden können. Jede Abfrage und Übermittlung personenbezogener Daten ist zu protokollieren, die entsprechenden Aufzeichnungen sind drei Jahre aufzubewahren und danach zu löschen.
Umstrittener Landfriedensbruch
Zu den Delikten, die als verfassungsgefährdender Angriff gelten können, gehören terroristische Straftaten, der Zusammenschluss, die Ausbildung und die Anleitung dafür. Auch das Anführen von „Landfriedensbruch“ - zuletzt bei Demonstrationen ein durchaus umstrittenes Delikt -, Verhetzung und die Bildung bewaffneter Verbindungen sind , wenn „ideologisch oder religiös motiviert“, ein Fall für das PStG. Hochverrat, Landesverrat, Preisgabe von Staatsgeheimnissen und ein Angriff auf oberste Organe auch mittels Computerhacks sind entsprechende Delikte, sofern sie auf Terrorismus abzielen.
„Giftzähne“ und Bürgerschutz
Die Opposition zeigte sich am Montag skeptisch. Man müsse abwarten, was tatsächlich schwarz auf weiß im Gesetz stehe, gab sich FPÖ-Sicherheitssprecher Gernot Darmann abwartend, aber gesprächsbereit. Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz will den vorliegenden Plänen noch ein paar „Giftzähne“ ziehen. Man müsse Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte „genauestens abwägen“, denn sie seien das Herzstück eines demokratischen Rechtsstaates, betonte Darmann. „Wichtig ist, dass der Rechtsschutz zum Schutz der Bürger stark ausgeprägt ist.“
Die Regierungsparteien sind zwar nicht darauf angewiesen, hoffen aber auf Oppositionsstimmen für das Gesetz, wie sie am Sonntag sagten. Das wollen auch die Grünen nützen, um nachzuverhandeln - denn der vorliegende Abänderungsantrag „ist eigentlich die alte Regierungsvorlage mit einem neuen Mascherl“, fand Pilz dort keine wirklichen Änderungen. „Keine Ermittlungsbefugnisse für V-Leute“ lautet etwa ein Ziel des grünen Sicherheitssprechers: „Warum man diese Bagage aus Dschihadisten und Neonazis ‚Vertrauensleute‘ nennt, ist mir ein Rätsel“, sagte er zur APA. Er vermisst außerdem Kontrollmechanismen.
NEOS: Nicht viel Änderung
NEOS-Mandatar Niko Alm vermisste in einer Aussendung Gespräche mit allen Parteien. Er befürchtet, dass sich mit dem jetzigen Abänderungsantrag „trotz gradueller Verbesserungen“ nicht viel ändern wird. Prinzipiell stehe man einem derartigen Gesetz unter gewissen Vorbedingungen positiv gegenüber, es gebe aber noch einigen Verhandlungsbedarf.
„Das Nachbessern der Regierung beim Staatsschutzgesetz reicht noch nicht“, befand auch der Klubchef des Teams Stronach (TS), Robert Lugar. Eine wirklich unabhängige Kontrolle sei allein durch den vorgesehenen Dreiersenat nicht gewährleistet. Darüber hinaus wünschte sich Lugar in einer Aussendung eine stärkere Kontrollmöglichkeit durch das Parlament als von der Regierung vorgesehen.
Warnung vor ungezügeltem Datensammeln
Schließlich wurde auch noch von Expertenseite Kritik laut. Der gute alte Dorfgendarm bringe dem Staatsschutz in der Terrorprävention mehr als Datensammelwut, sagte der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl gegenüber der APA. Angesichts der aktuellen Bedrohungen plädierte er für mehr „Community-Policing“, also ein aktives Zugehen der Polizei auf bestimmte Gruppen. Aber: „Die Politik schielt nur auf die nächste ‚Kronen Zeitung‘-Schlagzeile“, bedauerte er.
Vom neuen Staatsschutzgesetz erwartet sich der Leiter des Vienna Center for Societal Security (VICESSE) keine Revolutionen. Die Politik denke zu kurzfristig: „Ein Terroranschlag passiert plötzlich, ‚bumsti‘, und dann denkt man, man könnte ‚bumsti‘ eine Lösung finden, und das geht halt nicht.“ Attentate wie in Paris könne man nicht verhindern, aber „man kann die Wahrscheinlichkeit reduzieren“.
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