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Drei Milliarden Euro als Unterstützung

Die EU und die Türkei haben bei ihrem Sondergipfel am Sonntag in Brüssel einen Aktionsplan beschlossen, um den Andrang von Flüchtlingen nach Europa einzudämmen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte, es werde keine Lösung der Flüchtlingskrise geben ohne eine Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei.

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Juncker sagte, zur Versorgung von Flüchtlingen im Land sollten der Türkei drei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. In dem Aktionsplan sichert die Türkei unter anderem zu, ihre Küsten besser zu schützen und gegen Schlepper vorzugehen. Türkische Staatsbürger können im Gegenzug darauf hoffen, ab Oktober 2016 ohne Visum nach Europa reisen zu dürfen. Dafür sollen die EU-Staaten von Juni 2016 an illegal über die Türkei eingereiste Flüchtlinge dorthin zurückschicken können.

Nach dem Sondergipfel sucht die EU nach Wegen, um die vereinbarten Hilfsmilliarden für das Kandidatenland zusammenzubekommen. Noch in dieser Woche wollten die ständigen EU-Botschafter darüber beraten, hieß es am Montag in Brüssel. Das Thema sei kompliziert und umstritten und könne letztlich bei den EU-Staats- und Regierungschefs landen, die sich wieder am 17. und 18. Dezember in Brüssel treffen wollen.

Beitrittsverhandlungen gehen „normal“ weiter

EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, bei dem Gipfel sei auch vereinbart worden, das Beitrittsverfahren wieder in Schwung zu bringen. Tusk kündigte an, dass das Kapitel 17 zur Wirtschafts- und Währungspolitik eröffnet werden solle, außerdem soll die Öffnung weiterer Kapitel stattfinden. Aber „die EU-Erweiterungspolitik schreiben wir jetzt nicht neu“. 2016 werde ein Schlüsseljahr für die Umsetzung des Abkommens zwischen der EU und der Türkei werden. Frankreichs Präsident Francois Hollande wandte sich aber gegen eine Beschleunigung des Beitrittsprozesses. Es gebe „keinen Grund, das zu beschleunigen noch zu verlangsamen“. Die Bedingungen hätten sich nicht geändert.

EU erkauft sich Gunst der Türkei

Die EU und die Türkei haben bei ihrem Gipfel in Brüssel ein Abkommen geschlossen.

Davutoglu sieht Wendepunkt

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sah nach dem Gipfel einen „Wendepunkt“ in den Beziehungen mit der EU. Er betonte den „Willen der türkischen Gesellschaft“ zur Mitgliedschaft in der EU, „aber ob die EU die Türkei akzeptieren möchte, muss sich durch gemeinsame Bemühungen zeigen“. Davutoglu sprach nach dem Sondergipfel von einem „historischem Tag und einem historischen Treffen“. Er sei glücklich über das Ergebnis der ergiebigen Diskussion, sagte er im Anschluss bei einer Pressekonferenz.

Die Türkei beherberge fast 2,2 Millionen Flüchtlinge aus Syrien, weitere 300.000 aus dem Irak. „In einigen Städten gibt es mehr syrische Flüchtlinge als türkische Bürger“, sagte Davutoglu. Er betonte, dass die drei Milliarden Euro „keine Spende für die Türkei sind. Das Geld wird den syrischen Flüchtlingen zugutekommen.“

EU-Spitzen bremsen Euphorie

Die EU-Spitzen gaben sich in der Frage der Annäherung der Türkei an die EU zurückhaltender. Die Bedingungen für den Beitrittsprozess hätten sich nicht geändert, hieß es. Tusk unterstrich auch die Menschenrechtsfrage. Juncker betonte, die konstruktive Sitzung werde nicht dazu führen, „noch bestehende Differenzen unter den Tisch fallen zu lassen“. Es werde zweimal im Jahr einen EU-Türkei-Gipfel geben. Und „es wird immer Dinge geben, die besprochen werden müssen, damit wir unsere Positionen annähern“.

Deutsche Kanzlerin Merkel, österreichischer Kanzler Faymann und türkischer Premierminister Davutoglu

BKA/Andy Wenzel

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel mit Faymann und Davutoglu

Bundeskanzler Werner Faymann sagte, in zwei Wochen werde es auf Beamtenebene ein erstes Treffen geben, um die Fortschritte in den Beratungen zwischen der EU und der Türkei zu überwachen. Dabei werde Österreich auf alle Fälle mitorganisieren, möglicherweise sogar die Federführung übernehmen. Das Treffen werde möglicherweise in der Ständigen Vertretung Österreichs stattfinden. Generell betonte Faymann mit Blick auf den Pakt mit der Türkei, „niemand soll glauben, dass das eine einfache Partnerschaft wird“.

Auch Quotenregelung in EU ein Thema

Faymann betonte nach dem Gipfel, dass auch die Frage der Solidarität der EU-Mitglieder untereinander ein Thema gewesen sei. Einige Staaten, darunter osteuropäische, wehren sich seit Monaten gegen eine Quotenregelung zur Aufnahme von Flüchtlingen. Hier werde man notfalls auch finanzielle Möglichkeiten einsetzen, „um diese Solidarität zu erreichen“. Der Kanzler fügte hinzu: Wer Schengen und die Reisefreiheit wolle, der müsse sich für die Verteilung der Flüchtlinge und die Sicherung der Außengrenzen einsetzen.

Faymann nimmt aber eigenen Angaben zufolge eine langsame Änderung wahr. Anfangs hätten sich einige Länder von dem Problem „nicht so angesprochen gefühlt“, so der Kanzler mit Understatement. Nun gebe es immer mehr Wortmeldungen von Amtskollegen, dass es zur Solidarität gehöre, auch in der Flüchtlingskrise zusammenzuarbeiten. „Ich sehe mehr mitdiskutieren“, so Faymann wörtlich. Gefragt, wie sich die polnische Regierungschefin Beata Szydlo, die erstmals an einem EU-Gipfel teilnahm, geäußert habe, sagte er, sie habe „mehrfach den Ausdruck ‚konstruktiv‘ verwendet“.

Neue Achtergruppe macht Druck

Bei einem Treffen von sieben Nettozahlerländern und Griechenland im Vorfeld des Gipfels war Solidarität jener EU-Staaten gefordert worden, die bisher einer Verteilung von Schutzbedürftigen ablehnend gegenüberstehen. Tenor bei dem von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel kurzfristig organisierten Treffen Belgiens, der Niederlande, Luxemburgs, Schwedens, Deutschlands, Österreichs, Finnlands und Griechenlands war, dass nun finanzieller Druck auf die Länder, die sich weiter verweigern, ausgeübt werden soll.

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