Funktionen mit Einfluss im EU-Parlament
Funktion, Organisation und Arbeitsweise des EU-Parlaments gleichen in vielem denen eines nationalen Parlaments - freilich nicht in jedem Punkt. Nachfolgend die wichtigsten Gremien und jene Funktionen, die einem Abgeordneten im Parlament echten Einfluss verschaffen.
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Das wohl wichtigste Gremium ist die Konferenz der Präsidenten, die sich aus dem Parlamentspräsidenten und den Chefs der Fraktionen (derzeit acht) zusammensetzt. Sie entspricht der Präsidiale im Nationalrat - so wie diese entscheidet die Präsidentenkonferenz über den Arbeitsplan für die Legislaturperiode, aber auch über die einzelnen Tagesordnungen der Plenarsitzungen. Sie weist zudem die anstehenden Themen den Ausschüssen zu.
Das leitende „Büro“
Die wichtigste Aufgabe des Präsidiums ist die Verwaltung des parlamentseigenen Budgets, insbesondere die Regelung, wie viel Geld die einzelnen Fraktionen erhalten. Es ist zudem für die gesamte Verwaltung des Parlaments politisch zuständig. Geleitet wird diese von einem Generalsekretariat, das ebenfalls das Präsidium ernennt. Neben dem Präsidenten sind im Präsidium, das auch als „Büro“ bezeichnet wird, die 14 Vizepräsidenten und fünf Quästoren vertreten. Letztere sind für alle Verwaltungs- und Finanzfragen, die Abgeordnete direkt betreffen (etwa alle Arten von Aufwandsentschädigungen), zuständig.
Die Konferenz der Ausschussvorsitzenden koordiniert die inhaltliche Arbeit in den einzelnen Ausschüssen. Sie macht Vorschläge an die Präsidentenkonferenz bezüglich Arbeitsplanung und Tagesordnung. In dem Gremium sind die Vorsitzenden aller 22 ständigen und zweier Sonderausschüsse (Fortsetzung der „LuxLeaks“-Untersuchungen zu Steuervorteilen für Konzerne und zu „Dieselgate“ rund um den VW-Skandal wegen gefälschter Abgaswerte bei Autos) vertreten.
Einer „thront“ über allem
An der Spitze des EU-Parlaments steht der auf zweieinhalb Jahre gewählte Präsident, derzeit der deutsche Sozialdemokrat Martin Schultz. Nach der Hälfte der Legislaturperiode wählt das Plenum einen neuen Präsidenten - oder bestätigt den bisherigen. Die Funktion ist vor allem repräsentativ: Der Präsident vertritt das Haus nach außen und gegenüber den anderen EU-Institutionen. Wie so oft in der Politik ist aber nicht das Amt allein ausschlaggebend, sondern auch die Person, die es ausfüllt: Schultz hat sich etwa durch sein aktives Auftreten in den Augen vieler mehr Gehör verschafft, als ihm von Amts wegen zusteht.
Der Parlamentspräsident leitet zudem die Plenarsitzungen und sorgt dafür, dass die Geschäftsordnung eingehalten wird. Gemeinsam mit dem jeweiligen Ratspräsidenten unterzeichnet der Parlamentspräsident alle EU-Rechtsakte, die im ordentlichen Verfahren (hier sind Rat und Parlament gleichberechtigt) verabschiedet wurden. Unterstützt wird der Präsident dabei von 14 Vizepräsidenten, darunter die österreichische Grüne Ulrike Lunacek.
Mächtige Verteiler
Eine besondere Machtfunktion haben die Vorsitzenden der derzeit acht Fraktionen. Sie vertreten ihre Gruppierung nach außen, insbesondere aber auch prominent in den Plenardebatten. Ihr Wort hat Gewicht, da sie bei der inhaltlichen Arbeit die Richtung vorgeben. Zudem entscheiden sie fraktionsintern darüber, welcher Mandatar ihrer Gruppierung welche Funktion erhält und in welchen Ausschuss sie oder er entsandt wird.
Tendenziell fällt diese Position einem Abgeordneten aus einem der großen Länder zu, aktuell etwa dem Deutschen Manfred Weber (CSU) in der EVP-Fraktion und dem Italiener Gianni Pittella bei den Sozialdemokraten. Dass eine vorherige politische Karriere hilfreich sein kann, zeigt der ehemalige belgische Premier Guy Verhofstadt, der die Liberalen-Fraktion ALDE leitet. Ungewöhnlich war, dass der österreichische Sozialdemokrat Hannes Swoboda als Vertreter eines kleinen Landes von 2012 bis 214 die mächtige Fraktion der Sozialdemokraten anführte.
Nationale Rücksichten
Freihändig können die Fraktionschefs dabei freilich nicht entscheiden, sie müssen sich vor allem mit den Delegationsleitern absprechen - also mit jenen Abgeordneten, die jeweils die Mandatare eines EU-Staates innerhalb der Fraktion vertreten. Umgekehrt gilt aber: Ohne Zustimmung des Fraktionschefs bekommt ein Abgeordneter nicht das Thema, für das er sich etwa besonders interessiert - oder eine Funktion, die über die einfache Abgeordnetentätigkeit hinausgeht.
Die eigentliche Arbeit in den Ausschüssen
Eine wichtige leitende Funktion im Alltagsbetrieb des Parlaments haben zudem die Vorsitzenden der 22 ständigen Ausschüsse und der derzeit zwei Sonderausschüsse inne. Sie können die legislative Arbeit, also etwa das Beraten von Kommissionsentwürfen, die Verhandlungen mit dem Rat über einen Gesetzesakt und das Ausarbeiten von Initiativberichten, mit beeinflussen.
Koordinieren und nochmals koordinieren
Die konkrete Arbeit an einer Gesetzesmaterie machen in der Regel die Berichterstatter und deren Schattenberichterstatter. Ersterer wird von seiner Fraktion nominiert und im zuständigen Ausschuss als Verantwortlicher für einen konkreten Legislativakt oder eben einen eigenen parlamentarischen Gesetzesentwurf, in der Hoffnung, dass die Kommission diesen berücksichtigt, bestimmt. Der Berichterstatter ist also für die Redaktion eines Berichts, gegebenenfalls für konkrete Abänderungsanträge zu einem Kommissionstext, zuständig.
Berichterstatter sprechen idealerweise mit anderen Abgeordneten, Experten und Lobbyisten, um sich ein möglichst breites Bild zu verschaffen. Letztlich ist es viel Koordinierungs- und Überzeugungsarbeit: Denn der Erfolg eines Berichterstatters misst sich am Inhalt - aber ebenso sehr daran, ob sein Bericht mit einer überzeugenden Mehrheit in Ausschuss und Plenum angenommen wird. Bei Berichten mit nur knapper Mehrheit fällt es Rat oder Kommission leichter, sich den Forderungen unter Verweis auf die Gespaltenheit des Parlaments zu entziehen.
Verbindungsleute für Fraktion
Die Schattenberichterstatter werden von den anderen Fraktionen intern nominiert - ihre Aufgabe ist es, eine Position für ihre jeweilige Fraktion zu formulieren. Sie versuchen, mit dem Berichterstatter einen mehrheitsfähigen Kompromiss auszuhandeln.
Für jeden Ausschuss ernennt jede Fraktion zudem einen Koordinator. Die Koordinatoren halten ihre Gruppe über die Entwicklung der einzelnen Themen in einem Ausschuss auf dem Laufenden. Ihren Einfluss beziehen sie daraus, dass sie im Wesentlichen entscheiden, welcher Abgeordneter Berichterstatter oder Schattenberichterstatter wird. Außerdem bereiten sie ihre Fraktion auf wichtige Abstimmungen vor.
Glanz, Macht und Elend der Ausschüsse
Bei den Ausschüssen gibt es ähnlich wie bei den Funktionen eine inoffizielle Hierarchie. Ganz oben befindet sich jedenfalls der Außenpolitische Ausschuss. Dabei ist in außen- und sicherheitspolitischen Fragen das Parlament weitgehend machtlos. Eine Ausnahme ist allerdings die Aufnahme neuer Mitglieder. Und die Themen lassen sich medial in der Regel vergleichsweise gut verkaufen. Dagegen ist der Budgetausschuss eine sehr trockene Angelegenheit, die einiges an Fachwissen erfordert. Hier hat das EU-Parlament zugleich den wohl stärksten Machthebel, da es das letzte Wort hat.
Guido Tiefenthaler, ORF.at, aus Brüssel
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