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Entspannung in Schritten erhofft

Belgien hat die höchste Terrorwarnstufe für die Hauptstadt Brüssel erneut verlängert. Das maximale Niveau solle bis Montag nächster Woche gelten, allerdings sollen Schulen und die U-Bahn bereits am Mittwoch wieder öffnen. Das solle nach und nach geschehen, teilte Premierminister Charles Michel nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats am Montag mit.

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„Die Situation bleibt unverändert“, sagte Michel. Es bestehe immer noch eine „ernste und unmittelbare Bedrohung“. Vorausgegangen war eine neue Beurteilung der Lage durch das nationale Krisenzentrum. Dieses empfiehlt den Menschen in Brüssel weiterhin, belebte Orte wie Bahnhöfe und Flughäfen zu meiden sowie Konzerte und Großereignisse abzusagen. Seit drei Tagen - seit Samstagfrüh - gilt diese höchste Terrorwarnstufe für Brüssel, im Rest Belgiens gilt weiter die zweithöchste Stufe drei.

ORF-Korrespondent Tim Cupal aus Brüssel

Welches Ergebnis müssen die Fahnder vorweisen, damit die Terrorwarnung aufgehoben wird? Tim Cupal berichtet.

Anklage gegen Verdächtigen erhoben

Ein belgischer Anti-Terror-Richter erhob unterdessen am Montag Anklage gegen einen am Vortag festgenommenen Verdächtigen wegen der Anschläge von Paris. Das teilte das Büro des Generalstaatsanwalts am Montagabend in Brüssel mit. Die 15 gemeinsam mit dem Mann Festgenommenen seien wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Soldat vor dem Gebaude der Europäischen Kommission

APA/EPA/Olivier Hoslet

Ein Soldat vor dem Hauptquartier der EU-Kommission

Bei Anti-Terror-Razzien hatte die belgische Polizei am Sonntag 16 Menschen festgenommen, am Montag weitere fünf. Von diesen blieben drei weiter in Gewahrsam, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Die Festnahmen führten nicht zur Verhaftung des seit den Anschlägen von Paris am 13. November dringend gesuchten 26-jährigen Salah Abdeslam, wie die Staatsanwaltschaft zuvor mitgeteilt hatte. Der Franzose Abdeslam lebte in Belgien. Bei der Anschlagsserie hatten islamistische Attentäter 130 Menschen getötet.

Erster Arbeitstag seit Terrorwarnung

Den dritten Tag in Folge blieb am Montag die U-Bahn in Brüssel komplett geschlossen, es fuhren nur Busse und Straßenbahnen. Zu Beginn der Arbeitswoche waren Schulen, Universitäten, Schwimmbäder und Kinderkrippen zu. Viele Einkaufszentren, große Geschäfte, Supermärkte, Banken und große Versicherungen blieben ebenfalls zu. Märkte und Sportereignisse waren abgesagt.

Die normalerweise verstopfte vierspurige Rue de la Loi Richtung Zentrum war nur gering befahren. Die Botschaften der USA und Kanadas verkündeten über den Kurznachrichtendienst Twitter, ihre Botschaften am Montag nicht zu öffnen. Im gesamten Stadtzentrum von Brüssel war am Montag deutlich weniger los als sonst.

Nur wenige Menschen in Parks

Im Jubelpark nahe des EU-Viertels spazierten trotz Sonnenscheins nur wenige Menschen herum. Eine Mutter, deren zwei Kinder mit einem Hund spielten, sagte gegenüber ORF.at, sie habe sich frei genommen, um sich um ihre Kinder kümmern zu können. Sie wohne in der Nähe des Parks und komme oft zum Spielen mit den Kindern her. Angesichts der leeren Straßen betonte sie: „Brüssel fühlt sich anders an.“ Gefahr spüre sie aber keine.

Verlassener Spielplatz in Brüssel

AP/Virginia Mayo

Ein Spielplatz in einem Park im EU-Viertel war am Montag leer

Auch ein junges Paar aus Marokko, das sich seit dem Wochenende in Brüssel befindet, ließ sich trotz der höchsten Terrorwarnstufe vom Herumschlendern nicht abbringen. Sie seien am Tag vor den Anschlägen in Paris angekommen. Vor allem die nächtlichen Hausdurchsuchungen in St. Denis nach den Attentaten hätten sie mitbekommen. Sie hätten nur wenige Straßenzüge davon entfernt gewohnt und seien von Sirenengeheul und Schüssen aufgeweckt worden, so Mohammed im Gespräch mit ORF.at. Am nächsten Tag seien sie nach Brüssel weitergereist. Die Anschläge seien „furchtbar“, und er hoffe, dass „das Ganze bald ein Ende hat“.

Verlassene Straßen in Brüssel

ORF.at/Guido Tiefenthaler

Am Rondeau Schuman im EU-Viertel waren am Montag kaum Autos unterwegs

Unterschiedliche Alarmstufen bei EU-Institutionen

In der EU-Kommission gab man sich bei der täglichen Informationsstunde zur Mittagszeit relativ entspannt. Im Gegensatz zum Rat, wo die Alarmstufe von „gelb“ auf „orange“ erhöht wurde und damit schärfere Sicherheitsvorkehrungen gelten, blieb in der Brüsseler Behörde, dem Berlaymont-Gebäude, die gelbe Stufe bestehen. Allerdings gebe es permanenten Kontakt mit den belgischen Sicherheitskräften, um notfalls erhöhte Sicherheitsmaßnahmen treffen zu können. Ein Sprecher der Kommission meinte zum Schluss, er wünsche allen „eine sichere Woche“.

Im EU-Rat wurden alle nicht unbedingt nötigen Meetings und Besprechungen abgesagt, die Kommission betont dagegen, dass die Arbeit wie gewohnt weiterläuft. Allerdings wurde es den Mitarbeitern freigestellt, von zu Hause aus zu arbeiten. Das ist nicht zuletzt für all jene, die Kinder haben, wichtig, da auch die Schulen geschlossen sind. Das EU-Parlament ist derzeit nicht betroffen - es tagt diese Woche planmäßig in Straßburg. In den Imbisslokalen, Cafes und kleinen Supermärkten im EU-Viertel, in denen sich zu Mittag gewöhnlich Menschenschlangen bilden, war ebenfalls kaum etwas los.

Soldaten in Brüssel

AP/Virginia Mayo

Am Grand-Place/Grote Markt trafen die wenigen Touristen am Montag auf bewaffnetes Militär

Vor dem Krankenhaus Saint-Pierre in der Brüsseler Innenstadt gab es am Montag einen falschen Bombenalarm, wie „Le Soir“ berichtete. Es wurde ein verdächtiges Paket gefunden, worauf die Sicherheitsmaßnahmen kurzfristig rund ums Gebäude sowie im Spital selbst erhöht wurden.

Unterstützung auf Twitter durch Katzenbilder

Während des Anti-Terror-Einsatzes in der Nacht auf Montag hatte die belgische Polizei um Zurückhaltung in den Sozialen Netzwerken gebeten. Um möglichen Terroristen keine Informationen zu dem großangelegten Polizeieinsatz zu geben, waren die Internetnutzer aufgefordert worden, keine Details zu veröffentlichen.

Die User des Kurznachrichtendienstes Twitter reagierten auf ganz besondere Weise: Unter dem Hashtag #BrusselsLockdown wurden am Sonntagabend unzählige Katzenbilder in allen erdenklichen Formen veröffentlicht. Statt ernster Tweets verbreiteten sich innerhalb kurzer Zeit Fotos, Videos, Comics und Kollagen von Katzen mit Sonnenbrillen, Bierflaschen, Pistolen, Gurkenmasken oder Sturmhauben.

Die kreative und humorvolle Art der Belgier stieß im Netz auf Lob und Anerkennung. Das belgische Krisenzentrum bedankte sich in der Nacht auf Montag auf Twitter bei den Journalisten und Bürgern für ihre Kooperation.

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