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Zwischen „Liberte“ und „Securite“

Die französische Nationalversammlung hat für die Verlängerung des Ausnahmezustands um drei Monate gestimmt. Die Abgeordneten stimmten am Donnerstag in Paris dem entsprechenden Artikel des Gesetzesentwurfs zu. Über das Gesetz als Ganzes wurde aber noch nicht abgestimmt. Zudem braucht das Vorhaben noch die Zustimmung des Senats, der sich am Freitag damit befasst.

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Mit dem Paket will die Regierung nach den Terroranschlägen von Paris mit 129 Todesopfern mehrere Sicherheitsgesetze verschärfen. Während des Ausnahmezustands sollen Gruppen, die als „schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ eingestuft werden, aufgelöst werden können. Ermöglicht werden unter anderem auch Ausgangssperren, Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss auch in der Nacht und Hausarrest für mutmaßliche Gefährder.

Frankreichs Nationalversammlung

APA/AFP/Francois Guilllot

Das Parlament befürwortet eine Verlängerung des Ausnahmezustands

Das Gesetz verändert die Grundstruktur des Staatsapparates nachhaltig. Der Wahlspruch „Liberte, egalite, fraternite“ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) geht damit über in das Spannungsfeld zwischen „Liberte“ und „Securite“ (Sicherheit). Das Gesetz bemüht sich dabei deutlich um Ausgewogenheit zwischen der Wahrung von Grundfreiheiten und einem beträchtlichen Kompetenzzuwachs für die Exekutive. Frankreichs Staatschef Francois Hollande hatte den Ausnahmezustand wenige Stunden nach den Anschlägen vom vergangenen Freitagabend verhängt.

Pressefreiheit sogar gestärkt

Die Details zu dem Gesetz lassen vermuten, dass es nicht erst in den fünf Tagen seit den Terroranschlägen von Paris verfasst wurde, sondern schon länger in der Schublade lag. So werden etwa die Regeln für Hausdurchsuchungen detailliert neu formuliert. Explizit im Gesetz erwähnt ist nun, dass davon auch elektronische Daten umfasst sind. Die Büros sensibler Berufsgruppen wie Abgeordneten, Anwälten, Richtern, Staatsanwälten und Journalisten sollen laut Vorschlag künftig für Durchsuchungen jedoch tabu sein.

In einer Hinsicht soll die neue Gesetzeslage sogar liberaler sein als die bisherige Notstandsgesetzgebung: Die Möglichkeit zur „Kontrolle der Presse“ im alten Gesetz wird abgeschafft. Sonst besteht der Entwurf aber vor allem in umfassenden neuen Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden. Während des Ausnahmezustands können etwa Gruppen und Versammlungen, die als „schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ eingestuft werden, ohne weitere Auflagen aufgelöst werden.

Hausarrest als umfassendes Instrument für Polizei

Bisherige Regeln über die Verhängung von Hausarrest ohne Gerichtsverfahren sollen verschärft werden. Personen, die aus der Sicht der Behörden ernsthaft im Verdacht stehen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu bedrohen, sollen mit Hausarrest belegt werden können. Betroffenen kann zudem darüber hinaus untersagt werden, mit anderen Verdächtigen in Kontakt zu treten, und die Papiere können ihnen abgenommen werden.

Franzosen, die sich im Ausland als terroristische Kämpfer verdingen, sollen zudem bei ihrer Rückkehr nach Frankreich schärfer überwacht werden. Doppelstaatsbürgern soll auch die Einreise verweigert werden können, wenn sie als Terrorrisiko eingestuft werden. Im Fall einer gerichtlichen Verurteilung wegen eines Angriffs auf „fundamentale Interessen der Nation“ kann ihnen auch die französische Staatsbürgerschaft aberkannt werden.

Sicherheitsapparat um Tausende Stellen aufgestockt

Umgesetzt werden soll das Gesetz von einem stark aufgestockten Sicherheitsapparat. 8.500 zusätzliche Stellen sollen entstehen, 5.000 davon bei Polizei und Gendarmerie, 2.500 im Justizministerium und 1.000 beim Zoll. Die Regierung kalkuliert rund 600 Millionen Euro zusätzlich für die Verstärkung des Personals ein. Aus der Sicht von Präsident Francois Hollande sind die Kosten sekundär, trotz der angespannten Lage des Staatshaushalts. Sicherheit sei wichtiger als Budgetdisziplin, sagte der Präsident, wohl auch im Hinblick auf eine Überschreitung der Maastricht-Kriterien für Budgetstabilität im EU-Verbund.

Auswirkungen auf EU-Partner haben zudem die geplanten Verschärfungen bei Passkontrollen, vor allem bei der Ein- und Ausreise im Schengen-Raum. So solle eine unbemerkte Rückkehr von europäischen Dschihadisten aus Syrien erschwert werden, heißt es in einem Vorschlag, den Frankreich bei einem Krisentreffen der EU-Innenminister am Freitag vorlegen will. Außerdem wird auf die rasche Genehmigung einer EU-Datenbank mit Informationen über Flugreisende und schärfere Waffenkontrollen in Europa gedrängt.

Polizisten sollen ständig Waffen tragen dürfen

Wie unterdessen aus einer vorläufigen internen Mitteilung der Generaldirektion der Polizei hervorging, sollen Polizisten zudem ihre Waffe auch außerhalb der Dienstzeiten tragen können. Sie sollen das auf freiwilliger Basis tun dürfen, müssten darüber aber ihre Vorgesetzten informieren. Polizeigewerkschaften hatten diese Maßnahme nach den Anschlägen von Paris gefordert.

Warnung vor Anschlägen mit chemischen Waffen

Premierminister Manuel Valls warnte am Donnerstag in der Nationalversammlung vor Anschlägen mit chemischen und biologischen Waffen: „Wir dürfen nichts ausschließen“, sagte Valls. „Es kann auch das Risiko chemischer oder bakteriologischer Waffen geben.“ Solche Aussagen müssten mit großer „Vorsicht“ gemacht werden, so der Permierminister. „Aber wir wissen es, und es ist uns bewusst.“

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