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Deutsche Stars haben es schwierig

Erst zwei Siege beim Song Contest hat Österreichs Lieblingsnachbar Deutschland auf dem Konto: 1982 siegte Nicole, 2010 Lena. Mit jeweils einem Sieg sind zwei Herren eng verwoben, die die deutsche Song-Contest-Geschichte maßgeblich beeinflusst haben: Ralph Siegel und Stefan Raab. Deutschland muss mittlerweile ohne die beiden auskommen - und tut sich recht schwer damit.

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Beim Blick auf die Liste der deutschen Teilnehmer ist es eigentlich verwunderlich, dass es bisher nur zwei Siege gab, liest sich diese doch streckenweise wie das Who’s who des deutsches Schlagers: 1956 trat Freddy Quinn an, 1959 Alice und Ellen Kessler, 1962 Conny Froboess und 1968 Wencke Myhre, allesamt gefeierte Stars.

Katja Epstein sang 1970, 1971 und 1980 und ist mit den Plätzen zwei, zwei und drei wohl die erfolgreichste Nichtgewinnerin des Bewerbs. Die Liste der Schlagerstars wurde von Mary Roos, Gitte, Cindy & Bert, Lena Valaitis, Nino de Angelo (mit der einzigen Beteiligung von Dieter Bohlen bei deutschen Beiträgen) und Ingrid Peters in den 70er und 80er Jahren fortgesetzt.

Siegels erste Schritte

Mittendrin trat Ralph Siegel auf den Plan: Nachdem er 1974 den Song für Luxemburg beigesteuert hatte, sollte 1976 Deutschland folgen: Er schrieb für The Les Humphries Singers, die sich mit den Singles „Mexico“ und „Mama Loo“ einen Namen gemacht hatten, den „Sing Sang Song“. Damit durften sie nach der Disqualifikation von Vorentscheidsieger Tony Marshall tatsächlich antreten. Der erste Knalleffekt folgte aber drei Jahre später: Dschingis Khan, die späte deutsche Antwort auf die Village People, traten mit dem nach der Band benannten Song an - und erreichten prompt Platz vier.

Das war Grund genug, dass Siegel gemeinsam mit seinem Texterpartner Bernd Meinunger auch die nächsten drei Jahre die Vorentscheide für sich entscheiden konnte. Der Rest ist Geschichte: 1982 betrat im nordenglischen Harrogate die siebzehnjährige Nicole mit weißer Gitarre und aus heutiger Sicht beängstigenden Föhnlocken die Bühne, trällerte „Ein bisschen Frieden“, und Deutschland hatte seinen ersten Sieg.

Ralph Siegel beim Song Contest 2014

APA/EPA/Joerg Carstensen

Siegel war auch selbst auf der Bühne zu sehen

Von Deutschland nach San Marino

1987 konnten Siegel und Meinunger mit der Gruppe Wind das Kunststück fast wiederholen. Es wurde Rang zwei. Auch 1988, 1990, 1992, 1994, 1997, 1999, 2002 und 2002 sollte er noch den deutschen Beitrag beisteuern, doch irgendwie war Siegel aus der Mode gekommen. Selbst unter Pseudonymen lief gar nichts mehr.

Als es für Deutschland nicht mehr lief, versuchte er sein Glück mit anderen Nationen, darunter Malta, Bosnien und Herzegowina und San Marino. Für einiges Kopfschütteln sorgte da 2012 der reichlich bizarre Song „Facebook Uh, Oh, Oh“ für Valentina Monetta, der aufgrund der Wettbewerbsregeln auf „The Social Network Song (oh oh -uh- oh oh)“ umgetextet und umgetitelt werden musste.

Ironie macht Schlager wieder salonfähig

In Deutschland wurde Siegel vor allem von einem Mann abgelöst, der den Song Contest aus der klassischen Schlagerecke holen wollte - und das mit ganz eigenen Mitteln und voller Breitseite gegen den Altmeister: Unter dem Pseudonym „Alf Igel“ komponierte und textete Stefan Raab „Guildo hat euch lieb“ für Guildo Horn: ironischer Schlager, das traf den Zeitgeist. 2000 trat Raab dann im Glitzeranzug mit „Wadde hadde dudde da?“ selbst an. Der Blödelfaktor hatte dem Schlager endgültig den Garaus gemacht. Mit einem ernsthafteren Song schickte er dann 2004 Max Mutzke ins Rennen.

Stefan Raab beim Song Contest im Jahr 2000

Reuters

Raab 2000 im Glitzeranzug

Produktion statt Rampenlicht

Von 2010 bis 2012 trat Raab dann als Produzent des deutschen Vorentscheids in Erscheinung - und schaffte es dabei, öffentlich-rechtliche und private TV-Sender Deutschlands in ein Boot zu holen. Und gleich 2010 wurde der Jackpot geknackt: Lena Meyer-Landrut gewann mit „Satellite“ zunächst die große Vorentscheidshow und dann den Song Contest selbst. Mit 2012 zog sich Raab dann eher zurück, er blieb lediglich als Jurymitglied tätig.

Die langsame Wachablöse fand aber auch auf ganz anderer Ebene statt: Von 1979 bis 1991 war der Bayerische Rundfunk Veranstalter des Vorentscheids. 1992 bis 1995 oblag die Verantwortung dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), ehe 1996 der Norddeutsche Rundfunk (NDR) übernahm.

Newcomer statt Stars

In den vergangenen Jahren sah es dann ganz trostlos aus: 2014 wurde ein neues Vorauswahlsystem getestet. Neben einigen von Experten und Plattenfirmen nominierten Acts gab es eine Wildcard, für die sich Newcomer-Bands bewerben können, die dann bei einem Clubkonzert nach Publikumsentscheid vergeben wird. Gleich zweimal setzten sich diese durch - heuer allerdings mit einem großen Knall. Der überlegene Sieger der Vorausscheidung, Andreas Kümmert, nahm die Wahl nicht an. An seiner Stelle fuhr die zweitplatzierte Ann-Sophie nach Wien und landete mit null Punkten auf dem letzten Platz.

2014 hatte sich das über die Wildcard dazugestoßene Trio Elaiza auch in der großen Show glatt gegen die prominente Konkurrenz wie Unheilig durchgesetzt - konnte das europäische Publikum aber auch nicht überzeugen. Doch auch bekannten Popstars ging es nicht besser: 2008 soffen die No Angels mit dem programmatischen „Disappear“ in Belgrad ab, ein ähnliches Schicksal hatte die Münchener Freiheit schon 1993 ereilt.

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