Umstrittene Entscheidung
Zuletzt sind oft Newcomer für Deutschland beim Song Contest angetreten - und haben maßlos enttäuscht. Im kommenden Jahr soll alles anders sein: Die ARD will Xavier Naidoo zum Song Contest schicken. Der will „so schön und so gut singen wie noch nie in meinem Leben“. Doch es hagelt bereits Kritik.
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Erstmals seit einigen Jahren darf das deutsche Publikum nicht den Teilnehmer bestimmen, schließlich hat man auch keine besonders guten Erfahrungen damit gemacht. Im Vorjahr hatte Andreas Kümmert die Ausscheidung gewonnen, aber auf ein Antreten in Wien verzichtet. Die zweitplatzierte Ann-Sophie wurde dann beim Song Contest Letzte mit null Punkten. Dem Trio Elaiza war es 2014 nur graduell besser ergangen.
Publikum darf Song auswählen
Immerhin dürfen die Zuschauer bei der Show „Unser Song für Xavier“ am 18. Februar über das Lied abstimmen, mit dem Naidoo ins Rennen gehen soll. „Ich hab richtig Lust auf den ESC! Dieser völkerverbindende Wettbewerb ist für mich etwas ganz Besonderes. Und klar, ich trete an, um das Ding nach Hause zu holen“, wurde Naidoo auf der Seite Eurovision.de zitiert.

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Mit souliger Stimme kann Naidoo begeistern - eher singend als sprechend
ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber sagte, Naidoo sei ein Ausnahmekünstler, der seit zwanzig Jahren seinen Platz im deutschen Musikleben habe. Deshalb sei er direkt nominiert worden. „Wir bitten die besten Produzenten und Komponisten Deutschlands, für Xavier zu schreiben“, so Schreiber.
„Internet von Gott beseelt“
Naidoo wurde zunächst mit seiner Band Söhne Mannheims bekannt, verkaufte dann aber auch seine Soloalben millionenfach. „Ich will in den drei Minuten auf der Bühne zeigen, dass wir auch in Deutschland Musik mit Leidenschaft machen. Und zeigen, wofür ich stehe - für Liebe, Freiheit, Toleranz und Miteinander“, sagte Naidoo weiter.
Wofür Naidoo tatsächlich steht, erschien in den vergangenen Jahren allerdings mehr als unklar. Zunächst ließ er mit eher verwirrten Wortspenden aufhorchen. „Ich weiß, dass der Name Gottes im Internet ist, und natürlich ist auch das Internet von Gott beseelt“, sagte er in einem Interview 2000. Im selben Gespräch lieferte er auch eine Erklärmöglichkeit für diese Aussage: „Ich rauche eigentlich ziemlich viel Marihuana.“
Rede vor Rechtspopulisten
Später wurden Naidoos Aussagen noch verquerer: 2014 sprach er am Tag der Deutschen Einheit vor rechtspopulistischen „Reichsbürgern“, die Deutschland nicht als souveränen Staat anerkennen. 2011 hatte er in der ARD gesagt: „Wir sind nicht frei. Wir sind immer noch ein besetztes Land.“ Die Terroranschläge vom 11. September 2001 bezeichnete der Sänger einmal als „Warnschuss“. Für seine Ansichten bekam er 2014 das „Goldene Brett vorm Kopf“ verliehen - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Kritiker werfen dem Mannheimer mit indischen und afrikanischen Wurzeln nicht nur eine Nähe zu Verschwörungstheorien, sondern auch Homophobie vor - bei der großen schwulen und lesbischen Fangemeinde des Song Contest eine recht explosive Mischung.
„Sehr schwer nachzuvollziehen“
Der deutsche Lesben- und Schwulenverband (LSVD) meldete sich prompt „äußerst kritisch“ zu Wort. Jemanden „dorthin zu schicken, der Deutschland als Kolonie der USA bezeichnet, ist sehr schwer nachzuvollziehen“. Der Lesben- und Schwulenverband hatte 2012 zudem Anzeige wegen eines Liedes von Naidoo und dem Rapper Kool Savas erstattet, weil das Stück aus Sicht des Verbandes schwulenfeindlich war.
Über Naidoos Teilnahme sei man „mehr als unglücklich“. „Jeder hat eine zweite Chance verdient. Ich sehe aber nicht, dass er sich von dem rechten Gesinnungsgut distanziert hat“, sagte LSVD-Bundesvorstand Tobias Zimmermann.
ARD verteidigt Entscheidung
„Xavier Naidoo ist weder rechtspopulistisch noch homophob oder antisemitisch“, sagte ARD-Unterhaltungskoordinator Schreiber. Er verteidigte auf Eurovision.de das Vorgehen: „Zum einen wollen wir die Auswahl der Lieder stärker in den Vordergrund stellen und weniger die Sympathien für einzelne Kandidaten entscheiden lassen. Zum anderen haben wir jemanden gesucht, der im Jahre sechs nach Lenas Sieg in Oslo den Mut hat, in Stockholm anzutreten - nach einem letzten Platz und null Punkten beim ESC in Wien.“
Kritik und Spott in Sozialen Netzwerken
Die Entscheidung stieß in Sozialen Netzwerken auf heftige Kritik. Die NDR-Satiresendung „extra3“ ätzte in Anspielung auf Äußerungen des deutschen Innenministers Thomas de Maiziere: „Warum ausgerechnet Xavier #Naidoo Deutschland vertritt? Ein Teil dieser Antwort würde uns ganz sicher verunsichern!“
Wenig später legte man nach: „Wenn man sich überlegt, was die beim ESC für Kostüme tragen ... Ein Sänger mit Aluhut fällt da doch gar nicht auf. #Naidoo wird der erste #esc-Kandidat mit eigener Gegendemo bei der @ndr-Übertragung auf dem Spielbudenplatz“, schrieb ein Nutzer. Und gerade in Zeiten der PEGIDA-Demonstrationen, zu denen Naidoo wenig Berührungsängste zeigt, sei die Nominierung ein Fehler, meinten viele. „Wie kann denn jemand ein Land vertreten, welches er nicht anerkennt?“, wurde gefragt. Auch aus Österreich kamen Reaktionen, so meint User GrandHuit: „Damit sich der Naidoo nicht so einsam fühlt, schicken wir einfach den Gabalier hin.“
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