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Hollande plant Besuch in Moskau

Nach den Anschlägen in Paris hat Frankreich die Luftangriffe gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien verstärkt - und sucht internationale Allianzen. Der russische Präsident Wladimir Putin setzt nun auf eine Annäherung an Frankreich. Er habe die russische Marine angewiesen, die Besatzung des französischen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“ zu kontaktieren und sie als Verbündete zu betrachten, so Putin in Moskau.

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Demnach könnte sein Land außerdem gemeinsam mit der Marine Frankreichs einen Syrien-Plan ausarbeiten. Das Präsidialamt teilte zudem mit, Putin habe mit seinem französischen Kollegen Francois Hollande telefoniert. Dabei sei eine Zusammenarbeit der Streitkräfte beim Kampf gegen den IS vereinbart worden. In Paris erklärte das Präsidialamt, dass Hollande am Donnerstag kommender Woche nach Moskau reisen werde, um über den IS und die Lage in Syrien zu beraten. Bereits zwei Tage zuvor ist eine Visite in Washington geplant.

Russland erntet immer wieder Kritik für Luftschläge

Mehrere westliche und arabische Staaten bombardieren unter Führung der USA schon länger mutmaßliche IS-Ziele in Syrien. Seit Ende September ist auch Russland in dem Bürgerkriegsland aktiv. Allerdings wurde Russland seitdem immer wieder vorgeworfen, vor allem sogenannte gemäßigte Rebellen zu bekämpfen und kaum den IS.

Russlands Präsident Wladimir Putin und russische Minister halten eine Trauerminute ab

APA/AFP/Alexei Nikolsky

Die russische Regierung gedachte am Dienstag mit einer Schweigeminute der Opfer des Flugzeugabsturzes Ende Oktober

Der russische Geheimdienstchef Alexander Bortnikow erklärte am Dienstag erstmals, dass der Absturz eines russischen Ferienfliegers über Ägypten ein Anschlag war. Damit räumte auch der Kreml ein, was westliche Experten schon länger vermuteten: Russland steht im Fadenkreuz der Terroristen, die auch hinter den Anschlägen in Paris stecken. Nach dem Absturz der Maschine über der Sinai-Halbinsel Ende Oktober, bei dem 224 Menschen gestorben waren, hatte sich der IS mit der Tat gebrüstet.

Hollande will weltweite Koalition gegen den IS

Hollande hatte am Montag erklärt, dass er auch den UNO-Sicherheitsrat anrufen und eine weltweite Koalition gegen den IS bilden wolle. Dazu möchte er sich mit US-Präsident Barack Obama und Kreml-Chef Putin treffen, um eine einheitliche Strategie in Syrien und gegen den IS zu erreichen. Die USA reagierten allerdings zurückhaltend.

ORF-Korrespondenten-Analysen aus Brüssel und Paris

ORF-Korrespondent Peter Fritz berichtet aus Brüssel über den geforderten militärischen Beistand für Frankreich. ORF-Korrespondentin Eva Twaroch in Paris beschreibt die Zusammenarbeit Frankreichs mit Russland.

Das US-Verteidigungsministerium lehnte es am Montagabend ab, sich beim Kampf gegen den IS mit Moskau abzustimmen: „Wir koordinieren unsere Operationen nicht mit den Russen und wir kooperieren nicht mit ihnen“, sagte Pentagon-Sprecher Peter Cook im CNN-Fernsehen. Putin hatte beim G-20-Gipfel im türkischen Belek erklärt, er hoffe weiter auf eine große internationale Koalition gegen den Terrorismus in Syrien.

US-Verteidigungsminister sieht Europa gefordert

US-Verteidigungsminister Ashton Carter forderte hingegen die europäischen Verbündeten zu mehr Anstrengungen im Kampf gegen die radikalislamische IS-Miliz auf. „Wir wollen mehr tun. Wir halten Ausschau nach jeder Gelegenheit, die wir kriegen können, um den IS anzugehen. Aber es ist für uns wichtig, dass auch andere mitmachen“, sagte Carter am Montag auf einer Veranstaltung des „Wall Street Journal“. „Ich hoffe, dass diese Tragödie den Effekt haben wird, andere wachzurütteln, so wie sie die Franzosen wachgerüttelt hat“, fügte er hinzu.

Auch US-Außenminister John Kerry schlug am Dienstag in Paris in dieselbe Kerbe. „Jeder wird verstehen, dass wir angesichts der Attacken im Libanon, angesichts dessen, was in Ägypten passiert, in Ankara, der Türkei und jetzt in Paris unsere Bemühungen intensivieren müssen, sie im Kern zu treffen. Dort, wo sie diese Dinge planen“, so Kerry. Er war am Vormittag mit Hollande zusammengetroffen.

Frankreichs Präsident Francois Hollande und US-AUßenminister Kerry

APA/AP/Francois Mori

US-Außenminister John Kerry reiste am Dienstag zu einem Gepräch mit Francois Hollande nach Paris

Rouhani sichert Unterstützung des Iran zu

Ebenfalls am Dienstag telefonierte der französische Präsident mit seinem iranischen Gegenüber Hassan Rouhani. Der iranische Präsident sicherte dabei Fankreich die Unterstützung zu. „Die Vernichtung der Terroristen ist die höchste Priorität, und wir sollten in dieser Hinsicht zusammenarbeiten“, sagte Rouhani. Die „widerlichen Angriffe“ von Paris waren laut Rouhani zwar sehr bitter, hätten aber zu mehr internationaler Solidarität und der Notwendigkeit gemeinsamen Handelns geführt.

Der Iran sei für eine gemeinsame Front gegen den IS und diesbezüglich auch bereit, eine aktive Rolle zu spielen. Der Iran, schiitische Vormacht in der Region, hatte die Terrorangriffe der sunnitischen IS-Miliz in Paris scharf verurteilt. Wegen der Angriffe musste Rouhani den für diese Woche geplanten Staatsbesuch in Paris absagen. Er soll aber bald nachgeholt werden.

EU-Länder sichern Hilfe zu

Laut der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini versicherten bereits alle EU-Partner Frankreich ihres Beistands. Welche Art von Unterstützung sich Frankreich konkret vorstellt, ist noch offen. Über die Gestalt der Hilfe würden die Länder bilateral mit Frankreich klären, so Mogherini während des Verteidigungsministertreffens.

So ist auch noch offen, wie sich Österreich an dem von Frankreich erbetenen militärischen Beistand beteiligen kann und wird. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nannte am Dienstag nach dem Ministerrat auf Nachfrage keine konkreten Maßnahmen. Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) werde entsprechende bilaterale Gespräche mit Frankreich führen, sagte Faymann.

Deutschland versichert Hilfe

Zuvor hatte bereits Deutschland erklärt, Frankreich umfassende Hilfe leisten zu wollen. „Wir werden sehr genau hinhören, was Frankreich uns zu sagen hat, und aufmerksam auch analysieren, worum Frankreich uns bittet“, sagte die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor dem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen in Brüssel. Es sei selbstverständlich, dass Deutschland „alles in unserer Macht Stehende“ tun werde, um Hilfe und Unterstützung zu leisten.

Dass die Regierung eine aktivere Beteiligung von EU-Staaten im Kampf gegen den IS im Irak und Syrien einfordert, wurde im Vorfeld des Treffens für eher unwahrscheinlich gehalten. Auch wenn der IS die Anschläge von Paris in Auftrag gegeben habe, werde Hollande mit seinen Forderungen vermutlich nicht so weit gehen, hieß es. Schon jetzt beteiligten sich die meisten EU-Staaten an der US-geführten internationalen Allianz im Kampf gegen den IS. Auch Österreich hat sich dem Bündnis angeschlossen, beteiligt sich aufgrund der Neutralität jedoch nur mit humanitärer Hilfe.

Frankreich verfehlt EU-Ziel für Staatsdefizit

Darüber hinaus wird Frankreich in den kommenden Tagen wohl noch eine weitere Bitte gegenüber der EU vorbringen - auch wenn das nicht die Aufgabe Le Drians sein wird, sondern eher in das Ressort von Finanzminister Michel Sapin fällt: Wie Regierungschef Manuel Valls am Dienstag gegenüber dem Radiosender France Inter sagte, werde das Land wegen steigender Ausgaben für die nationale Sicherheit das EU-Ziel für das Staatsdefizit verfehlen.

Valls kündigte eine deutliche Aufstockung der Mittel für Polizei, Gendarmerie und Geheimdienst an. Den Sicherheitsbehörden müssten „noch nie da gewesene Mittel“ gegeben werden, so der Regierungschef. Im Gegenzug solle aber nicht bei anderen Ressorts gekürzt werden. „Wir müssen das annehmen, und Europa muss das verstehen“, sagte Valls.

EU-Kommission zeigt Verständnis

Und Europa scheint zu verstehen: Die Sicherheit habe „absolute Priorität. Da können Sie sicher sein, dass die Kommission dafür Verständnis hat“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Dienstag in Brüssel. Auf die Frage, was passiere, wenn Frankreich zur Erhöhung der Sicherheit das Drei-Prozent-Defizitziel überschreite, wollte sich Moscovici nicht konkret festlegen.

„Eines ist deutlich: Das ist ein schrecklicher Moment. Der Schutz und die Sicherheit der Bürger Frankreichs haben natürlich absolute Priorität.“ Die finanziellen Auswirkungen „müssen wir uns erst anschauen“. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt seien ja gerade deswegen geschaffen worden, damit die Staaten auch in ihren Budgets einen Spielraum schaffen können, damit auf unvorhergesehene Ereignisse reagiert werden könne.

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